Leitsatz
Zentrales Problem dieser Entscheidung war die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen bei einer Ehedauer von weniger als einem Jahr der überlebenden Ehefrau eine VBL-Witwenrente in Gestalt einer Betriebsrente zusteht.
Sachverhalt
Die Klägerin machte einen Anspruch auf Betriebsrente für Witwen gegen die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder geltend.
Sie war von 1945 bis Januar 2005 Lebensgefährtin eines ehemaligen Flugkapitäns der Lufthansa AG, der bei der Beklagten bis zum Jahre 1994 zusatzversichert und danach beitragsfrei weiterversichert war. Im Januar 2005 schloss die Klägerin die Ehe mit dem damaligen Lebensgefährten, der am 24.5.2005 durch Freitod aus dem Leben schied. Im Jahre 2003 war bei ihm eine Krebserkrankung diagnostiziert worden, die sich sukzessive verschlechterte. Zu einer drastischen Verschlechterung kam es kurz nach der Eheschließung ab Ende Januar 2005. Anfang Mai 2005 ergab sich der Verdacht auf eine Metastasierung der Leber. Nachdem sich sein Gesundheitszustand mit massiven Schmerzen erheblich verschlechtert hatte, nahm sich der Ehemann der Klägerin am 24.5.2005 das Leben.
Die Klägerin nahm daraufhin die Beklagte auf Zahlung einer Witwenrente in Anspruch. Die Beklagte ließ sich dahingehend ein, bei der Ehe zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann habe es sich um eine reine Versorgungsehe gehandelt, in der es darum gegangen sei, durch Heirat den überlebenden Ehegatten zusätzliche Mittel zu verschaffen.
Das LG hat in erster Instanz die Klage abgewiesen.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Berufung. Ihr Rechtsmittel war erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Witwenrente zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Anspruch nicht nach § 38 Abs. 2 VBLS ausgeschlossen, obgleich die Ehe der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemannes nur vom 20.1.2005 bis zum 24.5.2005 gedauert habe. Das OLG verwies auf die Rechtsprechung des BGH (BGHZ 174, 127, 138; 169, 122, 125), wonach es sich bei der Satzung der Beklagten um privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen handele, für deren Auslegung es auf das Verständnis und auch das Interesse eines durchschnittlichen Versicherten ankomme (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2007 - IV ZR 267/04, VersR 2007, 676 unter II 1c; v. 14.6.2006 - IV ZR 55/05, VersR 2006, 1248 unter II 1 und 4).
Nach diesem Maßstab sei daher auf § 38 Abs. 2 VBLS auszulegen, in dem u.a. geregelt sei, dass ein Anspruch auf Betriebsrente für Witwen nicht bestehe, wenn die Ehe mit dem Verstorbenen weniger als 12 Monate gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Witwe eine Betriebsrente zu verschaffen.
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass es der Klägerin und ihrem Ehemann bei der Eheschließung weder allein noch überwiegend darauf angekommen sei, ihr nach seinem Tod eine von der Beklagten zu leistende Betriebsrente zu sichern und war sogar zu der Überzeugung gelangt, dass sie bei der Eheschließung am 20.1.2005 an eine Witwenrente in Gestalt einer Betriebsrente nicht einmal gedacht hatten. Anlässlich ihrer Anhörung vor dem Senat habe die Klägerin ausgeführt, zum damaligen Zeitpunkt von einem Anspruch ihres Ehemannes auf eine VBL-Betriebsrente nicht einmal gewusst zu haben und hierdurch erst nach Übersendung von Unterlagen des ehemaligen Arbeitgebers ihres Ehemannes informiert worden zu sein. Das Thema "VBL" sei zwischen ihr und ihrem verstorbenen Ehemann nie besprochen worden, zumal seine Altersversorgung durch die Lufthansa AG sichergestellt und er schon seit dem 1.1.1995 "nicht mehr aktiv", sondern nur noch beitragsfrei versichert gewesen sei.
Das OLG kam nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin und ihrem Ehemann auch im Zeitpunkt der Eheschließung Versorgungserwägungen nicht im Vordergrund gestanden hätten. In diesem Zusammenhang müsse festgehalten werden, dass die Satzung die Problematik einer Versorgungsehe gerade nicht allein anhand objektiver Merkmale regele, sondern den Weg beschreite, der inneren Motivation der Eheschließenden entscheidende Bedeutung beizumessen. Damit sei ein Lebensbereich angesprochen, dessen Feststellung im streitigen Verfahren sich wegen der Vielgestaltigkeit menschlicher Willensbildung jeglicher schematischer Herangehensweise entziehe.
Link zur Entscheidung
OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.07.2008, 12 U 207/07