Tenor

1. Die Klage wird kostenpflichtig abgewiesen.

2. Streitwert: 16.500,00 DM

 

Tatbestand

Die Beklagte betreibt ein Finanzdienstleistungsunternehmen, das sich auf die Beratung beinahe ausschließlich weiblicher Kundschaft spezialisiert hat. Sie wirbt mit der Garantie, dass bei ihr ausnahmslos Frauen als Beraterinnen auftreten, die in besonderem Maße Verständnis für die spezifischen Belange und Lebenssituationen der Kundinnen aufzubringen vermögen. Das Unternehmenskonzept verfolgt das Ziel einer individuellen Beratung von Frauen durch Frauen.

Die Beklagte schrieb am 28.09.2000 im SIS-Service des Arbeitsamtes eine Stelle für eine Juristin aus; das Monatsgehalt war mit 5.500,00 DM angegeben. Gesucht wurde eine Mitarbeiterin für den Bereich Versicherungen, die Erarbeitung von individuellen Versorgungskonzepten, die Erstellung von speziellen Frauenprodukten und für die Vertretung in Frauennetzwerken.

Der Kläger bewarb sich mit Schreiben vom 04.10.2000 auf die Stellenausschreibung. Seine Bewerbung wurde mit Schreiben vom 10.10.2000 abgelehnt mit dem Hinweis, die Beklagte habe sich für eine Mitbewerberin entschieden, die mehr ihrem Anforderungsprofil entsprochen habe.

Der Kläger hält die Beklagte ihm gegenüber für schadensersatzpflichtig, weil die Stellenanzeige nicht geschlechtsneutral formuliert war und er allein deswegen nicht zum Zuge gekommen sei, weil er ein Mann ist. Die Ausnahmevorschrift des § 611 a Abs. 1 Satz 2 BGB sei in dem vorliegenden Falle aus europarechtlichen Erwägungen nicht erfüllt und würde im übrigen anderenfalls gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstoßen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.500,00 DM zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 611 a Absatz 2 Satz 1 BGB. Er kann sich nicht mit Erfolg auf eine unzulässige Differenzierung aufgrund seines Geschlechts berufen.

1. Der Entschädigungsanspruch setzt voraus, dass der Anspruchsteller an einem vom Anspruchsgegner durchgeführten Stellenbesetzungsverfahren als prinzipiell geeigneter Bewerber teilgenommen hat und wegen seines Geschlechts benachteiligt wurde, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 2 vorlagen, und er hierdurch zumindest immateriellen Schaden erlitten hat. Der Kläger ist als Volljurist fachlich für die ausgeschriebene Stelle formal geeignet. Die Nichteinstellung erfolgte aber unabhängig von der Qualifikation des Klägers gerade deshalb, weil der Kläger männlichen Geschlechts ist. Dies hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben. Soweit die Beklagte schriftsätzlich angegeben hat, der Kläger sei wegen fehlender Kenntnisse im Versicherungsrecht nicht eingestellt worden, handelt es sich hierbei um ein nachgeschobenes Anforderungsprofil, das in der Stellenausschreibung nicht zum Ausdruck gekommen ist. Ob der Kläger tatsächlich keine Kenntnisse in diesem Bereich vorweisen kann, ist daher ohne Belang. Die Beklagte hat den Kläger deshalb nicht eingestellt, weil er ihrem Anforderungsprofil nicht in der Weise entsprochen hat, wie das eine Mitbewerberin konnte. Es steht dabei fest, dass der Beklagten daran gelegen war, eine Frau einzustellen. Demzufolge hatte sie bereits die Stellenanzeige geschlechtsbezogen formuliert und ausdrücklich eine Juristin gesucht. Darin liegt objektiv eine Benachteiligung des Klägers aufgrund des Geschlechts, die von § 611 a Abs. 1 Satz 1 BGB grundsätzlich untersagt wird.

2. Die Beklagte durfte allerdings männliche Bewerber bei der Stellenbesetzung unberücksichtigt lassen. Sie kann sich auf den Ausnahmetatbestand des § 611 a Abs. 1 Satz 2 BGB berufen, wonach eine unterschiedliche Behandlung aufgrund des Geschlechts zulässig ist, wenn das Geschlecht eine unverzichtbare Voraussetzung für die angestrebte Tätigkeit ist. Dieses Merkmal ist hier gegeben. Es ist aus der Sicht eines zeitgemäßen, sozialbewussten Arbeitgebers auszulegen. Unverzichtbar ist danach das bestimmte, vom Arbeitgeber erwartete Geschlecht des Arbeitnehmers, wenn in anderen Fällen die vertragsgemäße Leistung nicht erbracht werden könnte und das Unvermögen auf Gründen beruht, die ihrerseits der gesetzlichen Wertentscheidung der Gleichberechtigung beider Geschlechter genügen. Es ist keine biologische Unmöglichkeit gemeint, da bei einer derartigen Unterscheidung eine Diskriminierung von vornherein ausgeschlossen ist; wenn bei einer Tätigkeit, die aus objektiven Gründen Angehörige eines bestimmten Geschlechts erfordert, das andere Geschlecht zurückgewiesen wird, kann in der Tat nicht von einer Benachteiligung gesprochen werden. Es sind daher im Rahmen einer wertenden Entscheidung die vom Arbeitgeber für die Differenzierung genannten Kriterien einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen, die sich an der grundrechtlichen Situation zu orientieren hat. Ein sachlicher Grund, der die ausnahmslose Berücksichtigung eines bestimmten Geschlechts für die Stell...

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