Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. Unterlassungsanspruch bei Streit um Erfinderrecht

 

Leitsatz (amtlich)

Macht ein früherer Arbeitnehmer geltend, Erfinder einer technischen Neuerung zu sein, und verlangt er von dem früheren Arbeitgeber die Vermarktung sowie die Anmeldung zum Patent zu unterlassen, so ist für diesen Rechtsstreit ausschließlich das für Patentstreitsachen zuständige Landgericht zuständig.

 

Normenkette

GVG § 17; ArbGG § 2 Abs. 2; ArbnErfG §§ 4, 39; Patentgesetz §§ 9, 143

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Beschluss vom 24.03.1997; Aktenzeichen 10 Ta 5/97)

ArbG Köln (Beschluss vom 28.11.1996; Aktenzeichen 6 Ca 5046/95)

 

Tenor

Auf die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. März 1997 – 10 Ta 5/97 – aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 28. November 1996 – 6 Ca 5046/95 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der sofortigen und weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.

Der Streitwert für das Verfahren über die weitere sofortige Beschwerde wird auf 100.000,00 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

I. Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht Köln am 21. Juni 1995 gegen den Beklagten Unterlassungsklage erhoben. Der Beklagte soll unterlassen, selbst oder durch die E… GmbH bzw. durch sonstige Drittfirmen PI-Suchgeräte mit der von dem Kläger persönlich entwickelten Technik zu produzieren, zu vermarkten oder ein Patent auf diese Erfindung anzumelden. Die Parteien streiten über die Rechtswegszuständigkeit.

Der Beklagte entwickelt und produziert Such- und Ortungsgeräte für den zivilen und militärischen Bedarf. Der Kläger beschäftigt sich seit längerem mit der Entwicklung von Pulsinduktionsmetall-Detektoren (PI-Suchgeräte). Im Juli 1994 hat er dem Beklagten ein entsprechendes Gerät vorgestellt. Daraufhin hat der Beklagte, der auch Geschäftsführer der E… GmbH ist, mit ihm Mitte August 1994 ein Ausbildungsverhältnis für den Beruf des Industrie-Elektronikers abgeschlossen. Am 23. August 1994 hat der Beklagte vermerkt:

“erwarte ich keine kostenlose Übernahme der Technik von Ro (= Kläger). Wenn wir sein Konzept sinnvoll verwenden können, so möchte ich dies auch angemessen honorieren. Schließlich sparen wir Detailarbeit und Entwicklungskosten für leistungsfähige Standard-PI-Geräte.”

Der Kläger beendete das Berufsausbildungsverhältnis zum 28. Februar 1995. Darauf kam es zu Meinungsverschiedenheiten der Parteien.

Der Kläger hat zunächst vorgetragen, der Beklagte mache ihm eine schutzrechtsfähige Erfindung streitig. Die durch den Unterlassungsantrag zu sichernden Rechte hat er im Laufe des Rechtsstreits konkretisiert:

  • Verwendung eines schnellen invertierenden geschalteten Integrators, der direkt mit der Auto-Zero-Regelung verbunden ist,
  • Schnelle Auto-Zero-Regelung in Kombination aus steilflankigem Eingangsverstärker mit direkt folgender invertierender Auto-Zero-Verstärkerschaltung zur Unterdrückung des Erdmagnetfeldes und der Temperaturdrift,
  • Verwendung eines halbleitend abgeschirmten Schleifenkabels für Großschleifen,
  • Metallunterscheidung mit Plus/Minus-Anzeige,
  • Bodenausgleich mit Plus/Minus-Anzeige,
  • Empfindlichkeitssteigerung durch Mehrfachmessung.”

Zusätzlich hat er hilfsweise den Feststellungsantrag angekündigt,

“daß der Kläger berechtigt ist, PI-Suchgeräte mit der vorstehend im einzelnen bezeichneten und von dem Kläger persönlich entwickelten Technik herzustellen, zu vertreiben und bei Schutzrechtsfähigkeit auch Schutzrechte für die entwickelten Merkmalskombinationen anzumelden.”

