Verfahrensgang
Tenor
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. August 1997 – 16 Sa 213/96 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin. Die Klägerin ist bei der Beklagten als Furnierzuschneiderin beschäftigt. Die Beklagte betreibt eine Möbelfabrik und stellt Schlafzimmermöbel her. Seit April 1993 bedient die Klägerin die Folienschneidemaschine. Ihre Tätigkeit wird im Akkord vergütet.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Lohntarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer in Betrieben der Holzindustrie und des Serienmöbelhandwerks in Westfalen-Lippe Anwendung der u.a. folgende Lohngruppen enthält:
“Lohngruppe I
Einfache Arbeiten, die ohne vorherige Arbeitskenntnisse, also ohne Ausbildung, Anlernung oder Übung nach kurzer Einweisung ausgeführt werden können und keine besonderen körperlichen Belastungen erfordern.
Lohngruppe II
Arbeiten, die in der Regel eine dreimonatige Anlernung voraussetzen und keine besonderen körperlichen Belastungen erfordern.
Bei den Lohngruppen I und II handelt es sich um Arbeiten, bei denen ein besonderer Kräfteaufwand nicht erforderlich ist.
* siehe Protokollnotiz
Lohngruppe III
Einfache Arbeiten, die ohne vorherige Arbeitskenntnisse, also ohne Ausbildung, Anlernung oder Übung nach kurzer Einweisung ausgeführt werden können, jedoch größere Anforderungen an körperliche Belastungen stellen.
Innerhalb dieser Lohngruppe bei besonders hohen Anforderungen an die körperliche Belastung erhält der Arbeitnehmer den Lohn der Gruppe IV.”
Die Protokollnotiz lautet:
“Bei der Beurteilung der “körperlichen Belastungen” i.S. der Lohngruppen I, II und III des Lohntarifvertrages ist die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG Urteil vom 27.04.1988 – 4 AZR 707/87 – BAGE 58, 149 = AP Nr. 63 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie) zu beachten.”
Die Klägerin ist in die Lohngruppe II des Lohntarifvertrages eingruppiert. Mit ihrer Feststellungsklage begehrt sie die Höhergruppierung in die Lohngruppe IV, zweitinstanzlich hilfsweise in die Lohngruppe III. Außerdem hat sie die Zahlung der Differenzbeträge für die Zeit von Dezember 1994 bis einschließlich November 1995 geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt an die Klägerin 2.254,87 DM brutto zu zahlen. Des weiteren hat es festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. Januar 1995 eine Vergütung entsprechend der Lohngruppe IV des Lohntarifvertrages zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Divergenz gestützt ist.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 72a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG ist begründet, wenn die Rechtssache die Auslegung eines Tarifvertrages betrifft. Die Auslegung eines Tarifvertrages liegt dann vor, wenn das Landesarbeitsgericht eine fallübergreifende abstrakte Interpretation eines tariflichen Rechtsbegriffs vorgenommen hat (ständige Rechtsprechung BAG Beschluß vom 12. Dezember 1979 – 4 AZN 43/79 – BAGE 32. 228 = AP Nr. 2 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz).
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Das Landesarbeitsgericht hat keine fallübergreifende abstrakte Auslegung tariflicher Rechtsbegriffe vorgenommen. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr die Regelung der tariflichen Lohngruppen I und II des Lohntarifvertrages wegen Verstoßes gegen das Lohngleichheitsgebot des Art. 119 EWG-Vertrag und der Richtlinie 75/117 EWG-Vertrag insgesamt für nichtig angesehen. Damit liegt keine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung eines Tarifvertrages vor, sondern wie die Beschwerdeführerin meint, eine möglicherweise fehlerhafte Anwendung von EU-Recht. Darauf kann die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht gestützt werden (vgl. BAG Beschlüsse vom 17. Februar 1981 – 4 AZN 505/80 – BAGE 35, 94 = AP Nr. 14 zu § 72a ArbGG 1979 Grundsatz und vom 16. Dezember 1993 – 6 AZN 346/93 – AP Nr. 44 zu § 72 ArbGG 1979 Grundsatz).
2. Nach § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 72a Abs. 1 ArbGG kann die Revision vom Bundesarbeitsgericht auch zugelassen werden, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht.
Die von der Beklagten behauptete Divergenz der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zu der angezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Oktober 1986 – 3 AZR 66/83 – BAGE 53, 161 = AP Nr. 11 zu Art. 119 EWG-Vertrag liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Regelungen der Lohngruppen I und II wegen der Verwendung des diskriminierenden Eingruppierungsmerkmals “keine besondere körperliche Belastung” nichtig seien. Damit weicht es jedoch nicht von der zuvor genannten Entscheidung ab, wonach zum Schutze der Arbeitnehmer grundsätzlich nur von einer Teilnichtigkeit von Tarifnormen auszugehen ist. Auch das Landesarbeitsgericht geht von einer Teilnichtigkeit des Lohngruppenverzeichnisses aus, wenn es die Klägerin in die Lohngruppe III bzw. IV Lohntarifvertrag eingruppiert.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Böck, Hromadka, Trümner
Fundstellen
Haufe-Index 2629057 |
ArbuR 1998, 296 |