Leitsatz
Gegenstand des Verfahrens war die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Anfechtung der Vaterschaft im Falle einer künstlichen Befruchtung ausgeschlossen ist.
Sachverhalt
Der Kläger focht die Vaterschaft für die am 19.10.2004 geborene Beklagte an, mit deren Mutter er zurzeit der Geburt verheiratet war.
Die Beklagte war durch eine künstliche Befruchtung gezeugt worden, die ohne ärztliche Hilfe durchgeführt worden war. Nachdem der erste Versuch einer künstlichen Befruchtung fehlgeschlagen war, führte die Kindesmutter einen weiteren erfolgreichen Versuch durch, der zur Geburt der beklagten Tochter führte. Hierzu begab sich der Zeuge T. in die Wohnung des Ehepaares, wo die Kindesmutter sich den von ihm gespendeten Samen mit Hilfe einer Spielzeugspritze einführte. Unstreitig kam es zwischen dem Zeugen T. und der Kindesmutter nicht zum Geschlechtsverkehr. Der Kläger behauptete, von dem zweiten Befruchtungsversuch keine Kenntnis gehabt und diesen auch nicht gewollt zu haben.
Das AG hat die Klage nach Anhörung der Kindesmutter und durchgeführter Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, es stehe fest, dass der Kläger mit einer künstlichen Befruchtung mittels Samenspende des Zeugen T. einverstanden gewesen sei.
Gegen das erstinstanzliche Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Sein Rechtsmittel hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Das OLG stellte in seiner Entscheidung zunächst klar, dass sich bei der im Oktober 2004 geborenen Beklagten keine Rückwirkungsproblematik im Hinblick darauf ergebe, dass der durch das Kinderrechtsverbesserungsgesetz (KindRVerbG) eingeführte § 1600 Abs. 4 BGB ab 12.4.2002 in Kraft getreten sei. Mit Urteil vom 26.01.2005 zur Geschäftsnummer XII ZR 70/03 hatte der BGH zuvor entschieden, dass die Vorschrift auch für Anfechtungsfälle gelte, die zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens noch nicht entschieden waren.
Ebenso wie schon in erster Instanz habe auch die Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz ergeben, dass der Kläger während des von der Mutter der Beklagten durchgeführten Befruchtungsvorgangs zu Hause war und von ihrem Vorhaben wusste. Diesen Umstand ließ das OLG für eine Einwilligung ausreichen.
Eine andere Zeugung der Beklagten als durch künstliche Befruchtung scheide aus. Die Kindesmutter habe anderweitigen Geschlechtsverkehr während der gesetzlichen Empfängniszeit verneint und der Kläger habe bei seiner persönlichen Anhörung erklärt, zeugungsunfähig zu sein.
Zwar sei die künstliche Befruchtung nicht unter Zuhilfenahme ärztlicher Assistenz erfolgt. Unter künstlicher Befruchtung i.S.d. § 1600 Abs. 4 BGB seien jedoch nicht nur Methoden zu verstehen, die nach standesrechtlich geordneten medizinischen Techniken erfolgten, sondern alle, die technische Mittel zu Hilfe nähmen. Auch eine Selbstvornahme wie im vorliegenden Falle stelle eine künstliche Befruchtung i.S.d. § 1600 Abs. 4 BGB dar, da der Schutzzweck des KindRVerbG auch bei einem Verstoß gegen den Arztvorbehalt des § 9 ESchG gelte (Staudinger/Rauscher, BGB (2004), § 1600 Rz. 77; a.A. Wanitzek FamRZ 2003, 730 [732]; wohl auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., § 52 Rz. 108).
Eine Unwirksamkeit der Einwilligung des Klägers wegen Verstoßes gegen den Arztvorbehalt des § 9 Embryonenschutzgesetz (EschG) entsprechend § 134 BGB sah das OLG nicht. Eine Unwirksamkeit in diesen Fällen entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Urteil vom 02.02.2007, 9 UF 19/06