Leitsatz

  • Ergänzende Auslegung von Eigentümerbeschlüssen zur Schließung einer Regelungslücke

    Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht bei Ansprüchen unter Wohnungseigentümern

 

Normenkette

§ 21 Abs. 1 WEG, § 23 Abs. 1 WEG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 273 BGB, § 274 BGB, § 387 BGB

 

Kommentar

1. In einer Anlage mit 3 Wohnungen erhielt durch bestandskräftigen Beschluss der Obergeschosseigentümer die Berechtigung, eine Dachreparatur vornehmen zu lassen, wobei die Gemeinschaft zur Beseitigung bekannter Mängel max. DM 30.000,- zur Verfügung stellte. Gleichzeitig wurde dem auftraggebenden Obergeschosseigentümer gestattet, das Dach instand zu setzen und im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Vorschriften Veränderungen vorzunehmen. Darüber hinausgehende Kosten für die Beseitigung bekannter Mängel müsste jedoch allein der Obergeschosseigentümer tragen.

Die Werklohnkosten betrugen ca. DM 47.000,-; der auftraggebende Obergeschosseigentümer erhob jedoch Mängelrügen und verweigerte Bezahlung. Die Klage des Unternehmers blieb erfolglos. Der Unternehmer hatte Prozesskosten in Höhe von ca. DM 21.000,- (davon ca. DM 14.000,- Sachverständigenkosten) nach Kostenfestsetzung zu tragen, die sich allerdings aufgrund Konkurses des Unternehmers nicht realisieren ließen. Der auftraggebende Obergeschosseigentümer forderte von den beiden anderen Miteigentümern jeweils Drittelkostenbeteiligung (also etwa DM 7.000,-).

2. Eine Notgeschäftsführung ( § 21 Abs. 2 i. V. m. § 16 Abs. 2 WEG) sei zunächst zu verneinen, da Voraussetzung dafür sei, dass Maßnahmen am Dach zur Abwendung eines dem gemeinschaftlichen Eigentum unmittelbar drohenden Schadens notwendig gewesen wären, was antragstellerseits nicht dargetan wurde.

Der Anspruch sei auch nicht aus Auftragsrecht oder Geschäftsführung ohne Auftrag ( §§ 662, 677, 683 S. 1, 670 BGB) begründet. Im vorliegenden Fall fehlte es an der wesentlichen Voraussetzung eines Auftrages, dass der Antragsteller den übrigen Wohnungseigentümern gegenüber zur Geschäftsbesorgung verpflichtet gewesen wäre. Der Antragsteller (OG-Eigentümer) war zwar kraft Eigentümerbeschlusses berechtigt, das Dach instand zu setzen und bauliche Veränderungen vorzunehmen. Eine Verpflichtung zum Tätigwerden den beiden restlichen Eigentümern gegenüber habe der Beschluss aber nicht begründet. Aufgrund der Berechtigung zur Geschäftsbesorgung würden auch Ansprüche aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag ( § 677 BGB) ausscheiden. Die Prozessführung des Antragstellers, um unberechtigte Werklohnforderungen abzuwehren, stellt sich als notwendige Folge der Dachsanierung und damit gleichfalls als ein Geschäft dar, zu dessen Vornahme der Antragsteller den in Antragsgegnerschaft stehenden beiden Miteigentümern gegenüber berechtigt war. Eine solche Prozeßführung kann nicht als eigenes, von der Dachsanierung und dem Ausbau des Dachgeschosses getrenntes Geschäft beurteilt werden.

3. Allerdings ist der Anspruch aus dem zwischen den Wohnungseigentümern bestehenden Gemeinschaftsverhältnis begründet. Durch den Beschluss wurde § 16 Abs. 2 WEG wirksam abbedungen. Unabhängig von der Frage, ob ein Rechtsbeschwerdegericht Eigentümerbeschlüsse nur beschränkt (nämlich auf Rechtsfehler hin) überprüfen könne (so die Rechtsprechung des BayObLG) oder ob ihm eine eigene unbeschränkte Auslegung möglich sei (so OLG Stuttgart), habe im vorliegenden Fall das LG auch bei einer auf Rechtsfehler beschränkten Überprüfung das Gesetz dadurch verletzt, dass es Möglichkeit und Notwendigkeit einer ergänzenden Auslegung des Eigentümerbeschlusses nicht erkannt habe. Eine ergänzende Auslegung hat den Zweck, Lücken der rechtsgeschäftlichen Regelung zu schließen, was voraussetzt, dass ein Rechtsgeschäft eine Regelungslücke aufweist. Im vorliegenden Fall wurde im Beschluss allein eine Beteiligung an den Kosten der Dachsanierung für die Beseitigung bekannter Mängel geregelt, nicht jedoch die Frage der Kostentragung eines in diesem Zusammenhang etwa notwendig werdenden Rechtsstreites.

Bei gebotener objektiver Betrachtungsweise und einer Auslegung nach objektiven Maßstäben sei von einer Regelungslücke auszugehen, sodass der Senat den Beschluss selbst ergänzend auslegen und auch entscheiden könne, zumal keine weiteren Ermittlungen vorliegend erforderlich seien. Es sei darauf abzustellen, was redliche Wohnungseigentümer bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben vereinbart haben würden, wenn sie den nicht geregelten Fall bedacht hätten. Bei der ergänzenden Auslegung von Eigentümerbeschlüssen seien darüber hinaus die besonderen, über die in jedem Schuldverhältnis innewohnenden Pflichten hinausgehenden Schutz- und Treuepflichten unter Eigentümern zu beachten. Damit sei eine Beteiligung der Antragsgegner an den Prozesskosten des Antragstellers auszusprechen (Drittel-Beteiligung gem. § 16 Abs. 2 WEG). Es handle sich auch bei den Prozesskosten um Kosten der Verwaltung, da der Prozess gegen den Unternehmer notwendig wurde, um unberechtigte Werklohnforderungen für die Instandsetzung des gemei...

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