Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Normenkette
§ 14 Nr. 1 WEG, § 15 Abs. 2 WEG, § 22 Abs. 1 WEG, § 242 BGB, § 1004 Abs. 1 BGB
Kommentar
1. Ein Eigentümer hatte an seinem Balkon im 3.OG eine Verglasung angebracht, bestehend aus 5 Fensterelementen in weißen Kunststoffrahmen, die wie eine Faltwand zusammengeschoben werden konnten. Die Gemeinschaft beschloss daraufhin mehrheitlich die Entfernung und Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands. Die Beschlussanfechtung wurde in allen drei Instanzen zurückgewiesen und der Gegenantrag der Gemeinschaft auf Entfernungsverpflichtung dieser Balkonverglasung bestätigt.
2. Der Mehrheitsbeschluss der Gemeinschaft entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne von § 21 Abs. 3, Abs. 4 WEG; Wohnungseigentümer können nämlich gem. § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 15 Abs. 3 WEG und § 14 Nr. 1 WEG die Beseitigung der Balkonverglasung verlangen. Es handelt sich hier um eine nachteilige bauliche Veränderung im Sinne einer nicht ganz unerheblichen Verschlechterung des optischen Gesamteindrucks der Wohnanlage.
Diese Feststellungen liegen grundsätzlich auf tatrichterlichem Gebiet, die vom Rechtsbeschwerdegericht nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüft werden können, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (vgl. auch BGHZ 116, 392, 396 und ständige Rechtsprechung des BayObLG). Die hier in die Akten gegebenen Lichtbilder boten eine ausreichende Grundlage für die Würdigung durch das Beschwerdegericht; weitere Ermittlungen, insbesondere eines von Antragstellerseite angeregten Augenscheins bedurfte es nicht (BayObLG, NZM 1998, 980, 981). Ein Antragsteller kann auch keinen Erfolg damit haben, dass er der tatsächlichen Würdigung des LG widerspricht und diese durch seine eigene Würdigung ersetzt wissen will (vgl. auch BayObLG, WE 1997, 275, 276 und ZMR 1999, 580, 581).
3. Einem Beseitigungsverlangen kann auch nicht entgegengehalten werden, dass auch andere Eigentümer ungenehmigte bauliche Veränderungen vorgenommen hätten; eine "Aufrechnung" baulicher Veränderungen gegeneinander kommt nicht in Betracht. Soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, steht es einem Antragsteller vielmehr frei, in solchen Fällen seinerseits Beseitigungsansprüche geltend zu machen (h.R.M.).
4. Auch der Hinweis des Antragstellers, der Verwalter habe der baulichen Veränderung zugestimmt, besitzt keine Bedeutung, da vorliegend die Teilungserklärung keine von § 22 Abs. 1 WEG abweichende Regelung enthält. Gleiches gilt für positive Auskünfte der Gemeindeverwaltung oder Hinweise auf Verhältnisse in anderen Wohnanlagen.
5. Der Vortrag einer Rechtsmissbräuchlichkeit kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht mehr berücksichtigt werden, wenn es hierfür auf neue Tatsachen und Beweismittel ankommt (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, § 561 ZPO). Im Übrigen liegen im vorliegenden Fall die Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB nicht vor (vgl. BayObLG, NZM 1998, 980, 981). Dem Interesse des Antragstellers an der Beibehaltung der für ihn vorteilhaften und mit erheblichem Kostenaufwand erstellten Balkonverglasung steht das Interesse der übrigen Eigentümer an der Beseitigung einer störenden Beeinträchtigung des Erscheinungsbilds der Wohnanlage gegenüber. Im vorliegenden Fall war sich der Antragsteller auch des Risikos fehlender Genehmigung vor Durchführung seiner Veränderungsmaßnahme bewusst.
6. Auch außergerichtliche Kostenerstattung im Rechtsbeschwerdeverfahren bei Geschäftswert dieser Instanz von DM 1.000,-.
Link zur Entscheidung
( BayObLG, Beschluss vom 09.10.2000, 2Z BR 87/00)
Zu Gruppe 5