rechtskräftig: ja

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Tarifvertrag. Jeweiligkeitsklausel. Entgeltfortzahlung. Arbeitsentgelt

 

Leitsatz (amtlich)

Wollen die Tarifvertragsparteien eine Verweisung auf eine gesetzl. Bestimmung dergestalt, daß auch künftige Änderungen des Gesetzes eingeschlossen sein sollen – sog. dynamische oder Blankett-Verweisung – dann muß dies auch im TV z.B. durch eine „Jeweiligkeitsklausel” oder in sonstiger weise seinen Ausdruck gefunden haben.

 

Normenkette

Rahmentarifvertrag für d. techn. und kaufm. Ang. im Baugewerbe, Lohnfortzahlungsgesetzt vom 27.07.1969

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 226,70 (i.W.: zweihundertsechsundzwandzig 70/100 Deutsche Mark) brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 01.01.1997 zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Der Streitwert wird auf DM 226,70 festgesetzt.

4. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlungsansprüche des Klägers.

Der Kläger ist seit 1971 bei der Beklagten als Diplom-Bauingenieur beschäftigt. Sein Monatsgehalt beträgt durchschnittlich DM 8.123,00 brutto.

Beide Parteien sind aufgrund ihrer Organisationszugehörigkeit tarifgebunden. Damit findet der jeweils gültige Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes (RTV) Anwendung. § 4 Ziff. 2.1 Abs. 1 des RTV vom 12.06.1978 i.d.F. vom 19.05.1992 lautet:

Ist ein Angestellter infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert (Arbeitsunfähigkeit) ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so hat er gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts bis zur Dauer von 6 Wochen.

Der Kläger war in der Zeit vom 02.12.1996 bis 04.12.1996 arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte an den Kläger für diese krankheitsbedingte Fehlzeit lediglich 80 % des Gehalts weiter. Die Differenz zum vollen Gehalt beträgt unstreitig DM 226,70 brutto.

Der Kläger ist der Auffassung, daß die Beklagte nach § 4, Ziff. 2.1 RTV zur vollen Lohnfortzahlung verpflichtet sei.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 226,70 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit 01.01.1997 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Klageabweisung.

Die Beklagte ist der Auffassung, daß die tarifvertragliche Regelung über den bis zu 6-wöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch für technische Angestellte in § 4 Ziff. 2.1 RTV lediglich eine deklaratorische Verweisung auf das jeweils geltende Gesetz für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle darstelle, so daß das ab dem 01.10.1996 geltende Recht auf den Kläger Anwendung findet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat gem. § 4 Ziff. 2.1 RTV einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung in Höhe von 100 % seines Arbeitsentgelts. Er hat daher zusätzlich zu der bereits erhaltenen Lohnfortzahlung Anspruch auf Zahlung weiterer 20 %, das sind in unstreitiger Höhe DM 226,70 brutto.

Es konnte dabei dahinstehen, ob die tarifliche Regelung in § 4 Ziff. 2.1 RTV eine konstitutive oder eine nur deklaratorische Regelung beinhaltet, d.h. ob die Regelung also eine eigenständige oder auf das Gesetz verweisende Regelung betrifft. Selbst wenn man mit der Beklagten nur von einer deklaratorischen Regelung ausgeht, bezieht sich ihr Wortlaut auf die am 19.05.1992 geltende Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Lohnfortzahlungsgesetzes vom 27.07.1969. Denn selbst ein deklaratorischer tariflicher Verweis auf ein Gesetz rechtfertigt nicht den Schluß, daß die Tarifvertragsparteien durch diese Verweisung auch alle künftigen Änderungen dieses Gesetzes übereinstimmend gewollt haben. Dies muß umso mehr dann gelten, wenn es sich – wie vorliegend bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall – um eine Verschlechterung der Arbeitenehmerposition handelt und zudem zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses nicht erkennbar war, daß und in welcher Form es zu einer Einschränkung der gesetzlichen Lohnfortzahlung kommen wird (vgl. auch Zachert im DB 1996, S. 2078 f.). Wollen die Tarifvertragsparteien eine Verweisung auf eine gesetzliche Bestimmung dergestalt, daß auch künftige Änderungen dieses Gesetzes eingeschlossen sein sollen – sog. dynamische oder Blankett-Verweisungen – dann muß dies auch im Tarifvertrag z.B. durch eine „Jeweiligkeitsklausel” oder in sonstiger Weise seinen Ausdruck gefunden haben.

Vorliegend ist jedoch im RTV keine Jeweiligkeitsklausel enthalten noch sonstwie ersichtlich, daß beide Tarifparteien die Geltung der Bestimmungen bezüglich der Entgeltfortzahlung in ihrer jeweils gültigen Fassung vereinbaren wollten.

Die Klage hatte daher Erfolg, selbst wenn man mit der Beklagten von einer nur deklaratorischen Verweisung der tariflichen Bestimmung auf die gesetzliche Regelung des Lohnfortzahlungsgesetzes ausgeht.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 284 Abs. 1 Satz 1, 286 Abs. 1, 288 A...

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