Prof. Dr. Volker Römermann
Rz. 19
Gem. § 4 Abs. 3 FAO besteht grds. die Möglichkeit, den erforderlichen Nachweis besonderer theoretischer Kenntnisse im jeweiligen Fachgebiet auch ohne die erfolgreiche Teilnahme an einem Lehrgang nachzuweisen. Allerdings müssen die außerhalb eines Lehrgangs erworbenen Kenntnisse dem im Fachlehrgang zu vermittelnden Wissen entsprechen. Damit soll nach dem ausdrücklichen Willen des Satzungsgebers ausgeschlossen werden, dass etwa erfahrenen und langjährig tätigen Rechtsanwälten ohne Nachweis des Erwerbs besonderer theoretischer Kenntnisse allein aufgrund ihrer umfangreichen praktischen Erfahrungen die Fachanwaltsbezeichnungen verliehen werden ("Alte-Hasen-Regelung").
Rz. 20
Welche alternativen Nachweismöglichkeiten tatsächlich anerkannt werden können, ist nach wie vor nicht unstreitig. Einigkeit besteht zumindest darin, dass der erfolgreiche Abschluss des Steuerberaterexamens nach § 37a StBerG als Nachweis i.S.d. § 4 Abs. 3 FAO für die besonderen theoretischen Kenntnisse der Fachanwaltsbezeichnung Steuerrecht ausreichen soll, wenn dieses innerhalb der letzten vier Jahre vor Antragstellung abgelegt worden ist. Auch eine Dozententätigkeit, innerhalb derer alle relevanten Teilbereiche des jeweiligen Fachgebiets abgedeckt werden, soll ausreichen. Für Studiengänge wurde dies bislang nur für ein BWL-Studium im Hinblick auf § 4 Abs. 1 Satz 3 FAO i.V.m. § 9 Nr. 1 FAO (Fachanwaltsbereich Insolvenzrecht) bejaht, wenn hier lehrgangsentsprechende Kenntnisse vermittelt wurden. Auch die Teilnahme an einem LL.M.-Studiengang wird als entsprechende, qualitativ hochwertige Maßnahme anerkannt.
Rz. 21
Angezweifelt werden diese alternativen Nachweismöglichkeiten für Promotion, Veröffentlichungen, Prüfungstätigkeit, Tätigkeiten im Fachausschuss und für ehrenamtliche Richter, da hier meist eine hochgradige Spezialisierung vorliegt, die nicht die komplette Bandbreite des jeweiligen Fachanwaltsbereichs abzudecken vermag. Auch der anwaltsspezifische Bezug ist von enormer Bedeutung und darf nicht fehlen. Da die Voraussetzungen der Nachweismöglichkeiten jeweils im Einzelfall zu überprüfen sind, wird es hier sicherlich Ausnahmen geben. Besondere Kenntnisse außerhalb des Lehrgangs müssen eine intensive Befassung mit allen relevanten Gebieten des jeweiligen Fachgebiets erkennen lassen und anwaltsspezifisch sein. Es ist ferner zu prüfen, ob Art und Umfang sowie Niveau dieser Tätigkeiten als Lehrgangsersatz gewertet werden können. Bei allen Ersatztätigkeiten gilt i.Ü. auch das Aktualitätsgebot des § 4 Abs. 2 FAO. Der BGH hat die Möglichkeit zugelassen, dass der Rechtsanwalt den Nachweis auch durch Stellungnahmen eines Richters führen kann, wenn die Stellungnahmen belegen, dass der Rechtsanwalt in allen erforderlichen Teilbereichen über besondere theoretische Kenntnisse verfügt. Auch soll der Nachweis durch "mit einem gewissen Niveau" bearbeitete Schriftsätze möglich sein. Derartig unspezifische Ausnahmen sind indes eine Einladung zu Gefälligkeitsschreiben und bergen daher stets die Gefahr, dass das Tatbestandsmerkmal des Nachweises theoretischer Kenntnisse verwässert wird.