Der Beklagte hat demgegenüber vorgetragen, die Entwicklungen des Klägers entsprächen dem Stand der Technik. Erst während der Ausbildung sei unter Hinzuziehung eines Entwicklungsingenieurs und durch die eigene Mitarbeit des Beklagten eine neue Schaltung entstanden. Der Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen gerügt.

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen durch Beschluß vom 5. Oktober 1995 für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Köln verwiesen. Gegen diesen Beschluß haben beide Parteien sofortige Beschwerde eingelegt. Der Kläger hat beantragt, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig zu erklären. Der Beklagte hat gebeten, den Rechtsstreit an das für Patentstreitsachen örtlich zuständige Landgericht Düsseldorf zu verweisen. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Köln am 13. März 1996 den Beschluß aufgehoben und die Sache an das Arbeitsgericht mit dem Hinweis zurückverwiesen, die Schutzfähigkeit der technischen Entwicklung sei zu klären. Zwischenzeitlich hat der Kläger ein zunächst beim Deutschen Patentamt angemeldetes Gebrauchsmuster für die Verwendung eines halbleitend abgeschirmten Schleifenkabels für Großschleifen zurückgenommen und der Beklagte sowohl beim Deutschen als auch beim Europäischen Patentamt ein Patent für “Verfahren und Schaltvorrichtungen zur elektromagnetischen Detektion von Objekten” mit den im Unterlassungsantrag bezeichneten technischen Merkmalen angemeldet. Darauf hat der Kläger seinen Vortrag geändert. Das von ihm entwickelte Gerät sei nicht mehr patentfähig, weil er bereits vor der Anmeldung die technischen Merkmale publiziert habe. Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, das PI-Suchgerät, das die von dem Kläger angegebenen technischen Merkmale (a) bis (f) enthalte, sei eine patentfähige technische Neuerung.

Das Arbeitsgericht Köln hat darauf mit Beschluß vom 28. November 1996 den Rechtsstreit an das Landgericht Düsseldorf – Patentstreitkammer – verwiesen. Auf die erneute sofortige Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht Köln am 24. März 1997 diesen Beschluß aufgehoben und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen weiteren sofortigen Beschwerde.

 

Entscheidungsgründe

II. Die weitere sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen als zulässig erklärt. Die gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Köln vom 28. November 1996 gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers war zurückzuweisen. Nach § 143 Abs. 2 Patentgesetz war der Rechtsstreit an das für Patentstreitsachen in Nordrhein-Westfalen zuständige Landgericht Düsseldorf (vgl. Schulte, Patentgesetz, 4. Aufl., § 143 Rz 7) zu verweisen.

  • Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen wie folgt begründet: Aus dem Zusammenhang der §§ 1, 4 und 5 des ArbNErfG sei unschwer zu erkennen, daß Erfindungen, die der Arbeitnehmer bereits vor Begründung des Arbeitsverhältnisses gemacht habe, zum Gegenstand bürgerlich-rechtlicher Ansprüche werden könnten. Im Streitfall seien diese vor den Arbeitsgerichten zu klären. Während in einer Patentstreitsache nur die Patentverletzung geklärt werden könne, bleibe nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 16. März 1982 (– 3 AZR 83/79 – BAGE 41, 21 = AP Nr. 1 zu § 611 BGB Betriebsgeheimnis) den Gerichten für Arbeitssachen die Zuständigkeit für Ansprüche nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen erhalten. So sei es hier.
  • Dem kann nicht gefolgt werden. Das Landesarbeitsgericht hat die ausschließliche Zuständigkeit nach § 2 Abs. 2 ArbGG, § 39 ArbNErfG, § 143 Patentgesetz verkannt.

