Leitsatz

Die weitaus meisten User haben schon die Möglichkeit genutzt, sich im Netz eine Bewertung anzusehen, sei es die Beurteilung von Ärzten, sei es die Benotung von Ferienhäusern oder Hotels. Dieses Verteilen von Punkte und Noten ist nicht ganz unproblematisch, kann sie doch im Extremfall dazu führen, dass bestimmte Anbieter durch schlechte, vielleicht sehr subjektive Beurteilungen wirtschaftlich erheblich geschädigt werden. Trotzdem ist sie zulässig.

 

Sachverhalt

Einen solchen Bewertungsfall hatte das OLG Hamburg zu entscheiden. Eine Hotel- und Hostelbetreiberin hatte gegen ein Hotelbewertungsportal geklagt mit dem Ziel, es dem Portal zu untersagen, Bewertungen über ihr Hotel bzw. Hostel ins Netz zu stellen. Nach ihrer Auffassung betreibt die Beklagte einen virtuellen Pranger, der geeignet ist, ganze Existenzen zu vernichten. Da die Verfasser der Bewertungen zudem anonym blieben, habe der Bewertete kaum Möglichkeiten der Gegenwehr bzw. der Kontrolle der Berechtigung von Verrissen.

Die Richter wollten der Argumentation der Klägerin nicht folgen. Nach ihrer Auffassung ist sie den Bewertungen ihrer Betriebe nicht schutzlos ausgeliefert. Bei nachweislich unrichtigen Tatsachenbehauptungen habe sie die Möglichkeit, deren Löschung zu verlangen oder eine Gegendarstellung ins Netz zu stellen. Damit stünden ihr im Einzelfall vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung, ihre berechtigten Interessen zu wahren. Die Klägerin sei zwar nicht vollständig vor unwahrer Schmähkritik geschützt. Den rechtlichen Interessen des Bewerteten sei aber das erhebliche Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber zu stellen.

Bewertungsportale im Netz böten den Verbrauchern ein wichtiges Forum, um sich vor Eingehung einer vertraglichen Bindung über die Qualität und Güte eines Angebots zu informieren. Dieses Informationsinteresse sei insgesamt höher zu bewerten als das Schutzbedürfnis des Einzelnen vor einer möglicherweise unrichtigen Kritik. Daneben entspricht die Möglichkeit der Äußerung in einem solchen Portal nach Auffassung der Richter einem schützenswerten Kommunikationsinteresse desjenigen, der seine Meinung ins Netz stellt. Dieses grundgesetzlich geschützte Recht zur Meinungsäußerung sei ebenfalls ein sehr hohes Gut, das aber immer die Gefahr sachlich nicht gerechtfertigter Äußerungen in sich berge. Hier müsse sich der Bewertete auf seine Abwehrrechte im Einzelfall verweisen lassen. Generell könne er die Unterlassung solcher Bewertungen nicht verlangen.

Nach Auffassung des Gerichts trifft den Internetprovider auch keine Verpflichtung, die sachliche Richtigkeit von Beiträgen zu überprüfen. Dies sei in der Praxis gar nicht möglich oder würde einen hohen Aufwand erfordern. Auch die Anonymität der Autoren sei von dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung mit umfasst.

 

Hinweis

Die Tendenz der Rechtsprechung ist eindeutig. Die Entscheidung des OLG reiht sich ein in eine Vielzahl ähnlicher Urteile oder Beschlüsse anderer OLG. So hat das KG Berlin es abgelehnt, einem Bewertungsportal die Veröffentlichung kritischer Nutzerbemerkungen (Wanzen im Hotelbett) zu untersagen (Beschluss v. 15.7.2011, 5 U 193/10). Das OLG Düsseldorf verneinte einen Anspruch auf Löschung einer Negativbewertung (Finger weg!) im Ebay-Bewertungssystem mit der Begründung, die Grenze zur Schmähkritik sei nicht überschritten (Beschluss v. 28.2.2011, I – 15 W 14/11). Internetbewertungsportale werden in der Rechtsprechung für zulässig erachtet – zumindest für Verbraucher eine erfreuliche Nachricht.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamburg, Urteil vom 18.01.2012, 5 U 51/11.

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