Wird ein Unternehmen rechtmäßig bestreikt, könnte der auf Arbeitgeberseite stehende soziale Gegenspieler an sich die Aussperrung beschließen und durchführen. Er könnte dabei auch in den beschriebenen Grenzen darüber entscheiden, in welchem Umfang und für welche Dauer er aussperrt. Eine solche Entscheidung ist indes nur selten sinnvoll und wird deshalb auch schon seit Jahren nicht mehr getroffen. Neben den bereits erwähnten Gründen spricht dagegen, dass das Kampfmittel der Aussperrung auf eine sehr kritische öffentliche Meinung trifft. Die Arbeitgeberseite hat darüber hinaus auch einige Mittel, sich bei einem Streik interessengerecht zu verhalten und ihre Schäden in Grenzen zu halten. Sie ist in keinem Fall gehalten, die Folgen einer gegen sie gerichteten arbeitskampfbedingten Arbeitsniederlegung einfach nur hinzunehmen.
11.1 Weiterarbeit mit alten und neu eingestellten Arbeitnehmern
Nur Arbeitnehmer, die Mitglieder der streikleitenden Gewerkschaft sind, haben Anspruch auf Streikunterstützung, die je nach Inhalt der Gewerkschaftssatzung unterschiedlich große Teile des Lohnausfalls ausgleicht. Deshalb folgen insbesondere unter den Nichtorganisierten in der Regel nicht alle zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer dem Streikaufruf. Der Arbeitgeber kann auf die Arbeitswilligen zurückgreifen, um mit ihnen den Betrieb ganz oder zumindest teilweise aufrecht zu erhalten. Gelegentlich zeigt sich bei einer solchen Reaktion, dass die betrieblichen Funktionen mit weniger Personal als bisher aufrechterhalten werden können. Es ist deshalb nicht selten Folge längerer Arbeitskämpfe, dass es im Anschluss zu rationalisierungsbedingten Kündigungen kommt.
Der Arbeitgeber kann auch neue Arbeitnehmer einstellen, um bestreikte Arbeitsplätze zu besetzen. Er kann dabei allerdings nicht auf Hilfe der Agentur für Arbeit zurückgreifen; sie darf Arbeitslose nicht in unmittelbar von einem Streik betroffene Unternehmen vermitteln. Es ist aber zulässig, mit den anlässlich eines Streiks eingestellten Arbeitnehmern Arbeitsverträge abzuschließen, die nur für die Dauer des Arbeitskampfes gelten sollen. Ist dies unterblieben, sind die betreffenden Arbeitsplätze nach dem Ende des Streiks in aller Regel nur vorübergehend doppelt besetzt. Der Arbeitgeber kann den wegen des Streiks neu Eingestellten in aller Regel ohne Begründung fristgerecht ordentlich kündigen, weil sie die 6-monatige Wartezeit für die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes noch nicht zurückgelegt haben. Dem Arbeitsplatzinhaber, der sich am Streik beteiligt hatte, kann er nicht kündigen. Dessen Arbeitsvertrag hat während der Zeit des Streiks fortbestanden. Er hat deshalb einen erheblich höheren sozialen Besitzstand als der im Hinblick auf den Streik eingestellte Mitarbeiter. Spätestens nach den Regeln über die soziale Auswahl muss der Arbeitgeber deshalb den neu Eingestellten kündigen, wenn er diesen nicht anderweitig im Betrieb braucht.
Der Arbeitgeber ist auch rechtlich in der Lage, arbeitswillige Beschäftigte vorübergehend auf andere besonders wichtige, aber bestreikte Arbeitsplätze zu versetzen. Einer solchen personellen Einzelmaßnahme aus Anlass des Streiks muss der Betriebsrat entgegen § 99 BetrVG nicht zustimmen. Er muss hierüber nur unterrichtet werden, wenn und soweit die Versetzung ausschließlich arbeitskampfbedingt ist. Eine Versetzung auf Dauer unterliegt deshalb auch während eines Streiks uneingeschränkt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Der beschriebenen Versetzung zur Verminderung der Streikfolgen müssen die betroffenen Beschäftigten nach der Rechtsprechung allerdings keine Folge leisten. Sie können die Leistung von "Streikbrecherarbeit" verweigern, auch wenn sie die ihnen angesonnene Arbeit nach ihrem Arbeitsvertrag an sich erledigen müssten. Ein derartiges Leistungsverweigerungsrecht steht ihnen unabhängig vom laufenden Arbeitskampf zu, wenn der Arbeitgeber bei der kampfbedingten Versetzung die durch den Arbeitsvertrag gebildeten Grenzen des Direktionsrechts überschreitet.
Weisungsrechtsüberschreitung
Ein Obermeister in der Fertigung wird angewiesen, in der Produktion an Schweißautomaten zu arbeiten.
Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann zwar in besonderen Notlagen für das Unternehmen ausnahmsweise über den arbeitsvertraglichen Rahmen hinaus erweitert sein. Ein Streik ist jedoch in aller Regel kein Notfall in diesem Sinne. Dass einvernehmlich eine außerhalb des vertraglich Vereinbarten liegende Aufgabe übertragen werden kann, versteht sich von selbst. Ein Arbeitgeber, der ein solches Einvernehmen erreichen will, sollte von vornherein deutlich machen – ggf. auch schriftlich niederlegen – dass es sich um eine vorübergehende, den Arbeitsvertrag nicht abändernde Regelung handeln soll.
Die früher vielfach gewählte Alternative,auf bestreikten Arbeitsplätzen Leiharbeitnehmer einzusetzen, ist heute versperrt. Seit der Ergänzung des § 11 Abs. 5 AÜG hat der Leiharbeitnehmer hier nicht nur ein Leistungsverweigerungsrecht. Der bestreikte Arbeitgeber darf a...