    • Nach § 39 Abs. 1 ArbNErfG sind für alle Rechtsstreitigkeiten über Erfindungen eines Arbeitnehmers die für Patentstreitsachen zuständigen Gerichte (§ 143 Patentgesetz) zuständig. Der durch die Arbeitsgerichtsnovelle vom 21. Mai 1979 in das ArbGG aufgenommene § 2 Abs. 2 wiederholt diese besondere Zuständigkeitsregelung. Er schränkt die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3a ArbGG) und für Zusammenhangsachen (§ 2 Abs. 3 ArbGG) ein (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 2 Rz 129). Die Gerichte für Arbeitssachen sind danach nur zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die ausschließlich Ansprüche auf Leistung einer festgestellten oder festgesetzten Vergütung für eine Arbeitnehmererfindung oder für einen technischen Verbesserungsvorschlag nach § 20 Abs. 1 ArbNErfG zum Gegenstand haben.
    • Unter Rechtsstreitigkeiten im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 ArbNErfG sind auch gerichtliche Verfahren zwischen ausgeschiedenem Arbeitnehmer und früherem Arbeitgeber zu verstehen. Gegenstand des Verfahrens müssen Rechtsverhältnisse sein, die mit freien oder gebundenen Arbeitnehmererfindungen verknüpft sind (vgl. Bartenbach/Volz, ArbNErfG, 3. Aufl., § 39 Rz 9). In dem hier zugrundeliegenden Verfahren macht der Kläger geltend, er sei Erfinder einer technischen Neuerung. Zu dem Zweck beantragt er die Feststellung, zur Anmeldung von Schutzrechten berechtigt zu sein, und verlangt von dem Beklagten die Unterlassung der Produktion, Vermarktung und Patentanmeldung. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich geprüft, ob der Kläger Ansprüche aus einer Patentverletzung herleite. Es hat übersehen, daß die von Kläger begehrte Rechtsfolge auf die Einschränkung des Erfinderpersönlichkeitsrechts des Beklagten gerichtet ist. Die Wirkung des im Verlauf des Prozesses nach § 35 Patentgesetz angemeldeten und nach § 58 Patentgesetz veröffentlichten Patents soll eingeschränkt werden. Dem Beklagten soll die Befugnis zur Benutzung des Patents (§ 9 Patentgesetz) untersagt werden. Dieser Anspruch wird anders als in dem vom Dritten Senat im Urteil vom 16. März 1982 entschiedenen Fall (BAGE 41, 21 = AP, aaO) nicht mit einem besonderen arbeitsrechtlichen Geheimhaltungsanspruch, sondern mit dem allgemeinen Erfinderpersönlichkeitsrecht des Klägers begründet. Welches Erfinderpersönlichkeitsrecht anzuerkennen und zu schützen ist, ist im ArbNErfG und im Patentgesetz geregelt. Dort sind die Patentstreitsachen wegen der rechtlich und technisch schwierigen Materie auf die Gerichte für Patentstreitsachen konzentriert worden (vgl. zur Gesetzgebungsgeschichte Klauer/Möhring, Patentrechtskomentar Band II, 3. Aufl., § 51 Rz 1).
    • Die Begründung des Landesarbeitsgerichts, die Erfindung, deren sich der Kläger rühmt, sei nicht vom ArbNErfG erfaßt, ist unzutreffend. Mag der Kläger auch vor Beginn des Berufsausbildungsverhältnisses eine freie Erfindung gemacht haben, so ist sie während des Ausbildungsverhältnisses zu einer Diensterfindung im Sinne von § 4 Abs. 2 ArbNErfG geworden. Wird die Idee eines Erfinders auf der Grundlage der betrieblichen Bedürfnisse und der technischen Gegebenheiten des Arbeitgebers fortentwickelt, erfüllt sie dann die Voraussetzungen einer Diensterfindung (Bartenbach/Volz, ArbNErfG, 3. Aufl., § 4 Rz 11). So liegt der Fall hier. Nach dem mit dem Kläger abgestimmten Vermerk des Beklagten vom 23. August 1994 bestand Einvernehmen, daß die technische Neuerung des Klägers eingebracht, fortentwickelt und angemessen honoriert werden soll. Ob die von dem Beklagten gezahlte Vergütung von 10.000,00 DM angemessen ist, bedarf in diesem Unterlassungs- und Feststellungsverfahren keiner Erörterung.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 25 Abs. 2 GKG.

 

Unterschriften

Leinemann, Reinecke, Düwell

 

Fundstellen

Haufe-Index 893928

NJW 1998, 404

JR 1998, 176

NZA 1997, 1181

SAE 1998, 235

Mitt. 1998, 399

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