Leitsatz (amtlich)
Wird durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung gemäß § 47 Abs. 4 BetrVG die Zahl der in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Mitglieder abweichend von § 47 Abs. 2 BetrVG erhöht, so ist in entsprechender Anwendung der §§ 27, 38 BetrVG die Regelungslücke für den Minderheitenschutz zu schließen.
Tenor
Die Wahlen vom 05. Mai 1998
- der freizustellenden Betriebsratsmitglieder,
- der weiteren Ausschußmitglieder für den Personalausschuß
- der Gesamtbetriebsratsvertreter der Gruppe der Angestellten und der persönlichen Stellvertreter der GBR-Vertreter für die Gruppe der Angestellten
sind unwirksam.
Tatbestand
I.
Mit ihrem am 19. Mai 1998 bei Gericht eingegangen Antrag fechten die Antragsteller die Wahlen im Betriebsrat vom 5. Mai 1998 für die Freistellungen, den Personalausschuß und für die Vertreter im Gesamtbetriebsrat an. Die Antragsteller sind Mitglieder des 19köpfigen Betriebsrates des Antragsgegners. Die Antragsteller sind über die Liste „Frische Brise” in den Betriebsrat gewählt worden. Diese Liste verfügt über insgesamt 6 der 19 Betriebsratssitze
Die angefochtenen Wahlen erfolgten in der konstituierenden Sitzung des Betriebsrates unter Leitung des zuvor gewählten Betriebsratsvorsitzenden … Aus dem Protokoll (Anlage ASt 1, Bl. 5 ff. d.A.) ergibt sich, daß die Wahl der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder des Betriebsausschusses (TOP 2 a, 2 b) noch nach den Regeln der Verhältniswahl erfolgte („L 1, L 2”). Die Wahl der Freistellungen (TOP 3), der 6 GBR-Mitglieder und ihrer persönlichen Stellvertreter der Gruppe der Angestellten (TOP 4) und der weiteren Personalausschußmitglieder (TOP 6 a) erfolgte nach den Regeln der Mehrheitswahl.
Die Wahlvorschläge erfolgten durch Zurufe in der Sitzung. Die Vorschlagenden gaben dabei keine Erklärung ab, ob sie einen eigenen Vorschlag machen wollten oder ob es sich um eine Ergänzung eines einheitlichen Wahlvorschlages handelte. Die Namen der Vorgeschlagenen wurden nacheinander auf sogenannte „Flip-charts” geschrieben, dann folgte die Mehrheitswahl. Bei den zuvor erfolgten Wahlen der Mitglieder des Betriebsausschusses hatte der Betriebsratsvorsitzende einen Blockvorschlag gemacht, die Mitglieder der Liste „Frische Brise” folgten mit einem eigenen Vorschlag, die beiden Vorschläge wurden nebeneinander auf den „Flip-chart” geschrieben und es erfolgte eine Verhältniswahl.
Die Antragsteller behaupten, der Betriebsratsvorsitzende habe vor den Wahlen erklärt, die Mitglieder des Betriebsausschusses würden in Verhältniswahl gewählt, im übrigen erfolge Mehrheitswahl
Die Antragsteller beantragen, festzustellen.
- die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder in der Betriebsratssitzung am 5. Mai 1998 ist rechtsunwirksam;
- die Wahl der weiteren Ausschußmitglieder für den Personalausschuß … der Betriebsratssitzung vom 5. Mai 1998 ist unwirksam;
- die Wahl der GBR-Vertreter der Gruppe der Angestellten sowie der persönlichen Stellvertreter der GBR-Vertreter für die Gruppe der Angestellten in der Betriebsratssitzung vom 5. Mai 1998 ist unwirksam.
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Der Antragsgegner bestreitet, daß sein Vorsitzender vor den Wahlgängen festgelegt habe, daß die Wahlen nach den Regeln der Mehrheitswahl erfolgen würden. Vielmehr sei nach Vorlage der Wahlvorschläge, also dem Erstellen der Namensliste auf den Flip-charts, klar gewesen, daß Mehrheitswahl erfolgen müsse
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten, der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen Die bei den Wahlen verwendeten Flip-charts wurden allseits in Augenschein genommen.
Entscheidungsgründe
II. Die Anfechtung der Wahlen ist in entsprechender Anwendung des § 19 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zulässig und auch in der dort vorgesehen Frist erfolgt.
Die Anfechtung ist auch begründet. Für die Wahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder folgt dies aus § 38 Abs. 2 BetrVG. für die Wahl der Personalausschußmitglieder folgt dies aus § 27 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 28 BetrVG, für die Wahl der GBR-Vertreter folgt das aus einer entsprechenden Anwendung der genannten Vorschriften.
Danach erfolgen die Wahlen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl, es sei denn, es wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, dann erfolgt Mehrheitswahl Wahlvorschläge können auch mündlich gemacht werden, sind dann jedoch vom Betriebsratsvorsitzenden bzw. vom Protokollführer schriftlich festzuhalten. In diesem Fall ist stets klarzustellen, ob es sich um einen eigenen Wahlvorschlag handelt oder um die bloße Ergänzung einer bereits vorliegenden anderen Vorschlagsliste (Fitting, Betriebsverfassungsgesetz, 18. Aufl. 1996 Nr. 25 zu § 27).
Diese Klarstellung ist hier nicht erfolgt. Die Vorschlagenden haben keine Erklärung abgegeben, sie wurden nicht gefragt und wußten auch nicht, daß überhaupt in Verhältniswahl hätte gewählt werden können. Vielmehr wurde die Entscheidung vom Betriebsratsvorsitzenden bzw. durch den Protokol...