Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwerbungsverbot. Nachvertragliches Wettbewerbsverbot
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Regelung in einem Aufhebungsvertrag, mit der dem ausgeschiedenen Arbeitnehmer für die Dauer von sechs Monaten nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses untersagt wird, selbst oder mit Hilfe Dritter, Mitarbeiter seiner früheren Arbeitgeberin für eigene Zwecke abzuwerben, kann – auch wenn die Parteien gleichzeitig eine früher vereinbarte Kundenschutzklausel aufheben – ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot analog § 74 HGB darstellen, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer durch diese Regelung in seinen beruflichen Möglichkeiten mehr als nur unerheblich eingeschränkt wird.
2. Diese Voraussetzungen sind dann gegeben, wenn die frühere Arbeitgeberin mit hochqualifizierten Arbeitnehmern Dienstleistungen für und bei Kunden erbringt und die persönliche Leistungserbringung durch die betreffenden Arbeitnehmer regelmäßig essentieller Bestandteil der Vertragsbeziehungen mit den Kunden ist.
Normenkette
HGB § 74; GewO § 110
Verfahrensgang
LG Hamburg (Beschluss vom 22.01.2004; Aktenzeichen 315 O 60/04) |
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die Versendung des Kundenrundschreibens vom 07.01.2004 (gem. Anlage zum Verfügungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 22.01.2004 – AZ. 315 O 60/04) entstanden ist und noch entsteht.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 80 % und die Beklagte zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch zu 15 % und die Beklagte zu 1) zu weiteren 5 %, mit Ausnahme der Kosten, die durch die Anrufung des Landgerichts entstanden sind. Diese hat die Klägerin zu tragen.
IV.
Der Wert des Streitgegenstandes für dieses Urteil wird auf 699.695,06 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche.
Die Klägerin, die die deutsche Gesellschaft eines international operierenden Konzerns ist, bietet Management- und IT-Beratung, Systemintegration und Outsourcing-Services für Kunden unterschiedlichster Branchen an. In Deutschland ist das Geschäft der Klägerin seit Dezember 2002 in sieben so genannte „Lines of Business” (LoB) aufgeteilt. Im „LoB Finance” läuft das Geschäft der Klägerin in der Regel dergestalt ab, dass sie mit Kreditinstituten Beratungsverträge abschließt, im Rahmen derer bestimmte Projekte durchgeführt werden. Die Betreuung der Kunden erfolgt dabei durch qualifizierte Mitarbeiter, die regelmäßig persönlich im Unternehmen des Kunden anwesend sind und im Idealfall dadurch Vertrauensbeziehungen zum Kunden aufbauen.
Der Beklagte zu 2) war seit 1985 bei der Fa. p. Unternehmensberatung für D. GmbH & Co. KG beschäftigt. Auf den zur Akte gereichten Anstellungsvertrag vom 07.01.1985 (Bl. 102 ff. d. A.) wird Bezug genommen. Die Fa. p. wurde in der Folgezeit von der L. GmbH übernommen. Ob die hiesige Klägerin Rechtsnachfolgerin der L. GmbH ist, ist zwischen den Parteien umstritten.
Der Beklagte zu 2) war zuletzt als Co-Leiter des „LoB Finance”, in dem ca. 400 Mitarbeiter beschäftigt sind, im Berliner Büro der Klägerin tätig. Zum „LoB Finance” gehört der Geschäftsbereich „S. Banking”, in dem bis Mitte 2003 ca. 25 Mitarbeiter tätig waren. Hierzu zählten neben dem Leiter des Geschäftsbereichs „S. Banking”, Herr Oliver M., auch seine beiden Sekretärinnen Frau Dagmar H. und Frau Petra Ha..
Nachdem in einzelnen Geschäftsbereichen der Klägerin in der Vergangenheit Verluste erwirtschaftet wurden, leitete die Klägerin ab Anfang 2003 Restrukturierungsprozesse ein, die u.a. einen Personalabbau zur Folge hatten. Am 06. Juni 2003 schloss sie mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich, der die Entlassung von insgesamt 80 Mitarbeitern des „LoB Finance” sowie Gehaltskürzungen für die verbliebenen Mitarbeiter in Form von Änderungskündigungen zum Gegenstand hatte. Das Berliner Büro der Klägerin war von den Personalabbaumaßnahmen mit Ausnahme einer halben Sekretariatsstelle nicht betroffen.
Nachdem dem Beklagten zu 2) Anfang März 2003 mitgeteilt worden war, dass man sein Anstellungsverhältnis beenden wolle, schloss er am 11./15.04.2003 einen Aufhebungsvertrag mit der L. GmbH, aufgrund dessen sein Arbeitsverhältnis zum 30.06.2003 endete. Gleichzeitig wurde der Beklagte zu 2) mit sofortiger Wirkung von seiner Arbeitsverpflichtung freigestellt. Weiterhin finden sich im Aufhebungsvertrag folgende Regelungen:
„§ 6 Verschwiegenheit
Der Mitarbeiter ist verpflichtet, alle ihm während seiner Tätigkeit bekannt gewordenen vertraulichen Angelegenheiten, vor allem Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, auch über den Beendigungszeitpunkt hinaus strengstens geheim zu halten. Im Übrigen gelten die weitergehenden Verschwiegenheitspflichten nach den arbeitsvertraglichen Regelungen auch über den Beendigungszeitpunkt hinaus fort.
§ 7 Kundenschutz / Abwerbung von Mitarbeitern
Die Parteien sind sich darüber einig, dass aus dem vereinbarten nachvertraglichen Kundenschutz keine Rechte gegenseitig her...