1 Leitsatz

Zumindest in Umgehungsfällen, in denen der Eigentümer sich selbst oder einer Sanierungsgesellschaft ein Erbbaurecht bestellt, welches in engem zeitlichem Zusammenhang dazu in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufgeteilt wird, gilt entsprechend § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB der Genehmigungsvorbehalt auch für die Aufteilung eines Erbbaurechts in Wohnungs- und Teilerbbaurechte.

2 Normenkette

§ 30 WEG; § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB

3 Das Problem

In einem notariellen Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechtes und Begründung von Wohnungs- und Teilerbbaurechten ist Folgendes bestimmt: "Die X, nachstehend auch als Eigentümer oder Grundstückseigentümer bezeichnet, bestellt hiermit für sich selbst als alleinige Berechtigte, nachstehend auch als Erbbauberechtigter oder Erbbaurechtsinhaber bezeichnet, an dem in Teil A Ziffer 1. dieser Urkunde näher beschriebenen Erbbaugrundstück ein Erbbaurecht, … Der Erbbauberechtigte ist berechtigt, das auf dem Erbbaugrundstück befindliche Wohnhaus zu belassen, es umzubauen und es zu sanieren und zu renovieren. … Klargestellt wird, dass sich alle Vereinbarungen zur nachstehenden Einräumung von Sondereigentum nicht auf das Erbbaugrundstück, sondern auf das Erbbaurecht beziehen. Soweit nachstehend von Wohnungseigentum oder Teileigentum die Rede ist, ist insoweit das Wohnungserbbaurecht bzw. das Teilerbbaurecht gemeint. Eigentümer im Sinne des Abschnitts B ist der Erbbauberechtigte des gemäß Teil A neu begründeten Erbbaurechts. … Der Eigentümer teilt hiermit das Eigentum an dem in Ziffer 1 definierten WE-Grundstück gem. § 8 WEG in Miteigentumsanteile in der Weise auf, dass mit jedem Anteil das Sondereigentum an einer bestimmten Wohnung bzw. an nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen in dem auf dem Grundstück errichteten bzw. zu errichtenden Gebäude verbunden ist". Fraglich ist, ob X für die Erklärung einer Genehmigung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB bedarf, weil das Gebäude im Gebiet einer Erhaltungssatzung liegt.

4 Die Entscheidung

Das OLG bejaht die Frage! In Umgehungsfällen, in denen zunächst einer "Sanierungsgesellschaft" ein Erbbaurecht bestellt wird, welches in engem zeitlichem Zusammenhang in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufgeteilt wird, sei § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB entsprechend anzuwenden. Zumindest für den Fall, dass dem Eigentümer des Grundstücks eine Aufteilung des darauf befindlichen Gebäudes in Wohnungs- und Teileigentum grundsätzlich möglich wäre, er aber ein Erbbaurecht zugunsten einer dafür gegründeten Gesellschaft bestellt, die im Anschluss daran dieses in Wohnungs- und Teilerbbaurechte aufteilt, bestehe nämlich eine planwidrige Regelungslücke. Denn in diesem Fall stehe im Raum, dass die Gestaltung allein dem Zweck diene, einen Genehmigungsvorbehalt nach § 172 BauGB zu umgehen. Im Fall habe X nicht einmal eine Gesellschaft zur Sanierung des Grundstücks gegründet, sondern sich selbst das Erbbaurecht bestellt und mit derselben Urkunde die Unterteilung nach §§ 30, 8 Abs. 1 WEG vorgenommen. Dass damit eine Umgehung der Genehmigungspflicht aufgrund der Erhaltungssatzung bezweckt war, liege auf der Hand. X müsse sich daher in diesem Fall so behandeln lassen, als hätte sie die Eintragung von Wohnungs- und Teileigentum beantragt.

Hinweis

  1. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 4 BauGB gestattet es den Gemeinden in einer Erhaltungssatzung (auch Milieuschutzsatzung genannt) zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung Gebiete zu bezeichnen, in denen die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, der Genehmigung bedarf. Anders als in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB unterstellt der Gesetzgeber die Begründung von Wohnungserbbaurechten nicht ausdrücklich diesem Genehmigungserfordernis. Ob § 172 BauGB die Aufteilung eines Erbbaurechtes in Wohnungs- und Teilerbbaurechte umfasst, ist daher umstritten. Einerseits wird unter Hinweis auf § 22 BauGB vertreten, dass der Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB nur für die Begründung von Wohnungs- und Teileigentum, nicht jedoch für die Aufteilung eines Erbbaurechtes in Wohnungs- und Teilerbbaurechte nach § 30 WEG gilt (etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 10.4.2019, 2 S 45.18; Drasdo in Ingenstau/Hustedt, ErbbauRG, 11. Aufl., Anhang III Rn. 26). Andererseits wird der Anwendungsbereich als eröffnet gesehen, da andernfalls Umgehungsmodelle geradezu provoziert werden (Böttcher, ZNotP 2021, S. 49, 51).
  2. Der Schutzzweck einer Erhaltungssatzung besteht darin, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Es geht also nicht darum, einen konkreten Wohnraumbestand zu erhalten, sondern um die Funktionsfähigkeit des Wohnungsmarktes an sich und um die Vorbeugung gegen Gentrifizierung. Es ist daher wohl auszuschließen, dass der Gesetzgeber eine Umgehung des Genehmigungsvorbehalts ermöglichen wollte.

5 Entscheidung

OLG München, Beschluss v. 18.5.2021, 34 Wx 101/21

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