Beleidigungen oder üble Nachrede gegenüber dem Arbeitgeber oder gegenüber Vorgesetzten berechtigen grundsätzlich zur ordentlichen Kündigung auch ohne vorangegangene Abmahnung. Grobe Beleidigungen können auch eine außerordentliche (fristlose) Kündigung rechtfertigen. Dies gilt ebenso für Bedrohungen des Arbeitgebers oder von Vorgesetzten.
Beleidigung während einer Auseinandersetzung
Ehrverletzende Äußerungen können allerdings dann als weniger schwerwiegend und nicht für eine Kündigung ausreichend angesehen werden, wenn sie in einer Auseinandersetzung gefallen sind, bei der der Arbeitgeber oder der Vorgesetzte in Form und Inhalt unberechtigte Kritik äußerte und hierdurch der Arbeitnehmer zu der ehrverletzenden Äußerung gereizt wurde. Maßgeblich sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere der betriebliche und branchenübliche Umgangston, der Bildungsgrad und der psychische Zustand des Arbeitnehmers sowie die Gesprächssituation. Auch ist zu berücksichtigen, ob bei der Äußerung die Sache noch im Vordergrund stand oder aber die Diffamierung der beleidigten Person. Abzugrenzen ist die Beleidigung auch von der ebenfalls im Betrieb geschützten Meinungsfreiheit. In dem Vorwurf gegenüber einem Vorgesetzten, er sei ein Ausbeuter, liegt noch keine Schmähkritik. Als wichtiger Grund an sich wurde die Gleichsetzung betrieblicher Vorgänge mit dem nationalsozialistischen Terrorsystem gesehen sowie ein Vergleich mit den vom Nationalsozialismus geförderten Verbrechen.
Beleidigung von Arbeitskollegen und Kunden
Beleidigungen gegenüber Arbeitskollegen können ebenfalls eine verhaltensbedingte, in Ausnahmefällen auch eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn hierdurch der Betriebsfrieden nicht nur vorübergehend gestört wird. Verschickt ein Arbeitnehmer per WhatsApp Bild- und Videodateien mit islamfeindlichem Inhalt an einen muslimischen Arbeitskollegen, stellt dies eine Beleidigung dar, die die außerordentliche Kündigung rechtfertigt.
Auch Beleidigungen gegenüber den Kunden des Arbeitgebers können im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, z. B. bei zynischen Äußerungen des Pflegepersonals gegenüber den ihnen anvertrauten hilfsbedürftigen Patienten. Auch Tätlichkeiten wie das Schlagen mit einer elektrischen Fliegenklatsche oder das Beschießen mit Soft-Air-Geschossen können Beleidigungen sein und zur außerordentlichen Kündigung berechtigen.
Unberechtigte schwerwiegende Vorwürfe eines Angestellten in leitender Stellung über Untergebene und Vorgesetzte sind an sich geeignet, eine ordentliche Kündigung sozial zu rechtfertigen.
Private beleidigende Äußerungen, von denen der Vorgesetzte durch Dritte Kenntnis erhält, rechtfertigen eine außerordentliche Kündigung in der Regel jedoch nicht.
Grundsätzlich darf sich der Arbeitnehmer auf die vertrauliche Behandlung von Äußerungen im Rahmen privater Gespräche verlassen, auch wenn dort Beleidigungen oder Ehrverletzungen von Vorgesetzten oder Kollegen erfolgen. In privaten Chatgruppen geäußerte stark beleidigende, rassistische, sexistische und zu Gewalt aufstachelnde Inhalte über Vorgesetzte und andere Kollegen unterliegen jedoch nur im Ausnahmefall einer berechtigten Vertraulichkeitserwartung und können deshalb grundsätzlich zur außerordentlichen Kündigung berechtigen.
Eine Drohung gegenüber dem Arbeitgeber, um umstrittene eigene Forderungen durchzusetzen, kann ein Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Allerdings handelt ein Arbeitnehmer nicht rechtswidrig, wenn er dem Arbeitgeber in einem Kündigungsschutzstreit damit droht, einen Schriftsatz mit einem bestimmten Inhalt beim Arbeitsgericht einzureichen, um einen Vergleich zu erzielen. Solange der Arbeitnehmer nicht bewusst oder leichtfertig falsche Tatsachenbehauptungen aufstellt oder der eingenommene Standpunkt gänzlich unvertretbar ist, liegt keine Pflichtverletzung vor. Die Drohung mit Selbstmord kann ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung sein, wenn der Arbeitnehmer mit der Drohung bestimmte eigene Interessen oder Forderungen durchsetzen will.