Leitsatz
Die Klausel in einem vom Mieter gestellten Formularmietvertrag über Gewerberaum "Die Abrechnung der Betriebskosten erfolgt jährlich. Abrechnungszeitraum ist das Kalenderjahr. Der Vermieter ist verpflichtet, innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Abrechnungszeitraums über die Betriebskosten abzurechnen. Die Parteien sind sich diesbezüglich einig, dass es sich hierbei darüber hinaus um eine Ausschlussfrist handelt. Rechnet der Vermieter nicht fristgerecht ab, so ist der Mieter zum Einbehalt der Betriebskostenvorauszahlung gemäß § 4 Nr. 9 berechtigt" verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist unwirksam.
(Leitsatz der Redaktion)
Normenkette
BGB §§ 307 Abs. 2; 556 Abs. 3; 578 Abs. 2
Kommentar
Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über Gewerberäume. Er wurde mit einem vom Mieter gestellten Formularvertrag abgeschlossen. Hinsichtlich der Abrechnung der Betriebskosten enthält dieser Vertrag unter § 4 Nr. 8 die im Leitsatz wiedergegebene Klausel.
Das Gericht hatte über die Wirksamkeit der Klausel zu entscheiden.
1. Prüfungsmaßstab
Weicht eine Vertragsregelung von einer gesetzlichen Vorschrift ab, ist die Klausel an der Gesetzesnorm zu messen. Es ist zu fragen, ob die Abweichung mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Fehlt ein gesetzliches Pendant zur Vertragsregelung, richtet sich die Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Danach kommt es darauf an, ob aufgrund der Vertragsklausel die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet wird.
Hier enthält § 556 Abs. 3 BGB eine der Vertragsklausel ähnliche Regelung. Diese gilt allerdings nur für die Wohnraummiete. Hinsichtlich der Gewerberaummiete folgt aus § 578 Abs. 2 BGB, dass die Regelung nicht entsprechend auf einen Mietvertrag über Gewerberaum anzuwenden ist. Nach Ansicht des Gerichts wird durch § 578 Abs. 2 BGB das gesetzliche Leitbild für gewerbliche Mietverträge festgelegt. Wird einem Gewerbemietvertrag eine Vertragsregelung hinzugefügt, die von diesem Leitbild abweicht, ist die Klausel an § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu messen.
Orientiert sich die Klausel – wie hier – an einer für die Wohnungsmiete geltenden Regelung, so sind bei der Prüfung die Gesichtspunkte des sozialen Mieterschutzes nicht zu berücksichtigen. Das Verbot unangemessener Benachteilung sowie der Grundsatz der kundenfeindlichen Auslegung gelten aber auch bei der Gewerbemiete.
Werden diese Grundsätze beachtet, dann gilt: Es ist auch bei der Gewerbemiete zulässig, eine Jahresabrechnungsfrist zu vereinbaren. Nach Ansicht des Gerichts verstößt die zur Beurteilung stehende Klausel jedoch in 3-facher Hinsicht gegen AGB-Grundsätze:
- Zum einen folgt aus der Klausel, dass der Anspruch auf restliche Betriebskosten auch dann erlischt, wenn den Vermieter an der Fristüberschreitung kein Verschulden trifft. Dies führt zu einem verschuldensunabhängigen Rechtsverlust, der nicht durch Formularvertrag vereinbart werden kann.
- Die Ausgestaltung der Abrechnungsfrist als Ausschlussfrist verändert das gesetzliche Leitbild der Verjährung. Eine Verkürzung der Verjährungsfrist durch Formularvertrag ist nicht möglich.
- Die Nachteile werden dadurch verschärft, dass dem Mieter das Recht zur Einbehaltung der Vorauszahlungen zustehen soll.
Link zur Entscheidung
Thüringer OLG, Urteil vom 04.07.2012, 7 U 48/12