Leitsatz

Grundsätzlich ist das Recht zur Erbausschlagung auf sechs Wochen ab Kenntnis von dem Anfall und von dem Berufungsgrund befristet. Jedoch geht das Interesse des Erben an Aufklärung seiner Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und des konkreten Berufungsgrundes den Interessen der Nachlassgläubiger an einer raschen Klärung der Rechtsnachfolge vor. Hat der Erbe in Unkenntnis vom Berufungsgrund eine dem Inhalt nach auf Erbausschlagung gerichtete Willenserklärung zunächst formungültig abgegeben, so kann er die Versäumung der Ausschlagungsfrist anfechten, wenn er in Unkenntnis der Amtsempfangsbedürftigkeit der Ausschlagungserklärung geglaubt hat, bereits wirksam ausgeschlagen zu haben.

 

Sachverhalt

Von drei gesetzlichen Erben schlugen zwei die Erbschaft wegen Überschuldung des Nachlasses aus. Dem jüngsten Sohn der Erblasserin wird dies mit Schreiben vom 11.03.2004 unter Hinweis auf den spätesten Beginn der 6-wöchigen Ausschlagungsfrist ab Erhalt dieses Schreibens und unter weiterem Hinweis auf die Formalien (öffentliche Beurkundung bzw. Niederschrift) vom Rechtspfleger des Nachlassgerichts mitgeteilt. Am 14.04.2004 ging beim Nachlassgericht ein Schreiben des Beteiligten ein, in welchem dieser mitteilt, dass er "die Nachlasssache" ablehne. Sogleich wies der Rechtspfleger den Beteiligten auf die Formunwirksamkeit dieser Erklärung hin und belehrte ihn zugleich über den Inhalt der Regelungen in §§ 1944, 1945 BGB. Daraufhin ging am 18.05.2004 beim NachlG eine notariell beglaubigte Erklärung des Beteiligten vom 20.04.2004 ein, in welcher dieser die Erbschaft aus allen Berufungsgründen ausschlägt. In einem weiteren Schreiben erklärt der Beteiligte dem NachlG gegenüber in notariell beglaubigter Form die Anfechtung des Versäumnisses der Ausschlagungsfrist.

Die Gläubigerin eines gegenüber der Erblasserin bestehenden Rentenrückforderungsanspruchs beantragte zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gem. § 792 ZPO die Erteilung eines Erbscheins, der den Beteiligten als Alleinerben auf Grund gesetzlicher Erbfolge ausweist.

Das vorbefasste LG wies die Beschwerde des Beteiligten zurück und begründete dies damit, dass ein Anfechtungsgrund nicht gegeben und die mit Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 11.03.2004 in Lauf gesetzte Ausschlagungsfrist verstrichen sei.

Mit seiner weiteren Beschwerde macht der Beteiligte geltend, dass er die Erbausschlagung bereits mit der Beglaubigung seiner entsprechenden Erklärung beim Notar bewirkt habe. So jedenfalls habe er die gerichtlichen Anschreiben vom 11.03.2004 und vom 15.04.2004 verstanden. Auf die Notwendigkeit einer Übermittlung der Ausschlagungsurkunde an das Nachlassgericht sei er auch vom Notariat nicht besonders hingewiesen worden.

 

Entscheidung

Der erkennende Senat verwies die Sache zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das LG zurück, da eine Rechtsverletzung im Sinne der §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO wegen nicht hinreichender Aufklärung des Sachverhalts entgegen §§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB vorliegt.

Das Recht zur Ausschlagung nach §§ 1944 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 1945 Abs. 1 BGB ist befristet. Die Kenntnis von dem Anfall und dem Berufungsgrund als Fristbeginn setzt voraus, dass der Erbe vom Tod des Erblassers bestimmte und überzeugende Kenntnis hat sowie von den sich daraus ergebenden rechtlichen Folgen seiner Berufung (Kenntnis des tatsächlichen Berufungsgrundes). Dieses Kenntnisinteresse geht den Interessen der Nachlassgläubiger an einer raschen Klärung der Rechtsnachfolge vor.

Der Erbe hat in diesem Sinne erst Kenntnis, wenn ihm die tatsächlichen oder rechtlichen Umstände in so zuverlässiger Weise bekannt geworden sind, dass von ihm erwartet werden kann, in die Überlegungen über die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft einzutreten, wobei die Anforderungen an die Sicherheit der Kenntnis nicht überspannt werden dürfen. Fahrlässige Unkenntnis des Erben steht dabei seiner Kenntnis nicht gleich, so dass sowohl ein Irrtum über Tatsachen als auch eine irrige rechtliche Beurteilung Kenntnis verhindern kann.

Bei einer in Rede stehenden Berufung des Erben kraft Gesetzes besteht stets die Möglichkeit, dass ein nicht dauernd testierunfähiger Erblasser ein noch unbekanntes eigenhändiges Testament niedergeschrieben hat. Kennt der gesetzliche Erbe die Familienverhältnisse und hat er nach den Gesamtumständen keine begründete Vermutung, dass eine ihn ausschließende letztwillige Verfügung existiert, ist Kenntnis vom Berufungsgrund anzunehmen. Andererseits kann diese Kenntnis auch bei sehr nahen Angehörigen des Erblassers fehlen, wenn die Familienbande über längere Zeit vor dem Erbfall abgerissen war und der gesetzliche Erbe daher auf bloße Mutmaßungen hinsichtlich des letzten Willens des Erblassers und zum Vorhandensein einer Verfügung von Todes wegen angewiesen ist. Bei einem rechtlichen unkundigen Erben genügen private Mitteilungen außenstehender Dritter ebenso wenig wie die bloße Annahme, es fehle an einem Aktivnachlass.

Den Beginn der Ausschlagungsfrist haben die Tatgerichte im Erbscheinsverfahren...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge