Entscheidungsstichwort (Thema)

tarifliches Systemanwendungskonzept des § 6.4 ERA-TV

 

Leitsatz (amtlich)

„Es ist mit dem tariflichen Systemanwendungskonzept des § 6.4 ERA-TV zur Bewertung und Einstufung von Arbeitsaufgaben nicht vereinbar, wenn Arbeitsaufgaben von Arbeitnehmern in der Einarbeitungszeit unter Verzicht auf die Beschreibung und Bewertung der Arbeitsaufgaben im Entwicklungsstadium unter Anwendung sog. „Entwicklungsstufen” in eine niedrigere Entgeltgruppe eingestuft werden als die der (Ziel-)Arbeitsaufgabe entsprechenden (Ziel-)Entgeltgruppe. Eine solche die „Entwicklungsstufen” einführende Betriebsvereinbarung ist wegen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam.”

 

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmung des Antragsgegners zur Eingruppierung von insgesamt 11 Mitarbeitern als erteilt gilt, hilfsweise über die Ersetzung der Zustimmung.

Die Antragstellerin unterhält in B einen Betrieb mit ca. 610 Arbeitnehmern. Der Antragsgegner ist der in diesem Betrieb gebildete Betriebsrat.

Im Betrieb der Antragstellerin wurde das Vergütungssystem nach dem ERA-TV eingeführt mit einer Betriebsvereinbarung „Vereinbarung zur Einführung des Entgeltrahmentarifvertrages bei der Z GmbH” vom 25.07.2006 (nachfolgend: BV Einf. ERA-TV) (Blatt 104-109 der Akte). Unter Ziffer 3 dieser Betriebsvereinbarung haben die Beteiligten geregelt, dass die Bewertung der betrieblichen Arbeitsaufgaben durch vergleichende Anwendung der tariflichen Niveaubeispiele erfolgen solle. Zudem sollten gemäß Ziffer 3.1 BV Einf. ERA-TV Entwicklungsstufen eingeführt werden. Diese Einführung von Entwicklungsstufen haben die Beteiligten näher geregelt in einer Anlage 2 „Einstufung von Arbeitsaufgaben während der Einarbeitungszeit (Entwicklungsstufen)” (Blatt 115 bis 116 der Akte). Darin heißt es, soweit vorliegend von Interesse:

„1. Zwischen beiden Betriebsparteien besteht Einvernehmen, dass bei Arbeitsaufgaben, die während der Einarbeitungszeit noch nicht vollständig ausgefüllt werden, auf eine Beschreibung und Bewertung gemäß gemäß § 6.4.1 ERA-TV verzichtet wird.

Die Einstufung solcher Arbeitsaufgaben erfolgt grundsätzlich anhand folgender Entwicklungs-Tabelle:

(Ziel-)

Einstufung der Arbeitsaufgabe

Regel-Entwicklungszeit

EW1

Regel-Entwicklungszeit

EW2

Regel-Entwicklungszeit

EW3

EG 04

4-8 Mon

EG 03

2. Die Zuordnung der Mitarbeiter zu den einzelnen Entwicklungsstufen erfolgt durch die jeweilige Führungskraft in Abhängigkeit von Einarbeitung (im Sinne der Selbstständigkeit) und Abdeckungsgrad der Arbeitsaufgabe (entsprechend der Aufgabenbeschreibung). Für die Einstufung solcher Arbeitsaufgaben gelten die Bestimmungen des § 10 ERA-TV, des § 3.2 ETV ERA analog.

3. …

Bei Z-interner Übertragung einer höherwertigen Arbeitsaufgabe sowie bei neu eingetretenen Mitarbeitern mit einschlägigen Kenntnissen und Erfahrungen können Entwicklungsstufen übersprungen werden. Die Entgeltgruppe zu Beginn des Einarbeitsungsprozesses entspricht bei Übertragung einer höherwertigen Arbeitsaufgabe jeweils mindestens der Entgeltgruppe der bisherigen Arbeitsaufgabe.

4. Es besteht Einvernehmen darüber, dass der Mitarbeiter grundsätzlich automatisch nach der oben genannten maximalen Entwicklungszeit in die nächsthöhere Entgeltgruppe vorrückt. Soweit hiervon abgewichen werden soll, hat dies der Vorgesetzte unter Berücksichtigung der Bewertungsmerkmale des ERA schriftlich zu begründen. Mit diesem Mitarbeiter ist ein neuer Termin zu vereinbaren. In diesen Fällen wird P und der BR informiert. Betriebsrat und Beschäftigter haben Reklamationsrecht gemäß § 10 ERA-TV.”

Die Tarifvertragsparteien haben am 22.08.2007 den in der BV Einf. ERA-TV enthaltenen von den Flächentarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie abweichenden Bestimmungen im Hinblick auf die Entwicklungsstufen im Grundentgelt schriftlich Zustimmung erteilt.

Der Antragsgegner hat nach Einführung des Vergütungssystems nach dem ERA-TV nahezu allen Einstufungen von Arbeitsaufgaben durch die Antragstellerin widersprochen. In den Verfahren vor der Paritetischen Kommission (PaKo) konnten keine Einigungen erzielt werden, sodass sich die Einstufungsverfahren hinsichtlich nahezu aller beschriebener Arbeitsaufgaben derzeit vor der erweiterten PaKo befinden.

Mit Schreiben vom 12.05.2011 (Blatt 6 bis 17 der Akte), dem Antragsgegner jeweils zugegangen am 12.05.2011, unterrichtete die Antragstellerin den Antragsgegner über die beabsichtigten Einstellungen von insgesamt 11 Mitarbeitern. Die Einstellungen sollten nach dieser Unterrichtung befristet erfolgen bis 31.12.2011. Als vorgesehene Tätigkeit wurde jeweils die eines Teamwerkers benannt mit einer Eingruppierung in die EG 3 unter Zugrundelegung des betrieblichen Niveaubeispiels mit der Z Nr. 031.

Mit Schreiben vom 18.05.2011 (Blatt 18 bis 19 der Akte) rügte der Antragsgegner vor allem unter Bezugnahme auf Ziffer 3.3 der „Gesamtbetriebsvereinbarung über die innerbetriebliche Stellenausschreibung (§ 93 BetrVG)” (nach...

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