rechtskräftig

 

Tenor

I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum 31.12.1984 aufgelöst.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von DM 5.000,– (Fünftausend) netto zu zahlen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM – 9.000, – festgesetzt.

 

Tatbestand

Die zu 40 % schwerbehinderte Klägerin ist seit dem 1.4.1978 bei der Beklagten als Krankenschwester im Nachtdienst beschäftigt. Die Klägerin fehlte vom 31.7.1982 bis 14.3.1984, vom 4.4.1984 bis 24.6.1984 und ab dem 18.7.1984 krankheitsbedingt.

Am 6.7.1984 beantragte die Klägerin beim Arbeitsamt in Wetzlar die Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten gemäß § 2 SchwBG. Am 18.7.1984 gab die Beklagte dazu folgende Stellungnahme ab:

Der Arbeitsplatz der Behinderten ist infolge der Behinderung nicht ernsthaft gefährdet.

Das Arbeitsamt in Wetzlar lehnte daraufhin mit Bescheid vom 22.8.1984 die Gleichstellung mit der Begründung ab, der Arbeitsplatz der Klägerin sei „zum gegenwärtigen Zeitpunkt infolge der Behinderung nicht ernsthaft gefährdet”.

Mit Schreiben vom 24.9.1984 kündigte die Beklagte mit Zustimmung des Betriebsrates das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 31.12.1984 krankheitsbedingt. Am 15.11.1984 schob sie eine fristlose und fristgemäße Kündigung wegen der Teilnahme der Klägerin an DRK-Lehrgängen während ihrer Krankheit nach; schließlich kündigte die Beklagte am 22.11.1984 fristlos und fristgemäß, weil die Klägerin angeblich unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben sei.

Die Klägerin beantragt mit der am 12.10.1984 bei Gericht eingegangenen Klage,

festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis bei der Beklagten nicht aufgelöst worden ist.

Im Kammertermin vom 5.3.1985 beantragte die Klägerin zusätzlich,

ihr Arbeitsverhältnis aufzulösen und die Beklagte zur Zahlung einer Abfindung zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Das Arbeitsverhältnis der Parteien war zum 31.12.1984 aufzulösen und die Beklagte zu einer Abfindung zu verurteilen.

Die Kündigung der Beklagten vom 24.9.1984 ist nichtig. Die Beklagte hat die mögliche Gleichstellung der Klägerin als Schwerbehinderte gemäß § 2 SchwBG dadurch verhindert, daß sie dem Arbeitsamt in Wetzlar mitgeteilt hat, der Arbeitsplatz der Klägerin sei nicht gefährdet. Unmittelbar nach Ablehnung der Gleichstellung hat sie dann das Kündigungsverfahren eingeleitet und die Kündigung ausgesprochen. Dieses Verhalten erfüllt die Voraussetzung des § 138 BGB.

Aus dem in § 162 BGB enthaltenen allgemeinen Rechtsgedanken folgt, daß niemand aus einem Ereignis Vorteile herleiten darf, das er treuwidrig herbeigeführt hat (Palandt, BGB, 44. Auflage, Anm. 4). Eine Kündigung wegen der im Gleichstellungsantrag genannten Krankheiten ist der Beklagten somit so lange verwehrt, bis das Arbeitsamt in Wetzlar erneut über den Gleichstellungsantrag entschieden hat.

Die Kündigung der Beklagten vom 24.9.1984 ist jedoch auch sozialwidrig im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Die Beklagte hat wegen der krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin gekündigt. Solche Kündigungen sind jedoch nach der ständigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichte nur dann zulässig, wenn auch in Zukunft mit erheblichen Fehlzeiten wegen Krankheit zu rechnen ist. Daran fehlte es aber im vorliegenden Fall; denn die Klägerin hat nach langen Fehlzeiten im Sommer 1984 wieder einen Monat gearbeitet und hat der Beklagten am 5.9.1984 mitgeteilt, daß sie voraussichtlich im Oktober ihre Arbeit wieder aufnehmen könne. Das Arbeitsverhältnis der Parteien besteht somit auch nach den Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes fort, so daß die Klägerin einen Auflösungsantrag nach § 9 KSchG stellen konnte. Diesem Antrag war stattzugeben; denn der Klägerin war eine weitere Beschäftigung bei der Beklagten nicht zuzumuten. Die Unzumutbarkeit folgt daraus, daß die Beklagte durch insgesamt fünf Kündigungen zu erkennen gegeben hat, daß sie sich auf jeden Fall von der Klägerin trennen möchte. Die Kündigung vom 24.9.1984 war nichtig und sozialwidrig. Auch gegen die Wirksamkeit der Kündigung vom 15.11.1984 bestehen Bedenken, da die Bescheinigung des Deutschen Roten Kreuzes (Bl. 46 und 47 d.A.) das Fehlverhalten der Klägerin in milderem Licht erscheinen lassen. Schließlich sind die Kündigungen vom 22.11.1984 völlig unverständlich. Der Klägerin kann nämlich nicht vorgeworfen werden, sie sei unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben, nachdem sie bereits am 15.11.1984 (auch) eine fristlose Kündigung erhalten hatte. Der Auflösungsantrag mußte daher Erfolg haben. Bei der Bemessung der Abfindung hat das Gericht die Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Alter der Klägerin, ihr Gehalt und ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten berücksichtigt.

Es war daher wie erfolgt zu entscheiden. Die Beklagte ist voll unterlegen, so daß sie die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat (§ 91 ZPO). Der Wert des Streit...

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