Zusammenfassung
Nach den allgemeinen Regeln des gegenseitigen Vertrags (§§ 320, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB) muss der Arbeitgeber als Gläubiger der Arbeitsleistung die Vergütung als Gegenleistung nur entrichten, wenn der Arbeitnehmer gearbeitet hat ("Ohne Arbeit kein Lohn"). Die Regeln des Annahmeverzugs stellen eine von zahlreichen arbeitsrechtlichen Durchbrechungen dieses Grundsatzes dar. § 615 BGB erhält dem Arbeitnehmer den Lohnanspruch, wenn der Arbeitgeber sich im Annahmeverzug befindet.
Nach §§ 293 ff. BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Die Nichtannahme kann in der fehlenden Bereitstellung des Arbeitsplatzes als der für die Erbringung der Arbeitsleistung erforderlichen Mitwirkungshandlung des Arbeitgebers bestehen. Der praktisch häufigste Fall des Annahmeverzugs tritt jedoch bei der Nichtbeschäftigung im Anschluss an eine unwirksame Arbeitgeberkündigung oder eine unwirksame Befristung ein. § 615 Satz 3 BGB stellt auch die sog. Betriebsrisikolehre dem Annahmeverzug gleich.
Arbeitsrecht: § 615 BGB erhält dem Arbeitnehmer den Lohnanspruch i. V. m. dem arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch – die Norm ist jedoch keine eigene Anspruchsgrundlage. Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs bestimmen sich nach den §§ 293 ff. BGB. In Kündigungsfällen wird § 615 BGB durch § 11 KSchG als lex specialis verdrängt. Vertragliche Vereinbarungen oder einseitig erklärte Anordnungen des Arbeitgebers, wie beispielsweise Sonderurlaub, Freizeitausgleich oder Freistellung bilden eigenständige Rechtsgrundlagen für Vergütungszahlungspflichten und stellen keinen Annahmeverzug dar.
Arbeitsrecht
1 Voraussetzungen
1.1 Wirksamer Arbeitsvertrag
Zunächst muss ein wirksames Arbeitsverhältnis vorliegen. Wirksam ist ein Arbeitsvertrag individualrechtlich auch, wenn der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung des Arbeitnehmers nach § 99 BetrVG verweigert. Der Arbeitgeber darf dann den Arbeitnehmer vorbehaltlich der §§ 100 ff. BetrVG nicht im Betrieb einsetzen und hat deshalb Annahmeverzugslohn zu zahlen.
Bei Beeinträchtigungen des Leistungsvermögens des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung ist der Arbeitgeber nicht zu einer Vertragsänderung verpflichtet.
1.2 Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer
Der Arbeitnehmer hat grundsätzlich zuerst die Arbeitsleistung persönlich und tatsächlich so anzubieten, wie sie zu bewirken ist, d. h. zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Art und Weise. Erforderlich ist deshalb grundsätzlich das Erscheinen im Betrieb zu betriebsüblichen Zeiten. Nach § 295 BGB genügt dafür ausnahmsweise ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers (auch durch Brief, E-Mail oder Fax möglich), wenn der Arbeitgeber zuvor (!) erklärt hat, dass er die Arbeitsleistung nicht annehmen werde. Diese Ablehnungserklärung des Arbeitgebers ist als Willenserklärung zu deuten und kann auch konkludent abgegeben werden, z. B. durch Kündigung (für den Zeitraum nach Ablauf der Kündigungsfrist), Abschluss eines Aufhebungsvertrags, Einführung von Freischichten oder Kurzarbeit.
Wichtig bei Streitigkeiten über Kündigungen oder Befristungen ist § 296 BGB: Ein (tatsächliches oder wörtliches) Arbeitsangebot des Arbeitnehmers ist nicht notwendig, wenn der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er dem Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz einrichten und ihm keine Arbeit zuweisen werde. Das ist immer dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses überhaupt bestreitet oder der Meinung ist, das Arbeitsverhältnis sei ab einem bestimmten Zeitpunkt wirksam gekündigt oder wegen Befristungsablauf beendet. In diesen Fällen wäre es reiner Formalismus, vom Arbeitnehmer dennoch ein Arbeitsangebot zu verlangen.
Das Angebot eines schwerbehinderten Arbeitnehmers, eine Tätigkeit zu leisten, die zwar behinderungsgerecht, aber nicht von den vertraglichen Vereinbarungen umfasst ist, bezieht sich nicht auf die i. S. v. § 294 BGB zu bewirkende Tätigkeit. Ein solches Angebot kann den Arbeitgeber nicht in Annahmeverzug versetzen und keinen Vergütungsanspruch aus § 615 Satz 1 i. V. m. § 611a Abs. 2 BGB begründen.
Das Angebot der Arbeitsleistung muss sich auf die vom Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts zugewiesene Tätigkeit beziehen – es genügt daher nicht, wenn sich das Angebot (etwa aufgrund einer leistungseinschränkenden Krankheit oder Behinderung) auf andere, zwar vom Arbeitsvertrag grundsätzlich umfasste, aber bisher nicht zugewiesene Tätigkeiten beschränkt. Allerdings soll der Arbeitgeber dann in Annahmeverzug kommen, wenn die Leistungsbeschreibung Spielraum für konkrete Einzelweisung...