Entscheidungsstichwort (Thema)
Überwachungsrecht des Betriebsrats
Leitsatz (redaktionell)
1. Erklärt in den Rechtsmittelinstanzen eines Beschlußverfahrens allein der Antragsteller das Verfahren in der Hauptsache für erledigt, so ist vom Gericht darüber zu entscheiden, ob die Hauptsache erledigt ist. Eine Erledigung der Hauptsache liegt nicht vor, wenn der Antrag von Anfang an unzulässig oder unbegründet war. In diesem Fall ist in der Sache selbst zu entscheiden und der Antrag abzuweisen.
2. Aus der Aufgabe des Betriebsrats, über die Durchführung der in § 80 Abs 1 Nr 1 BetrVG genannten Aufgaben zu wachen, folgt kein Anspruch, vom Arbeitgeber die zutreffende Durchführung dieser Vorschriften verlangen zu können.
3. Ein Streit der Betriebspartner über diese Befugnis des Betriebsrats ist eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit. Für einen Antrag des Betriebsrats auf Feststellung der Verpflichtung des Arbeitgebers, diese Vorschriften in bestimmter Weise durchzuführen, ist der Betriebsrat antragsbefugt.
Normenkette
TVG § 1; ZPO § 91a; BetrVG §§ 99, 117, 80 Abs. 1 Nr. 1; ArbGG § 81 Abs. 2 Fassung: 1979-07-02, § 90 Abs. 2 Fassung: 1979-07-02, § 95 S. 4 Fassung: 1979-07-02, § 83a Abs. 1 Fassung: 1979-07-02
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 22.05.1984; Aktenzeichen 4 TaBV 84/83) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 03.05.1983; Aktenzeichen 4 BV 43/82) |
Gründe
A. Die Condor Flugdienst GmbH (im folgenden: CFG) ist eine Bedarfsfluggesellschaft. Der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist die Gesamtvertretung des fliegenden Personals, die nach dem Tarifvertrag über die Personalvertretung für das Bordpersonal der CFG vom 19. Dezember 1972 (im folgenden: TV PV) gebildet worden ist. Die Beteiligten streiten über die Zahlung von Mehrflugstundenprämien an das fliegende Personal nach § 9 Abschnitt B Abs. 1 des Manteltarifvertrages Nr. 3 für das Bordpersonal der CFG und der Deutschen Lufthansa (im folgenden: DLH) vom 2. November 1979 bzw. 8. April 1980, in Kraft seit dem 1. Januar 1979 (im folgenden: MTV). Die einschlägige Bestimmung des MTV hat - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:
Mehrflugstundenprämie wird gezahlt für
a) Flugzeugführer im Zwei-Mann-Cockpit nach mehr
als 55 Flugstunden,
b) Angehörige des Cockpitpersonals der DLH im
Einsatz auf der Kurzstrecke nach mehr als 60
Flugstunden,
c) Angehörige des Bordpersonals der CFG nach mehr
als 65 Flugstunden,
d) Angehörige des Cockpitpersonals der DLH im
Einsatz auf der Langstrecke sowie für das Ka-
binenpersonal der DLH nach mehr als 70 Flug-
stunden.
Die CFG hatte im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrages keine Flugzeuge mit einem Zwei-Mann-Cockpit. Erst 1981 hat sie das Flugzeug B 737 angeschafft, das ein Zwei-Mann-Cockpit hat. Sie zahlt den Flugzeugführern im Flugzeug B 737 die Mehrflugstundenprämie erst nach mehr als 60 Flugstunden.
Die Gesamtvertretung ist der Ansicht, daß die Mehrflugstundenprämie für Flugzeugführer im Flugzeug B 737 schon nach mehr als 55 Flugstunden gezahlt werden müsse. Sie hat das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und beantragt
