nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
Leitsatz (amtlich)
1) Eine Abmahnung ist nur dann rechtswirksam, wenn sie das zu beanstandende Verhalten des Arbeitnehmers genau bezeichnet. Dazu bedarf es der Angabe, wann (= Datum) und zu welcher Uhrzeit der Arbeitnehmer gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat. Schlagwortartige Hinweise, wie Vertrauensverlust, fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit, Störung des Betriebsfriedens, untragbares Verhalten oder Minderleistung genügen diesen Anforderungen nicht. Vielmehr sind dazu jeweils die tatsächlichen Vorfälle zu schildern, die entsprechenden Vorwürfe rechtfertigen.
2) Weist das Arbeitsgericht eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung ab, so ist es in einem späteren Kündigungsschutzprozeß an den Inhalt der Abmahnung gebunden. Es ist weder berechtigt noch verpflichtet, nochmals die Voraussetzungen dieser Abmahnung zu überprüfen (§ 323 ZPO).
3) Der Streitwert einer Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ist regelmäßig mit einem Drittel des Bruttomonatseinkommens des abgemahnten Arbeitnehmers zu bewerten.
Normenkette
BGB § 611 ff.; ZPO § 325 ff.; ArbGG § 61 I ff.; ZPO § 3
Tenor
1) Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 20.12.1989 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
2) Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
3) Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.335,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Beklagte hat dem Kläger die nachfolgende Abmahnung vom 20. Dezember 1989 erteilt:
„Sehr geehrter Herr E.,
leider sind wir nach den letzten uns bekannt gewordenen Vorkommnissen nicht mehr in der Lage, Ihr Verhalten ohne Konsequenzen zu tolerieren.
Schon in der Vergangenheit kam es häufiger bei der Auswertung der Patientenbeschwerden (Kummerkasten) zu Klagen über Ihr unfreundliches Wesen sowie dem barschen und respektlosen Ton (lose Sprüche, ausländische Anreden wie Madame, Monsieur etc.) gegenüber Patienten.
Höchstwahrscheinlich würden die Patienten darüber hinwegsehen, wenn die physikalischen Therapien dafür ordnungsgemäß und mit dem allgemein nötigen zeitlichen Aufwand ausgeführt würden. Aber hauptsächlich Ihre oberflächliche Erfüllung der ärztlichen Verordnungen (zeitliche Verschiebung, Änderung der medizinischen Verordnungen, Ausfälle) sowie die desinteressierte Behandlung der Patienten gibt Anlaß zu herber Kritik.
Ihr Verhalten Patienten gegenüber spiegelt sich desgleichen bei den Kollegen. Fehlende Führungseigenschaften werden durch physischen Druck auf Mitarbeiter (insbesondere Praktikanten) der Abteilung kompensiert, hauptsächlich wenn diese eine andere Meinung vertreten. Im übrigen trägt Ihre Einstellung zur Arbeit keineswegs zur Motivation der Mitarbeiter bei.
Sie arbeiten hier in einer Krankenanstalt und haben gerade den Kranken und den älteren Menschen Hilfe. Geduld und Verständnis entgegen zu bringen, wenn es manchmal vielleicht auch schwer fällt.
Wir können dieses Fehlverhalten nicht länger unbeanstandet hinnehmen. Bemühen Sie sich daher, daß Ihr Verhalten und Ihre Arbeitsleistung keinen Anlaß mehr zur Klage gibt. Andernfalls müssen Sie mit weitergehenden arbeitsrechtlicher Konsequenzen rechnen.”
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die mit Schreiben vom 20.12.1989 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus seiner Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Klageschrift verwiesen.
Die Parteien waren mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden einverstanden (§ 55 III ArbGG).
Entscheidungsgründe
Die Klage mußte Erfolg haben.
Die Abmahnung der Beklagten vom 20. Dezember 1989 ist aus der Personalakte des Klägers zu entfernen, und zwar aus folgenden Gründen.
Grundsätzlich hat jeder Arbeitgeber das Recht, seine Arbeitnehmer bei Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten abzumahnen (Hunold, BB 1986, 2050: Becker-Schaffner, DB 1985, 650). Darüber hinaus wird er von der Rechtsprechung sogar verpflichtet, vor verhaltensbedingten – fristlosen (§ 626 BGB) wie fristgemäßen (§ 1 II KSchG) – Kündigungen immer dann Abmahnungen zu erteilen, wenn die Aussicht besteht, daß der Arbeitnehmer danach sein Verhalten ändert (KR-Wolf, 3. Auflage, Grunds. 219). Diese Rechtsprechung beachtet den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der im Einzelfall überzogene Entscheidungen (= Kündigungen) verbietet. Ehe ein Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht soll er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu ändern und dadurch den Verlust seines Arbeitsplatzes zu vermeiden.
Derartige Abmahnungen spielen somit bei verhaltensbedingten Kündigungen eine wichtige Rolle; denn sie sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Voraussetzung für deren Wirksamkeit. Daraus folgt, daß an ihren Inhalt bestimmte (Mindest-)Anforderungen zu stellen sind; denn sie stellen Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorab fest. Ein Arbeitnehmer kann eine erhaltene Abmahnung zunächst hinnehmen, a...