Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Berufung wird zugelassen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

4. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 27,13 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger die Bezahlung einer Arbeitsstunde in Höhe von 27,13 DM brutto von der Beklagten, die er anläßlich einer Abwehraussperrung am 07.09.2000 in der Zeit von 11.55 Uhr bis 12.55 Uhr nicht bezahlt bekommen hat.

Der am 08.04.1942 geborene Kläger ist seit dem 04.11.1968 als Facharbeiter bei der Beklagten beschäftigt und erzielt in der 37-Stunden-Woche einen Stundenlohn in Höhe von 27,13 DM brutto. Der Kläger ist Mitglied der IG Metall, die Beklagte ist Mitglied des Verbandes der Nord-Westdeutschen Textilindustrie. Der Kläger ist zugleich Vorsitzender des Betriebsrats, der bei der Beklagten besteht. Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für die genannte Zeit der Aussperrung am 07.09.2000 ein Lohnanspruch zusteht.

Nach dem Aufruf und Beschluss der IG Metall fand im Betrieb der Beklagten am 07.09.2000 im Rahmen der Tarifauseinandersetzung der Textilindustrie ein für 30 Minuten angesetzter Warnstreik statt, zu dem die IG Metall-Verwaltungsstelle Bocholt, vertreten durch den ersten Bevollmächtigten pp., wie folgt aufgerufen hatte und demgegenüber sich die Beklagte an der Abwehraussperrung des Verbandes der Nord-Westdeutschen Textilindustrie wie folgt beteiligte:

eingefügt Kopie aus Akte

eingefügt Kopie aus Akte

Der Kläger trägt vor:

Mit der IG Metall sei er der Auffassung, dass im vorliegenden Falle die Aussperrung durch die Beklagte rechtswidrig sei, und dass sie gemäß § 615 BGB für die genannte Stunde der Aussperrung in Annahmeverzug geraten sei, somit zur Zahlung des Stundenlohns für diesen Zeitraum der Aussperrung in Höhe von 27,13 DM brutto verpflichtet sei.

Zwar handelt es sich nach der Rechtsprechung des BAG bei der Aussperrung um eine gegenüber Warnstreiks grundsätzlich zulässige Reaktion. Allerdings sei nach der insoweit grundlegenden Entscheidung des BAG vom 11.08.1992 – 1 AZR 103/92, EzA Art. 9 GG Arbeitskampf Nr. 105 – offen, ob die vorliegende Aussperrung durch Artikel 9 Abs. 3 GG gewährleistet sei. Das BAG halte eine Aussperrung dann für zulässig, wenn ein Verhandlungsübergewicht der Gewerkschaft verhindert werden solle. Das BAG setze für die Wirksamkeit einer Aussperrung voraus, dass der Arbeitgeber deutlich machen wolle, bereit zu sein, den Kampf, den die Gewerkschaft mit dem Warnstreik aufgenommen habe, zu führen. Genauso wie der Warnstreik zeige, dass die Gewerkschaft und die Arbeitnehmerseite ggf. in der laufenden Tarifauseinandersetzung zu weiteren Kampfmaßnahmen bereit seien, müsse der Arbeitgeber auch Willens und in der Lage sein, zu härteren Abwehrmaßnahmen zu greifen. Das BAG schränke allerdings den Umfang der Aussperrung generell zeitlich dahingehend ein, dass geprüft werde, ob die Aussperrung in ihrem Ausmaß tatsächlich erforderlich sei, um die Verhandlungsparität herzustellen. Das BAG habe in Anmaßung die Bewertung getroffen, wonach die Dauer der Aussperrung die Dauer eines halbstündigen Warnstreiks um einiges übersteigen könne. Dies sei deswegen zu Recht zu kritisieren, weil das BAG diese Bewertung mit dem Gebot der Verhandlungs- und Kampfparität begründe, wobei dies eine Unterstellung sei, die im Gesetz keinerlei Grundlage finde. Insbesondere sei nicht festzustellen, ab wann bei einer Aussperrung die Verhandlungsparität wieder hergestellt sei. Diese politische Entscheidung des BAG unterstelle auch, dass ein Arbeitgeber durch einen sehr kurzen Warnstreik – von wie hier nur 30 Minuten – gegenüber der Gewerkschaft schon in ein Verhandlungsungleichgewicht gekommen sei. Dies sei sowohl allgemein als auch in der Prüfung im konkreten Fall zu kritisieren und zu verneinen. Generell könne bei einem derartig kurzen Warnstreik wie hier überhaupt kein Übergewicht der Gewerkschaft auftreten. Es komme nicht einmal zu einer empfindlichen Betriebsablaufstörung. Insoweit habe das BAG eine Bewertung getroffen, die nicht begründet werde. Das BAG weise zunächst darauf hin, dass Abwehraussperrungen gegen Kurzstreik sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu halten hätten, da die Legitimation der Abwehraussperrung darin bestehe, ein Verhandlungsübergewicht der Gewerkschaft zu verhindern, und dass deshalb Abwehraussperrungen als geeignet, erforderlich und proportional gelten könnten, wenn sie der Herstellung der Verhandlungsparität dienten. Hier sei überhaupt nicht einzusehen, dass bereits die Verhandlungsparität zu Lasten der Arbeitgeberseite gestört sei. Auch das BAG spreche davon, dass der Druck durch einen derartig kurzen Warnstreik nur symbolischer Art sei. Wenn er als symbolischer Akt ausgeübt werde, bestehe kein Verhandlungsübergewicht der Gewerkschaft. Dann erübrige sich auch jede Abwehraussperrung. Darum müsse zumindest im vorliegenden Fall die Abwehraussperrung in Höhe von einer Stunde als rechtswidrig angesehen werden. Somit habe die Beklagte zu Unrecht das Arbeitsangebot des...

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