festzustellen, daß die Mehrflugstunden-
prämie für Flugzeugführer der CFG auf
dem Flugzeugmuster B 737 nach mehr als
55 Flugstunden monatlich zu gewähren ist.
Die CFG hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Der Antrag der Gesamtvertretung sei unzulässig. Die Gesamtvertretung könne keine gerichtliche Feststellung darüber verlangen, welche Mehrflugstundenprämie sie ihren Flugzeugführern zahlen müsse. Sie ist im übrigen der Ansicht, § 9 Abschnitt B Abs. 1 MTV regele die Mehrflugstundenprämie für ihr Bordpersonal ausschließlich in Ziff. c, da sie zur Zeit des Abschlusses des Tarifvertrages noch keine Flugzeuge mit einem Zwei-Mann-Cockpit gehabt habe. Die Mehrflugstundenprämie sei daher erst nach 65 Flugstunden zu zahlen. Lediglich um den Abstand zu den Flugzeugführern im Zwei- Mann-Cockpit der DLH nicht zu groß werden zu lassen, habe sie sich bereiterklärt, Mehrflugstundenprämie für die Flugzeugführer des Flugzeuges B 737 bereits nach mehr als 60 Flugstunden zu zahlen. Diese Regelung habe sie am 15. Juli 1981 niedergelegt und verlautbart und sei seitdem so verfahren.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag der Gesamtvertretung stattgegeben. Auf die Beschwerde der CFG hat das Landesarbeitsgericht den Antrag als unzulässig abgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde hat die Gesamtvertretung ihren Antrag weiterverfolgt, die CFG hat um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde gebeten.
Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist die CFG aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung dazu übergegangen, allen Flugzeugführern auf dem Flugzeug B 737 die Mehrflugstundenprämie schon bei mehr als 55 Flugstunden zu zahlen. Die Gesamtvertretung hat daraufhin das vorliegende Verfahren für erledigt erklärt. Die CFG hat der Erledigung widersprochen.
B. Die Rechtsbeschwerde der Gesamtvertretung ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat deren Antrag im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Antrag muß jedoch als unbegründet abgewiesen werden.
I. Die Rechtsbeschwerde der Gesamtvertretung ist zulässig. Die rechtzeitig eingegangene Rechtsbeschwerdeschrift konnte formgerecht auch durch Fernschreiben an die Fernschreibstelle des Bundesarbeitsgerichts übermittelt werden (BGHZ 79, 314, 316; BFH NJW 1982, 2520).
II. An einer Sachentscheidung ist der Senat nicht dadurch gehindert, daß die Gesamtvertretung das Verfahren für erledigt erklärt hat. Eine Erledigung des Verfahrens ist nicht erfolgt.
1. Das Beschlußverfahren gestattet dem Antragsteller eines Verfahrens nicht, dieses einseitig für erledigt zu erklären, um so eine Entscheidung über den zunächst gestellten Antrag zu verhindern. Nur in der ersten Instanz kann er den Antrag jederzeit ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten zurücknehmen (§ 81 Abs. 2 ArbGG). In den Rechtsmittelinstanzen ist eine Rücknahme des Antrags nur noch mit Zustimmung der übrigen Beteiligten des Verfahrens zulässig (§ 87 Abs. 2 Satz 3, § 92 Abs. 2 Satz 3 ArbGG). Eine Erledigung des Verfahrens können nur alle Beteiligten gemeinsam erklären (§ 83 a Abs. 1, § 90 Abs. 2, § 95 Satz 4 ArbGG). Eine Besonderheit gegenüber dem Urteilsverfahren besteht nur insoweit, als nach § 83 a Abs. 3 ArbGG die Zustimmung der übrigen Beteiligten zur Erledigungserklärung des Antragstellers als erteilt gilt, wenn die Beteiligten sich nicht innerhalb einer zu bestimmenden Frist gegenteilig äußern.
Aus dieser Regelung wird deutlich, daß der Antragsteller des Beschlußverfahrens in den Rechtsmittelinstanzen über die Beendigung des Verfahrens nicht mehr ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten bestimmen kann. Das rechtfertigt es, auch im Beschlußverfahren diejenigen Grundsätze anzuwenden, die die Rechtsprechung im Urteilsverfahren für die einseitige Erklärung der Erledigung der Hauptsache durch den Kläger erarbeitet hat. Im Falle einer einseitigen Erledigungserklärung durch den Antragsteller ist daher zu prüfen, ob sich die Hauptsache tatsächlich erledigt hat. Ist die Hauptsache erledigt, so ist dies durch das Gericht auszusprechen. Fehlt es an einer Erledigung, ist über den ursprünglichen Sachantrag zu entscheiden. Nur so wird vermieden, daß einmal der Antragsteller gezwungen wird, an seinem erledigten Antrag festzuhalten und dessen Abweisung hinzunehmen. Ihm wird auf der anderen Seite die Möglichkeit genommen, ein nicht erledigtes Verfahren ohne Zustimmung der übrigen Beteiligten entgegen der gesetzlichen Regelung einer Entscheidung zu entziehen. Daß, anders als im Urteilsverfahren, Kostengesichtspunkte im Beschlußverfahren dabei nicht von unmittelbarer Bedeutung sind, ist insoweit unerheblich.
