nicht rechtskräftig!
Entscheidungsstichwort (Thema)
Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte
Leitsatz (amtlich)
1) Eine Abmahnung ist nur dann rechtswirksam, wenn sie das zu beanstandende Verhalten des Arbeitnehmers genau bezeichnet. Dazu bedarf es der Angabe, wann (= Datum) und zu welcher Uhrzeit der Arbeitnehmer gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen hat.
Schlagwortartige Hinweise wie „Vertrauensverlust”, „fehlende Bereitschaft zur Zusammenarbeit”, „Störung des Betriebsfriedens”, „untragbares Verhalten” oder „Minderleistung” genügen diesen Anforderungen nicht. Vielmehr sind dazu die jeweils tatsächlichen Vorfälle zu schildern, die entsprechende Vorwürfe rechtfertigen.
2) Weist das Arbeitsgericht eine Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte ab, so ist es in einem späteren Kündigungsschutzprozeß an den Inhalt der Abmahnung gebunden. Es ist weder berechtigt noch verpflichtet, die Voraussetzungen der Abmahnung nochmals zu überprüfen (§ 325 ZPO).
3) Der Streitwert einer Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte ist regelmäßig mit einem Bruttomonatseinkommen des Arbeitnehmers zu bewerten.
Normenkette
BGB § 611 ff.; ZPO § 325; ArbGG § 61 Abs. 1; ZPO § 3
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 10.2.1993 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Beklagte hat dem Kläger am 10.2.1993 eine Abmahnung mit folgendem Wortlaut erteilt:
Abmahnung
Sehr geehrter Herr …,
mit Bedauern müssen wir feststellen, daß Ihre Arbeitsmoral in den letzten Wochen sehr stark nachgelassen hat.
So haben Sie am 28.1.1993 als Pressenführer an der Presse III beim Manschettenwechsel den Handwerkern nicht geholfen, was zu Ihrem Aufgabenbereich gehört, sondern an der Anlage IV sich mit Ihrem Kollegen unterhalten.
In der Nacht vom 2.1 zum 3.1.1993 während Ihrer Nachtschicht, haben Sie trotz betrieblicher Anweisung nicht oft genug in der Leimküche die Siebe gereinigt, was zur Folge hatte, daß der Leim überlief.
Außerdem ist Ihnen vorzuwerfen, daß Sie an der Presse III die vorgeschriebenen, laufenden Kontrollen in letzter Zeit sehr mangelhaft durchführen.
Aufgrund dieser vorstehenden Vorfälle haben Sie Ihre arbeitsvertraglichen Pflichten wiederholt verletzt, wir weisen Sie daraufhin, daß Sie im Wiederholungsfall oder einer anderen Vertragsverletzung mit dem Verlust Ihres Arbeitsplatzes rechnen müssen.
Wir hoffen, daß Sie den Ernst der Lage erkennen und verbleiben mit freundlichen Grüßen
Gegen diese Abmahnung wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 10.2.1993 aus der Personalakte zu entfernen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage mußte Erfolg haben.
Die angefochtene Abmahnung ist aus der Personalakte des Klägers zu entfernen und zwar aus folgenden Gründen. Grundsätzlich hat jeder Arbeitgeber das Recht, seine Arbeitnehmer bei Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten abzumahnen (Hunold, BB 1986, 2050; Becker-Schaffner, DB 1985, 650). Von der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte wird er darüber hinaus sogar verpflichtet, vor verhaltensbedingten Kündigungen – fristlosen (§ 626 BGB wie fristgemäßen § 1 II KSchG) – Abmahnungen zu erteilen, wenn die Aussicht besteht, daß der Arbeitnehmer darauf sein Verhalten ändert (KR- Wolf, 3. Auflage, Grunds. 219). Diese Rechtsprechung beachtet den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der überzogene Entscheidungen (= Kündigungen) verbietet. Ehe ein Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht, soll er dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sein Verhalten zu ändern und dadurch den Verlust seines Arbeitsplatzes zu vermeiden. Derartige Abmahnungen spielen somit bei verhaltensbedingten Kündigungen eine wichtige Rolle; denn, sie sind – von wenigen Ausnahmen abgesehen – unabdingbare Voraussetzung für deren Wirksamkeit. Daraus folgt, daß an ihren Inhalt bestimmte (Mindest-)Anforderungen zu stellen sind; denn durch sie werden Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten vorab festgestellt. Ein Arbeitnehmer kann eine Abmahnung zunächst hinnehmen, auch wenn er sie für rechtlich bedenklich und/oder ungerechtfertigt hält. Im Falle einer späteren Kündigung kann er dort seine Bedenken vortragen mit der Folge, daß die Berechtigung der Abmahnung im Kündigungsschutzprozeß überprüft wird. Der Arbeitnehmer hat aber auch die Möglichkeit, die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu verlangen. In einem derartigen Klageverfahren wird die Rechtmäßigkeit der Abmahnung überprüft. Wird eine entsprechende Klage abgewiesen, gilt das in die Abmahnung aufgenommene Fehlverhalten des Arbeitnehmers als festgestellt. Wegen der Rechtskraft eines derartigen Urteils hat das Arbeitsgericht im späteren Kündigungsschutzprozeß von der Richtigkeit der Abma...