Rz. 29
Ein Arbeitsverhältnis kann aufgrund unterschiedlicher rechtlich erheblicher Tatbestände ruhen. In Betracht kommt ein Ruhen unmittelbar kraft bzw. aufgrund Gesetzes (s. Rz. 30). Daneben können Tarifverträge das Ruhen anordnen, z. B. für den Fall einer befristeten Erwerbsminderungsrente (s. Hinweis in Rz. 28). Schließlich können die Arbeitsvertragsparteien kraft ihrer Vertragsfreiheit das Ruhen vereinbaren (s. Rz. 31).
Rz. 30
In § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG für die Elternzeit, §§ 1, 4 ArbPlSchG für den Grundwehrdienst und Wehrübungen, § 78 Abs. 1 Nr. 1 ZDG in Verbindung mit dem Arbeitsplatzschutzgesetz für anerkannte Kriegsdienstverweigerer und § 4 Abs. 4 PflegeZG für Personen, die nahe Angehörige pflegen finden sich spezielle gesetzliche Regelungen, wonach der Arbeitgeber berechtigt ist, den Erholungsurlaub zu kürzen. Nach § 3 PflegeZG haben Arbeitnehmer Anspruch auf (unbezahlte) Freistellung zur Pflege naher Angehöriger, höchstens für 6 Monate pro Pflegefall (Pflegezeit, § 4 PflegeZG). Im öffentlichen Dienst existieren für Mandatszeiten Normen, die das Ruhen des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben. In der Privatwirtschaft existieren keine gesetzlichen Ruhensregeln. Arbeitnehmer sind hier auf entsprechende individualvertragliche Vereinbarungen mit ihrem Arbeitgeber angewiesen.
Rz. 31
Die Parteien können das Ruhen des Arbeitsverhältnisses auch individuell vereinbaren. Teilweise sehen Tarifverträge Rahmenregelungen vor, oftmals unter der Sammelbezeichnung "Sonderurlaub" (vgl. § 28 TVöD/TV-L; § 25 TV-UK BW). Voraussetzung zur Vereinbarung individueller Ruhensvereinbarungen ist dies jedoch nicht. Eine Ruhensvereinbarung muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch stillschweigend getroffen werden, auch wenn dies sicherlich die Ausnahme ist. Eine solche (stillschweigende) Vereinbarung nimmt das BAG an, wenn ein Arbeitgeber auf Bitten eines Arbeitnehmers, der seit mehreren Jahren arbeitsunfähig erkrankt war, eine Arbeitsbescheinigung nach § 312 SGB III erteilte, damit der Arbeitnehmer Arbeitslosengeld beziehen konnte. Fraglich ist, wann ein solches Ruhen endet. In Betracht kommt der Zeitpunkt, ab dem der Arbeitnehmer kein Arbeitslosengeld mehr bezieht, sondern eine Erwerbsminderungsrente.
Rz. 32
Ein Ruhenstatbestand liegt dagegen nicht vor, wenn ein Arbeitsverhältnis, das als Altersteilzeitarbeitsverhältnis geführt wird, von der Arbeitsphase in die Freistellungsphase übergeht. Es endet erst zum vereinbarten Endtermin und nicht bereits mit dem Übergang. Es wird deshalb vertreten, dass der Arbeitgeber gesetzlich nicht verpflichtet ist, Resturlaub bei Beginn der Freistellungsphase abzugelten. Das BAG hat diese Frage dem EuGH im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit Art. 7 der RL 88/2003 oder Art. 31 Abs. 2 GRC vorgelegt. Der EuGH hat die Chance, hier für Klarheit zu sorgen, leider nicht genutzt, sondern nur die zweite Frage beantwortet, die sich jedoch auf einen Sonderfall bezogen hat. Denn der Arbeitnehmer ist kurz vor Ende der Arbeitsphase erkrankt und konnte deshalb den (bewilligten) Urlaub nicht vollständig nehmen. Es bleibt abzuwarten, wie das BAG mit der unvollständigen Antwort des EuGH umgeht.
Rz. 33
Vertraglich vereinbarter (unbezahlter) Sonderurlaub
Arbeitgeber und Arbeitnehmer stehen seit Jahren in einem Arbeitsverhältnis. Der Arbeitnehmer arbeitet 5 Tage pro Woche von Montag bis Freitag. Ihm stehen daher 20 Tage gesetzlicher Urlaub zu (24 Werktage gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG geteilt durch 6 Werktage x 5 Werktage). Zusätzlich stehen ihm laut dem einzelvertraglich in Bezug genommenen einschlägigen Tarifvertrag weitere 10 Urlaubstage zu. Der Tarifvertrag enthält keine Regelungen, die vom BUrlG abweichen.
Variante 1
Auf Wunsch des Arbeitnehmers – er will eine Weltreise machen – vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Ruhen des Arbeitsverhältnisses ab dem 1.4.2022 für das weitere Jahr 2022.
Variante 2
Im selben Fall vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer das Ruhen bis 31.12.2023.
Variante 3
Weitergehend vereinbaren sie das Ruhen bis 30.11.2024.
Variante 4
Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren das Ruhen vom 3.6.2024 bis 16.8.2024.
Bei allen Ruhenstatbeständen stellt sich die Frage nach den Auswirkungen auf den Urlaubsanspruch. Die Rechtsprechung des BAG hat sich auch insofern weitreichend verändert. Bis in das Jahr 1972 hatte das BAG keine Bedenken, bei einer nur geringfügigen Arbeitsleistung im Urlaubsjahr ein krasses Missverhältnis zwischen beanspruchtem Urlaub und geleisteter Arbeit anzunehmen und damit – sogar – den Wegfall des gesamten Urlaubsanspruchs und nicht etwa nur eine Reduzierung auf so viele Urlaubstage, wie Arbeitstage geleistet worden sind, zu begründen. Wenig später hat das BAG entschieden, einem Arbeitnehmer sei nicht entgegenzuhalten, er verhalte sich rechtsmissbräuchlich (s. Rz. 52 f.), wenn er Urlaubsansprüche geltend macht, obwohl er in dem Urlaubsjahr kaum gearbeitet hat. Zur Kürzung von Urlaub während der Zeit einer Wehrübung, die...