2. Ein Beschlußverfahren ist erledigt, wenn nach Rechtshängigkeit ein Ereignis eingetreten ist, das den Antragsteller hindert, seinen Antrag mit Erfolg weiterzuverfolgen, weil dieses Ereignis den Antrag unzulässig oder unbegründet gemacht hat. Die Erledigung der Hauptsache setzt damit voraus, daß der Antrag zunächst zulässig und begründet war (BAG 19, 342 = AP Nr. 13 zu § 91 a ZP0; BAG Urteil vom 22. Januar 1975 - 4 AZR 10/74 - AP Nr. 23 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BGH AP Nr. 14 zu § 91 a ZP0; BGH VersR 1980, 384, 385; BFH AP Nr. 16 zu § 91 a ZP0; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZP0, 43. Aufl., § 91 a Anm. 2 D c; Thomas/Putzo, ZP0, 13. Aufl., § 91 a Anm. 7 und 7 b). Ein Antrag, der von Anfang an unzulässig oder unbegründet war, kann sich nicht durch ein nach Rechtshängigkeit eintretendes Ereignis erledigen.
Der im vorliegenden Verfahren von der Gesamtvertretung gestellte Antrag war von Anfang an unbegründet.
III. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts war der Antrag zulässig.
1. Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag mit der Begründung als unzulässig abgewiesen, der Gesamtvertretung fehle es an der für eine Sachentscheidung notwendigen Antragsbefugnis. § 70 Abs. 1 TV PV gebe der Gesamtvertretung nicht die Berechtigung, den Inhalt einer tariflichen Regelung zum Gegenstand eines Beschlußverfahrens zu machen. Eine solche Berechtigung würde auf eine Art Prozeßstandschaft oder Vertretung einzelner Arbeitnehmer hinauslaufen, für die die Gesamtvertretung keine Befugnis habe. Damit hat das Landesarbeitsgericht das Begehren der Gesamtvertretung verkannt.
Der Wortlaut des Antrages läßt allerdings die Annahme zu, die Gesamtvertretung begehre die Feststellung einer Verpflichtung der CFG ihren Flugzeugführern auf dem Flugzeug B 737 gegenüber, die Mehrflugstundenprämie schon nach mehr als 55 Flugstunden zu zahlen. Diese Zahlung der Mehrflugstundenprämie an die Flugzeugführer mag auch das Endziel der Gesamtvertretung sein. Die Begründung des Antrages der Gesamtvertretung ergibt jedoch, daß diese nicht die Feststellung einer individual-rechtlichen Verpflichtung der CFG begehrt, sondern ein eigenes betriebsverfassungsrechtliches Recht geltend macht, dem eine betriebsverfassungsrechtliche Verpflichtung der CFG ihr gegenüber entspricht, die festgestellt werden soll. Nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 TV PV hat u.a. die Gesamtvertretung die Aufgabe, darüber zu wachen, daß die zugunsten der im Flugbetrieb beschäftigten Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden. Die Gesamtvertretung ist der Ansicht, diese ihr zugewiesene Überwachungsaufgabe beinhalte gleichzeitig das Recht, vom Arbeitgeber die - zutreffende - Durchführung dieser Tarifverträge verlangen zu können. Dann könne sie auch die gerichtliche Feststellung der Verpflichtung der CFG beantragen, den Tarifvertrag in bestimmter Weise durchzuführen. Die Gesamtvertretung verlangt damit die Feststellung dieser Verpflichtung der CFG aus eigenem Recht. Daß neben ihr auch die Flugzeugführer des Flugzeuges B 737 selbst einen Anspruch auf Zahlung der tariflichen Mehrflugstundenprämie haben und gerichtlich geltend machen können, steht einer solchen Sicht des Begehrens der Gesamtvertretung nicht entgegen.
