Rz. 11
Steht der Vorwurf der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls oder der wissentlichen Pflichtverletzung im Raum, bestreitet der Versicherte diese jedoch, muss entschieden werden, ob ihm vorläufig bis zur rechtskräftigen Klärung Versicherungsschutz zu gewähren ist. Gerade bei hohen Forderungen ist der Versicherte auf die Übernahme der Kosten angewiesen, um sich gegen den Vorwurf effektiv zur Wehr setzen zu können. Die AVB D&O enthalten im Gegensatz zu denen in der Praxis verbreiteten Bedingungen keine Regelung, dass der Versicherer zumindest einstweilen die Kosten übernehmen muss. Da aber nach § 100 VVG bei der Haftpflichtversicherer auch verpflichtet ist, unbegründete Ansprüche abzuwehren, besteht schon deshalb grundsätzlich Versicherungsschutz in Form der Abwehrdeckung, wenn Ansprüche geltend gemacht werden, die auf Vorsatz oder eine Wissentlichkeit gestützt werden, selbst wenn diese nur vorsätzlich begangen werden können. Es muss sich aber stets um einen Anspruch handeln, der in das primäre Risko fällt, also um einen gesetzlichen Haftpflichtanspruch bei Ausübung der Tätigkeit als Organmitglied.
Rz. 12
Die einstweilige Abwehrdeckung in den Unternehmens-AVB ist daher nur eine Klarstellung. Die Gewährung der Abwehrdeckung erfolgt, solange über den Ausschluss der wissentlichen Pflichtverletzung bzw. vorsätzlichen Herbeiführung nicht rechtskräftig entschieden ist.
Beispiel für eine Klausel zur wissentlichen Pflichtverletzung: "Ist die wissentliche Pflichtverletzung streitig, besteht Versicherungsschutz für die Abwehrkosten, solange die wissentliche Pflichtverletzung nicht rechtskräftig festgestellt ist. Erfolgt eine solche Feststellung, entfällt der Versicherungsschutz rückwirkend und dem Versicherer sind die bis dahin von ihm aufgewandten Kosten zurückzuerstatten."
Rz. 13
Teils sind die Klauseln auch etwas differenzierter formuliert, sie unterscheiden danach, ob der Versicherungsschutz rückwirkend oder nur für die Zukunft wegfällt und stellen klar, dass es genügt das der Vorsatz der Schadenserbeiführung oder die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung im Haftpflicht- oder im Deckungsprozess festgestellt wird. So könnte der rückwirkende Wegfall des Versicherungsschutzes der Abwehrdeckung unter der auflösenden Bedingung der rechtskräftigen Feststellung gestellt werden:
"Versicherungsschutz für Abwehrkosten besteht unter der auflösenden Bedingung, dass der Vorsatz der Pflichtverletzung nicht durch gerichtliche, behördliche oder schiedsgerichtliche Entscheidung, Vergleich oder Anerkenntnis rechtskräftig festgestellt wird. Mit einer solchen Feststellung entfällt der Versicherungsschutz rückwirkend und die vom Versicherer erbrachten Leistungen sind in voller Höhe zurückzuerstatten. Eine solche Feststellung kann in einem Haftpflicht- oder Deckungsprozess erfolgen."
Rz. 14
Solche Klauseln gewähren effektiven Versicherungsschutz auf Seiten der versicherten Personen, da ihr gegenüber zumindest vorläufig die Kosten geleistet werden, damit sie sich gegen die Vorwürfe zur Wehr setzen kann. Teils wird nach den verwendeten Klauseln sogar auf die Rückforderung bereits geleisteter Verteidigungskosten verzichtet, dann würde also lediglich die noch ausstehende Schlussrechnung vom Versicherer nicht beglichen werden. Es bestünde in allen Fällen für den rechtskräftig festgestellten Schadensersatzanspruch gerade kein Anspruch auf Freistellung.
Beispiel einer Klausel mit Verzicht auf die Rückforderung:
"Im Zweifel über das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung oder vorsätzlichen Pflichtverletzung wird der Versicherer Verteidigungskosten gewähren. Dies gilt auch, wenn der Anspruch auf eine Rechtsnorm gestützt wird, deren Voraussetzungen nur bei Vorsatz erfüllt sein können. Steht das Vorliegen einer wissentlichen Pflichtverletzung oder einer vorsätzlichen Pflichtverletzung fest, entfällt der Versicherungsschutz. Als Feststellung gilt eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein Eingeständnis der versicherten Person, aus der/dem sich die Tatsachen ergeben, welche die wissentliche oder vorsätzliche Pflichtverletzung belegen. Der Versicherer verzichtet im Fall der Feststellung einer wissentlichen oder vorsätzlichen Pflichtverletzung gegenüber den versicherten Personen auf eine Rückforderung bereits geleisteter Verteidigungskosten."
Rz. 15
Durch die Formulierung, dass für die Abwehrkosten solange Versicherungsschutz besteht solange die wissentliche Pflichtverletzung nicht festgestellt ist, kann der Versicherer sich gerade nicht darauf berufen, er wolle nicht leisten, weil er schon vor rechtskräftiger Feststellung von der Wissentlichkeit der Pflichtverletzung überzeugt sei. Etwas anderes gilt, wenn die Klausel so formuliert ist, dass auch eine rechtskräftige Feststellung des Vorsatzes im Deckungsprozess die Voraussetzungen erfüllt, damit der Versicherungsschutz entfällt. Dann hat der Versicherer die Möglichkeit den Versicherten vorläufig auf den Deckungsprozess zu verweisen und das Ergebnis de...