In der zweiten Stufe ist die Interessenabwägung durchzuführen. Dabei muss die Abwägung der Interessen beider Parteien dazu führen, dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls angesichts des objektiv geeigneten Kündigungsgrundes die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vertragsgemäßen Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses nicht zumutbar ist.
Dabei sind die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Interessen des Arbeitnehmers an der Fortsetzung gegenüberzustellen. Hierbei sind die Betriebszugehörigkeit, das vom Arbeitnehmer in seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene "Vertrauenskapital", die ordentliche Kündigungsfrist, die Art und Schwere der Verfehlung, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen, die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes, der Verschuldensgrad, das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, die Wiederholungsgefahr, das Lebensalter des Arbeitnehmers, die Betriebsgröße sowie die Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Bei der Interessenabwägung sind auch mildere Mittel wie eine Änderungskündigung, Versetzung und eine ordentliche Kündigung in Betracht zu ziehen. Außerdem ist zu prüfen, ob eine Abmahnung ausreichend ist. Aus § 314 Abs. 2 BGB folgt ausdrücklich, dass vor Ausspruch der außerordentlichen Kündigung grundsätzlich abzumahnen ist.
Hilfsweise ordentliche Kündigung
Ob eine außerordentliche Kündigung vor einem Arbeitsgericht Bestand haben wird, ist angesichts der vielfältigen Kriterien, die bei der Zumutbarkeit gegeneinander abzuwägen sind, schwer vorhersehbar. Andererseits wird vom gekündigten Arbeitnehmer gegen eine außerordentliche Kündigung in der Regel Kündigungsschutzklage erhoben. Hierzu wird er oft auch von der Agentur für Arbeit aufgefordert, wenn er die nach einer außerordentlichen Kündigung zu verhängende Sperrzeit für das Arbeitslosengeld nicht akzeptieren will.
Hilfsweise zugleich ordentlich kündigen
Um sicherzustellen, dass das Arbeitsgericht im Kündigungsschutzprozess hilfsweise die weniger strengen Voraussetzungen einer ordentlichen Kündigung prüft, sollte die außerordentliche Kündigung hilfsweise zugleich auch als ordentliche Kündigung erklärt werden.
Formulierungsvorschlag:
"Hiermit kündigen wir Ihnen das Arbeitsverhältnis fristlos mit sofortiger Wirkung, hilfsweise ordentlich zum 31.7.2023, bzw. zum nächstmöglichen Zeitpunkt."
Anhörung des Betriebsrats
Falls ein Betriebsrat existiert, ist die ordentliche Kündigung jedoch nur bei ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats auch zur ordentlichen Kündigung wirksam.
Hilfsweise doppelte Betriebsratsanhörung
Mit der Anhörung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung sollte der Betriebsrat mit getrenntem Anhörungsschreiben auch zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung angehört werden. Wegen der unterschiedlichen Widerspruchsfristen von einer Woche bei der ordentlichen und 3 Tagen bei der außerordentlichen Kündigung kann dem Betriebsrat so deutlich vermittelt werden, zu welcher Kündigung er Stellung nehmen soll. Um möglichst sicherzustellen, dass der Betriebsrat, wenn er eine Stellungnahme vor Ablauf der Frist abgibt, diese auch "abschließend" abgibt, kann auf dem Anhörungsbogen dies gleich für den Betriebsrat vorformuliert oder zum Ankreuzen vorbereitet werden. In diesem Fall sind die getrennten Anhörungsschreiben nicht zu umgehen. Die Einhaltung der 2-wöchigen Ausschlussfrist kann auch die doppelte Anhörung erfordern, da die Anhörungsfrist des Betriebsrats die Ausschlussfrist nicht verlängert.