2. Versteht man den Antrag der Gesamtvertretung so, so handelt es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit, über die nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG im Beschlußverfahren zu entscheiden ist. Das Beschlußverfahren findet auch dann Anwendung, wenn Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe im Streit sind, die sich nicht aus dem Betriebsverfassungsgesetz selbst ergeben, ihre Grundlage vielmehr in einem Tarifvertrag haben können. § 117 Abs. 2 BetrVG überläßt die Schaffung und Ausgestaltung der Betriebsverfassung für die Angehörigen des fliegenden Personals der Luftfahrtunternehmen einer tariflichen Regelung. Auch eine tariflich geregelte Betriebsverfassung und daraus sich ergebende Streitigkeiten sind daher Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Sinne von § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG (Beschluß des Senats vom 5. November 1985 - 1 ABR 56/83 - AP Nr. 4 zu § 117 BetrVG 1972).
Die Beteiligten streiten vorliegend darum, ob die CFG der Gesamtvertretung gegenüber nach § 70 Abs. 1 Nr. 1 TV PV verpflichtet ist, § 9 MTV in bestimmter Weise durchzuführen. Damit sind Rechte und Pflichten der Betriebspartner als Träger der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung im Streit. Das Beschlußverfahren ist die dafür geschaffene und besonders geeignete Verfahrensart (Beschluß des Senats vom 16. Juli 1985 - 1 ABR 9/83 - AP Nr. 17 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung).
3. Die Gesamtvertretung ist im Beschlußverfahren auch gemäß § 10 ArbGG beteiligungsfähig, obwohl sie keine unmittelbar nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder einer dazu ergangenen Rechtsverordnung gebildete Stelle ist. Auch aufgrund einer tariflichen Regelung errichtete Organe und Stellen der Betriebsverfassung sind im Beschlußverfahren beteiligungsfähig (Beschluß des Senats vom 5. November 1985, aa0).
4. Die Gesamtvertretung ist schließlich antragsbefugt. Die Antragsbefugnis ist gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen werden kann. Das ist immer dann der Fall, wenn der Antragsteller eigene Rechte geltend macht. So hat der Senat in dem schon erwähnten Verfahren 1 ABR 9/83 (Beschluß vom 16. Juli 1985, aa0) einen Antrag des Betriebsrats gegen den Arbeitgeber auf Rückerstattung der dem Tronc unter Verstoß gegen tarifliche Vorschriften entnommenen Beträge als unbegründet abgewiesen mit der Begründung, daß dem Betriebsrat ein solcher Rückerstattungsanspruch aus eigenem Recht nicht zustehe, nicht aber ausgesprochen, daß dem Betriebsrat die Antragsbefugnis fehle, weil durch die Entscheidung, ob die Beträge zurückzuerstatten seien oder nicht, seine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung nicht berührt werde. Ob einem betriebsverfassungsrechtlichen Organ die von ihr geltend gemachte betriebsverfassungsrechtliche Befugnis zusteht, ist eine Frage der Begründetheit des Antrages, nicht aber eine solche seiner Antragsbefugnis und damit der Zulässigkeit des Antrages.
5. Das erforderliche Rechtsschutzinteresse für die erbetene Feststellung war gegeben. Die Beteiligten stritten nicht nur darum, ab der wievielten Flugstunde die Mehrflugstundenprämie zu zahlen ist, sondern auch darum, ob die Gesamtvertretung von der CFG verlangen kann, § 9 MTV in bestimmter Weise anzuwenden. Die erbetene Entscheidung ist geeignet, diesen Streit der Beteiligten zu befrieden.
Damit ist der Antrag zulässig.
IV. Der Antrag der Gesamtvertretung ist jedoch nicht begründet.
Die in § 70 Abs. 1 Nr. 1 TV PV geregelte Aufgabe der Personalvertretungen, darüber zu wachen, daß die zugunsten der Angehörigen des Bordpersonals geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden, beinhaltet nicht gleichzeitig die Befugnis der Personalvertretungen, vom Arbeitgeber eine bestimmte Durchführung dieser Vorschriften verlangen zu können.
