noch nicht rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Frage, ob es sich um eine konstitutive oder deklaratorische Regelung handelt, sind die herkömmlichen, für die Auslegung von Tarifverträgen entwickelten Kriterien maßgebend.

2. Im Rahmen ihrer Normsetzungsbefugnis schaffen die Tarifvertragsparteien materielle Regelungen. Einer tarifvertraglichen Regelung kommt i.d.R. konstitutive Bedeutung zu.

3. Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn eine nichttarifliche Regelung tariflich wiederholt wird.

 

Nachgehend

LAG Hamburg (Urteil vom 24.09.1998; Aktenzeichen 2 Sa 26/98)

 

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.130,18 brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 13. August 1997 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte

Der Streitwert beträgt DM 1.130,18.

 

Tatbestand

Die Parteien verbindet ein Arbeitsverhältnis. Sie streiten um die Zahlung von Geld

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 01. Oktober 1977 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für den Hamburger Groß- und Außenhandel Anwendung.

Die Beklagte zahlt dem Kläger ein Gehalt in Höhe von 4.440,– DM brutto monatlich.

In der Zeit vom 17. Februar 1997 bis 18. April 1997 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte zahlte ihm in diesem Zeitraum 80 % seines regulären Gehaltes. Die Differenz zum vollen Gehalt beträgt 1.130,18 DM brutto.

Im Frühjahr 1997 galt der Rahmentarifvertrag für den Hamburger Groß- und Außenhandel vom 15. Mai 1991. In diesem Tarifvertrag heißt es:

㤠13

Arbeitsunfähigkeit

1. Bei Erkrankung ist dem Arbeitgeber hierüber unverzüglich Mitteilung zu machen. Der/die erkrankte Arbeitnehmer/in hat innerhalb von drei Tagen eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen. Dies gilt entsprechend bei Fortsetzungserkrankungen.

2. In Fällen unverschuldeter, mit Arbeitsunfähigkeit verbundener Krankheit oder während einer Kur oder eines Heilverfahrens gelten die gesetzlichen Regelungen betreffend Gehalts- und Lohnfortzahlung.

3. Bei längerer Krankheit ist den Angestellten, die dem Betrieb mehr als 5 Jahre angehören, über 6 Wochen hinaus bis zu einer Gesamtkrankheitsdauer von 2 Monaten einmal im Jahr eine Beihilfe in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Krankengeld und 90 % des Nettogehaltes zu zahlen. Angestellten mit mehr als 10-jähriger Betriebszugehörigkeit ist diese Beihilfe bis zu einer Gesamtkrankheitsdauer von drei Monaten zu zahlen. Bei Angestellten, welche kein Krankengeld beziehen, ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Krankengeldsatz der Ortskrankenkasse (Höchstsatz für versicherungspflichtige Angestellte) und 90 % des Nettogehaltes zu zahlen.”

Ein neuer „Rahmentarif Groß- und Außenhandel Hamburger Wwirtschaftsraum” vom 07. August 1997 regelt in § 15 Nr. 4:

„Als fortzuzahlendes Entgelt … gilt das dem Beschäftigten in der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehende Entgelt.”

Der Kläger vertritt die Auffassung, daß ihm 100 % Lohnfortzahlung zustehen. Mit seiner am 05. August 1997 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt er die Zahlung des Differenzbetrages. Er betont, daß es sich bei § 13 Nr. 1 und § 13 Nr. 3 um eigenständige Regelungen handele und geht davon aus, daß § 13 Nr. 2 des Rahmentarifvertrages vom 15. Mai 1991 sich statisch und mit eigenem Normsetzungswillen auf die damals geltenden gesetzlichen Bestimmungen beziehe.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, daß § 13 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages ohne eigenständig Ansprüche zu begründen deklaratorisch auf die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen verweise.

Weitere Einzelheiten des Vorbringens der Parteien ergeben sich aus den gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie den mündlichen Erklärungen der Parteien. Darauf wird ergänzend gemäß § 313 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Klage ist zulässig und begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, den streitigen Betrag an den Kläger zu zahlen. Diese Entscheidung beruht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht kurz zusammengefaßt im wesentlichen auf folgenden Erwägungen (§ 313 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz):

1. Dem Kläger steht nicht nur die gesetzliche Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz n. F. in Höhe von 80 % seiner Vergütung, sondern gemäß § 13 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages vom 15. Mai 1991 in Verbindung mit § 616 Abs. 2 BGB Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % zu. Der Rahmentarifvertrag vom 15.5.1991 verweist auf diese gesetzliche Regelung. Bei dieser tariflichen Bestimmung handelt es sich um eine Rechtsnorm. Die Verweisung auf das Gesetz ist nicht dynamisch, sondern statisch.

2. Dreh- und Angelpunkt des Rechtsstreits ist die Frage, wie das Verhältnis von § 13 Nr. 2 RTV zum Entgel...

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