Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Vergleichbarkeit eines Verwaltungsreferenten mit einem Personalabteilungsleiter. Unverzüglichkeit der Zurückweisung
Leitsatz (amtlich)
1. Gibt ein Lehrer amtliche Lösungshinweise für die schriftlichen Abiturprüfungen unbefugt an einen Schäler weiter, rechtfertigt dieser Vorgang grundsätzlich eine fristlose Kündigung.
2. Ein Verwaltungsreferent der schulaufsichtsführenden Behörde ist in keine mit einem Personalabteilungsleiter vergleichbare Stellung berufen. Seine Kündigung kann gem. § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen werden.
3. Die Zurückweisung einer Kündigung nach acht Tagen ist unverzüglich, wenn in diese Zeitspanne das Wochenende und ein Feiertag fallen und der Sachverhalt rechtlich und tatsächlich einer eingehenden Prüfung vor Zurückweisung bedarf
Nachgehend
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 25. April 2008, zugegangen am 29. April 2008, sein Ende gefunden hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 4 215,45 (i. W. EURO viertausendzweihundertfünfzehn 45/100) brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Der Kläger trägt 1/4, die Beklagte 3/4 der Kosten des Rechtsstreits.
5. Der Wert des Streitgegenstandes der Entscheidung wird auf EUR 16 861,80 festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitig ausgesprochenen fristlosen Kündigung, Weiterbeschäftigung und Zahlung eines Monatsgehalts.
Der Kläger ist 55 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder. Er war beim beklagten Land als Lehrer angestellt. Im Jahre 1981 nahm er eine Tätigkeit als Nebenlehrer mit hälftigem Deputat im Fach Sport auf. Im August 1989 wurde der Kläger in ein Angestelltenverhältnis in den öffentlichen Dienst übernommen. Seit September 1996 unterrichtet er nach erfolgreichem Abschluss einer Weiterbildungsmaßnahme neben dem Fach Sport das Fach Mathematik. Zum 1. August 1998 wurde der Kläger auf seinen Antrag hin aus persönlichen Gründen an das L-Gymnasium in R. versetzt. Hier war er bis zum Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder und der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder Anwendung. Gem. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVL-L ist der Kläger ordentlich unkündbar. Das Monatseinkommen beträgt EUR 4 215,45 brutto. Der Kläger ist am L-Gymnasium insbesondere im Bereich Fußball engagiert. Hier betreut er mehrere Fußballjahrgänge. Zudem ist er im Fußballverein in Z. sehr stark engagiert. Hier fungiert er ebenfalls als Trainer für mehrere Jahrgänge.
Dem Kläger wurde mit Schreiben vom 25. April 2008, zugegangen am 29. April 2008, fristlos gekündigt (Bl. 5 d. A.). Die Kündigung wurde durch einen vom Kläger beauftragten Rechtsanwalt gem. § 174 BGB zurückgewiesen. Nach Angaben des Klägers erfolgte die Zurückweisung am 6. Mai 2009, nach Angaben der Beklagten am 7. Mai 2009.
Der Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Im Schuljahr 2007/2008 leitete der Kläger als Lehrer den Abiturkurs im Fach Sport. Am 9. April 2008 wurden die schriftlichen Abiturprüfungen abgelegt. Der Kläger war zugleich Fußballtrainer von A., der das Gymnasium in Sch. besuchte und dort am Abiturkurs im Fach Sport teilnahm. Er sollte am 9. April 2008 ebenfalls an der schriftlichen Abiturprüfung im Fach Sport teilnehmen. A. bat den Kläger im Rahmen einer Fußballveranstaltung um Mithilfe bei der schriftlichen Abiturprüfung. Der Kläger sagte seine Hilfe zu. Am Morgen des 9. April 2009 wurden die Prüfungsaufgaben mit den amtlichen Lösungshinweisen um 7.00 Uhr, nämlich vor Beginn der schriftlichen Abiturprüfung um 8.30 Uhr, geöffnet. Dem Kläger gelang es, unbemerkt auf dem Fotokopiergerät des L-Gymnasiums eine Kopie der amtlichen Lösungshinweise für die Aufgaben im Fach Sport zu fertigen. Sodann fuhr er in seinem Pkw zu einem zuvor mit dem Schüler A. verabredeten Treffpunkt an der Landstraße zwischen den Orten R. und Z. Dort übergab er dem Schüler A. die Mehrfertigung der amtlichen Lösungshinweise. Anschließend kehrte der Kläger in seine Schule zurück. Der Schüler A. benutzte die ihm übergebenen Kopien der amtlichen Lösungsblätter zur Bearbeitung der schriftlichen Abiturprüfung. Dadurch erlangte er bei der Prüfung die volle Punktzahl (Anlage B 5, Bl. 59 d.A.). Am Morgen des 10. April 2008 ging beim Gymnasium Sch. ein anonymer Brief ein (Anlage B3, Bl. 52 d. A.). In diesem Brief wurde der Verdacht geäußert, dass der Schüler A. die Abiturprüfung mit Hilfe der schriftlichen Lösungshinweise bearbeitet habe. Im Zuge der Ermittlungen legte der Schüler A. mit Schreiben vom 21. April 2008 ein schriftliches Geständnis ab, in dem er den Sachverhalt zugab (Anlage B1, Bl. 50 d. A.). Dem Geständnis des Schülers A. folgte sodann ...