1. § 70 Abs. 1 bis Abs. 3 TV PV entspricht wörtlich § 80 Abs. 1 bis Abs. 3 BetrVG. Die Tarifvertragsparteien haben auch sonst die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes über die Mitbestimmung und Mitwirkung des Betriebsrats weitgehend in den Tarifvertrag über die Personalvertretung für das fliegende Personal übernommen und nur dort abweichende Regelungen getroffen, wo ihnen dies im Hinblick auf die Besonderheiten des Flugbetriebes geboten erschien. Von daher kann davon ausgegangen werden, daß überall da, wo Rechte der Personalvertretungen des fliegenden Personals durch Vorschriften begründet werden, die wörtlich mit entsprechenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes übereinstimmen, auch Rechte im gleichen Umfang und mit gleichem Inhalt begründet werden sollen, wie sie die entsprechenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes gewähren. Für das auf § 70 Abs. 1 Nr. 1 TV PV gestützte Verlangen der Gesamtvertretung kann daher auf die Rechtsprechung und die im Schrifttum vertretenen Ansichten zu § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zurückgegriffen werden.
2. Nach dieser Vorschrift hat der Betriebsrat u.a. darüber zu wachen, daß die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden. In seiner schon genannten Entscheidung vom 16. Juli 1985 (- 1 ABR 9/83 - aa0) hat der Senat ausgesprochen, daß aus dieser Überwachungsaufgabe kein eigener Anspruch des Betriebsrats darauf folge, daß der Arbeitgeber die genannten Rechtsvorschriften, also auch einen Tarifvertrag, gegenüber seinen Arbeitnehmern auch einhält und durchführt. Der Betriebsrat könne nicht gerichtlich feststellen lassen, welche einzelvertraglichen Ansprüche der Arbeitnehmer nach einem Tarifvertrag habe. Er sei vielmehr darauf beschränkt, eine Nichtbeachtung oder fehlerhafte Durchführung des Tarifvertrages beim Arbeitgeber zu beanstanden und auf Abhilfe zu drängen, wobei das Betriebsverfassungsgesetz davon ausgehe, daß der Arbeitgeber einer berechtigten Beanstandung in aller Regel auch Rechnung tragen werde. Er hat dabei darauf verwiesen, daß dies der allgemeinen Meinung im Schrifttum entspricht (s. die dortigen Nachweise zu B III 2 der Gründe). Er hat entsprechend auch entschieden, daß die Aufgabenzuweisung in § 80 Abs. 1 BetrVG nicht gleichzeitig die Einräumung entsprechender Mitbestimmungsrechte zum Inhalt habe (Beschluß vom 25. Mai 1982 - 1 ABR 19/80 - BAG 39, 86 = AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie). Er hat aus diesem Grund in der genannten Entscheidung einen Anspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auf Rückerstattung zu Unrecht entnommener Beträge an den Tronc verneint. Das Bundesarbeitsgericht (BAG 22, 448 = AP Nr. 4 zu § 63 BetrVG (1952)) und Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 50, 176 und 186) haben entschieden, daß der Betriebsrat bzw. Personalrat kein Recht habe, gerichtlich feststellen zu lassen, in welche Lohn- oder Gehaltsgruppe ein Arbeitnehmer eingestuft werden solle. Daran hält der Senat fest.
Würde das Überwachungsrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG diesem auch das gerichtlich durchsetzbare Recht verleihen, vom Arbeitgeber ein den genannten Vorschriften entsprechendes Tun zu verlangen, so würde dies im Ergebnis bedeuten, daß Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche der Arbeitnehmer aus den zu ihren Gunsten geltenden Vorschriften zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgetragen werden. Wenn die in einem solchen Verfahren ergehenden Entscheidungen auch keine bindende Wirkung für das jeweilige Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten, könnte doch nicht außer acht gelassen werden, daß solche Entscheidungen den Arbeitgeber faktisch zwängen, entsprechend den gerichtlichen Feststellungen oder Entscheidungen zu verfahren, will er nicht eine Vielzahl von Gerichtsverfahren riskieren, die von den Arbeitnehmern ohne großes Risiko angestrengt werden könnten. Der Umstand, daß der Arbeitgeber auf diese Weise zu einem gesetzes- bzw. tarifkonformen Verhalten veranlaßt würde, spricht für sich allein betrachtet allerdings noch nicht gegen eine solche Befugnis des Betriebsrats. Zu berücksichtigen ist aber, daß der Betriebsrat solche Verfahren ohne jedes Risiko führen könnte, der Arbeitgeber auch dann, wenn der Antrag des Betriebsrats sich als unbegründet erweist, nicht nur seine, sondern auch die Kosten des Betriebsrats tragen müßte. Der Individualrechtsschutz des einzelnen Arbeitnehmers würde auf das Verhältnis Arbeitgeber/Betriebsrat verlagert. Das Betriebsverfassungsgesetz sieht eine solche Möglichkeit jedoch nur im Zusammenhang mit der Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Ein- und Umgruppierung nach § 99 BetrVG vor. Auch hier wird die gerichtliche Entscheidung im Zustimmungsersetzungsverfahren regelmäßig praktische Wirkungen für das Arbeitsverhältnis des jeweiligen Arbeitnehmers haben, indem er in die Lohn- oder Gehaltsgruppe eingruppiert und aus dieser bezahlt wird, die sich im Zustimmungsersetzungsverfahren als die richtige herausgestellt hat. Gerade die Regelung in § 99 BetrVG macht deutlich, daß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine entsprechende Befugnis des Betriebsrats nicht enthält. § 99 BetrVG wäre jedenfalls für Ein- und Umgruppierungen überflüssig, wenn der Betriebsrat schon nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verlangen könnte, den einzelnen Arbeitnehmer tarifgerecht zu vergüten.
