Prof. Dr. Volker Römermann
Rz. 112
§ 43c Abs. 4 BRAO regelt die Voraussetzungen, unter denen eine Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung zurückgenommen bzw. widerrufen werden kann. Der Kammervorstand hat also sein pflichtgemäßes Ermessen ("kann widerrufen") unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuüben. Die dazugehörigen Verfahrensvorschriften regelt § 25 FAO, der die Formalien enthält, welche von der Rechtsanwaltskammer zu beachten sind, wenn diese eine Fachanwaltserlaubnis zurücknehmen oder widerrufen will.
I. Rücknahme
Rz. 113
Die Rücknahme einer Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung kann mit Wirkung für die Zukunft erfolgen, wenn Tatsachen nachträglich bekannt werden, bei deren Kenntnis die Erlaubnis hätte versagt werden müssen. Die Rücknahme muss sorgfältig unter Berücksichtigung aller Umstände sowie des Verhältnismäßigkeitsgebots ausgeübt werden.
Der für die Rücknahme typische Anwendungsfall ist die Täuschung oder Manipulation tatsächlicher Angaben in den Antragsunterlagen, bspw. durch Vorlage falscher Fallzahlen, wissentlich falsche Angaben zu Art und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, durch das Erschleichen von Lehrgangszeugnissen oder durch Vorlage gefälschter Zeugnisse. Zwar verpflichten weder die BRAO noch die FAO den Antragsteller ausdrücklich dazu, im Antragsverfahren nur zutreffende Tatsachen bzw. Angaben vorzutragen. Daraus kann allerdings nicht der Schluss gezogen werden, dass keine entsprechende Berufspflicht bestehe. Verstöße sind vielmehr als Verletzung der Pflicht zur gewissenhaften Berufsausübung gem. § 43 BRAO anzusehen.
II. Widerruf
Rz. 114
Die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung kann widerrufen werden, wenn eine in der Berufsordnung vorgeschriebene Fortbildung unterlassen wird (§ 43c Abs. 4 Satz 2 BRAO). Es handelt sich um eine Ermessensvorschrift, mit der sich auch der BGH bereits ausführlich beschäftigt hat. Mit Beschl. v. 6.11.2000 stellte er fest, dass auch eine vor Inkrafttreten der FAO erteilte Erlaubnis wegen Verletzung der Fortbildungspflicht widerrufen werden kann.
Rz. 115
Mit Beschl. v. 2.4.2001 machte der BGH sodann deutlich, dass zu der Ermessensausübung auch die Berücksichtigung anderer Umstände als – wie im vorliegenden Fall – die bloße Nichterbringung der Fortbildungsnachweise aus § 15 FAO gehören. So müsse die zeitweilige unverschuldete Unmöglichkeit der Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen, etwa wegen Krankheit oder eines unzureichenden Angebots an Fortbildungsveranstaltungen, nicht automatisch zum Widerruf führen, da Art. 12 GG und der Grundsatz, wonach Einschränkungen der Berufsfreiheit sich an den Gründen des Gemeinwohls und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes messen lassen müssen, zu berücksichtigen seien.
III. Verfahren
Rz. 116
Wie bereits oben unter Rdn 112 ff. erwähnt, regelt § 25 FAO das Verfahren von Rücknahme und Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung. Die Befugnis zur Rücknahme und zum Widerruf liegt beim Vorstand derjenigen Rechtsanwaltskammer, der der betroffene Rechtsanwalt im Zeitpunkt der Entscheidung angehört. Es kommt daher nicht darauf an, welche Kammer die Erlaubnis erteilt hat.
Rz. 117
Rücknahme und Widerruf sind nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer von den sie rechtfertigenden Tatsachen zulässig (§ 25 Abs. 2 FAO). Dabei kann sich ein Rechtsanwalt, der seiner Fortbildungspflicht nicht nachkommt und von der Kammer einen Aufschub in das übernächste Jahr erhalten hat, nicht auf einen Fristablauf berufen, wenn er sodann seine Zusage zum "Nachdienen" der Fortbildungspflicht nicht einhält.
Rz. 118
Wechselt der betroffene Fachanwalt während des Rücknahme- bzw. Widerrufsverfahrens in einen anderen Kammerbezirk, ist hinsichtlich des Beginns der Frist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Vorstand der "Altkammer" die entsprechende Kenntnis erlangt hat. Der Vorstand der aufnehmenden Kammer muss sich also die Kenntnis des anderen Vorstands zurechnen lassen.
Rz. 119
Da nach Ablauf der Jahresfrist des § 25 Abs. 2 FAO als lex specialis das Rügerecht des Kammervorstands nach § 74 BRAO wieder auflebt, hat dieser bis zum Ablauf von 3 Jahren nach der Pflichtverletzung immer noch die Möglichkeit, das Fehlverhalten durch Verhängung einer aufsichtsrechtlichen Maßnahme zu sanktionieren.
IV. Rechtsmittel
Rz. 120
Gegen den Widerruf oder die Rücknahme der Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung kann der Antragsteller Klage gem. den Vorschriften der VwGO beim AGH stellen. Die Entscheidung des AGH kann wiederum mit der Berufung zum BGH – falls sie zugelassen wird – angegriffen werden (s. hierzu auch Rdn 91 und 94).