Die Befugnis des Betriebsrats, darüber zu wachen, daß die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Tarifverträge durchgeführt werden, beinhaltet daher nicht gleichzeitig das Recht des Betriebsrats, aus eigenem Recht vom Arbeitgeber zu verlangen, daß dieser die Tarifverträge gegenüber den einzelnen Arbeitnehmern auch in bestimmter Weise, nämlich zutreffend, anwendet. Ob für die Durchführung von Betriebsvereinbarungen etwas anderes zu gelten hat, ist vorliegend nicht zu entscheiden.
3. Soweit der Sechste Senat in seiner Entscheidung vom 29. April 1982 (- 6 ABR 54/79 - AP Nr. 4 zu § 15 BAT) einem Antrag des Betriebsrats stattgegeben hat festzustellen, daß eine bestimmte Maßnahme des Arbeitgebers gegen einen Tarifvertrag verstößt, hat der Sechste Senat dies nicht näher begründet und lediglich zum Feststellungsinteresse ausgeführt, aus der Überwachungsaufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG folge das rechtliche Interesse des Betriebsrats an der Klärung, ob die Maßnahme des Arbeitgebers gegen Tarifnormen verstoße. Soweit der Sechste Senat damit einen Anspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG gegen den Arbeitgeber auf ein bestimmtes, tarifgerechtes Verhalten bejaht hat (vgl. von Friesen in BB 1983, 1280), hält der Senat aus den dargelegten Gründen daran nicht fest. Einer Anfrage beim Sechsten Senat oder einer Anrufung des Großen Senats bedarf es wegen dieser Abweichung nicht, da der Senat nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 1983 für Fragen des Bestehens und des Umfanges von Beteiligungsrechten des Betriebsrats nunmehr allein zuständig ist.
Damit erweist sich der Antrag der Gesamtvertretung auf Feststellung, daß der Arbeitgeber ihm gegenüber zur Zahlung einer Mehrflugstundenprämie verpflichtet ist, als von Anfang an unbegründet. Dadurch, daß die CFG nunmehr entsprechend verfährt, konnte sich dieser Antrag daher nicht erledigen. Er mußte vielmehr abgewiesen werden. Damit ist nichts darüber gesagt, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ansprüche der Flugzeugführer begründet sind. Diese Rechtsfrage kann in diesem Verfahren nicht entschieden werden. Die Rechtsbeschwerde der Gesamtvertretung war daher zurückzuweisen.
Dr. Kissel Dr. Heither Matthes
Andersch Dr. Giese
Fundstellen
BAGE 52, 150-159 (LT1-3) |
BAGE, 150 |
BB 1987, 62 |
BB 1987, 62-63 (LT1-3) |
DB 1986, 2393-2394 (LT2-3) |
AuB 1987, 370-371 (T) |
NZA 1987, 28-30 (LT1-3) |
RdA 1986, 404 |
SAE 1988, 275-277 (LT1-3) |
AP § 80 BetrVG 1992, Nr 26 |
EzA § 80 BetrVG 1972, Nr 26 (LT1-2) |