Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsanwaltskosten des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG kann ein Betriebsrat nur Kosten gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen, die aus gerichtlichen Verfahren entstanden sind, in denen betriebsverfassungsrechtliche Rechte oder Rechtsverhältnisse zu klären waren. Dies trifft für Gerichtskosten nicht zu, die aus einem Rechtsstreit im Urteilsverfahren mit dem Ziel der Durchsetzung eines Lohnanspruchs eines Betriebsratsmitglieds entstanden sind. Ebenso sind Anwaltskosten aus einem deswegen eingeleiteten Beschlußverfahren keine Kosten der Betriebsratstätigkeit.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 37 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 05.01.1979; Aktenzeichen 3 Ta BV 119/78) |
ArbG Bochum (Beschluss vom 04.10.1978; Aktenzeichen 3 BV 2/78) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 5. Januar 1979 – 3 Ta BV 119/78 – aufgehoben.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Bochum vom 4. Oktober 1978 – 3 BV 2/78 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I. Der Vorsitzende des weiteren Beteiligten (Betriebsrat im Betrieb der Antragsgegnerin) hat an zwei Schulungsveranstaltungen im Dezember 1974 und im Mai 1975 teilgenommen. Nach der Weigerung der Antragsgegnerin, ihm den Lohn für die Zeit seiner Lehrgangsteilnahme fortzuzahlen und die Schulungskosten zu übernehmen, hat er u.a. erfolglos den durch die Teilnahme an den Schulungen entstandenen Lohnausfall eingeklagt. Die Übernahme der hierdurch dem Vorsitzenden des weiteren Beteiligten entstandenen Kosten hat die Antragsgegnerin abgelehnt.
Der weitere Beteiligte und sein Vorsitzender haben danach in einem Beschlußverfahren (Ausgangsverfahren) von der Antragsgegnerin die Erstattung dieser Gerichtskosten verlangt. Der Antrag blieb jedoch in allen drei Instanzen ebenfalls erfolglos. Im Ausgangsverfahren sind der weitere Beteiligte und sein Vorsitzender in der Beschwerdeinstanz durch einen Rechtsanwalt vertreten worden. Dieser hat dem weiteren Beteiligten nach Abschluß der Beschwerdeinstanz hierfür Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von insgesamt 214,16 DM in Rechnung gestellt. Die Antragsgegnerin hält sich auch zur Erstattung dieser Kosten nicht für verpflichtet. Daraufhin hat der weitere Beteiligte am 18. April 1977 seinen von ihm behaupteten Erstattungsanspruch gegen die Antragsgegnerin an den Antragsteller (Rechtsanwalt) abgetreten.
Die Erstattung dieser Kosten begehrt der Antragsteller im vorliegenden Verfahren. Er ist der Auffassung, die Antragsgegnerin sei auch verpflichtet, die im vorliegenden Verfahren durch sein Tätigwerden entstehenden Kosten zu tragen. Er meint, bereits zum Zeitpunkt der Weigerung der Antragsgegnerin, die Rechtsanwaltskosten für das Ausgangsverfahren zu tragen, sei klar gewesen, daß für die Durchsetzung dieses Anspruchs (im vorliegenden Verfahren) wiederum Rechtsanwaltskosten entstehen würden. Da die Kostenentstehung faktisch festgestanden habe, sei eine weitere Abtretung der im vorliegenden Verfahren entstehenden Kosten nicht mehr erforderlich gewesen.
Der Antragsteller hat beantragt, 1. die Antragsgegnerin zu verpflichten, an den Antragsteller 214,16 DM nebst Zinsen zu zahlen, 2. festzustellen, daß die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die Kosten des Antragstellers für das vorliegende Verfahren zu tragen.
Die Antragsgegnerin hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zu 1) als unbegründet, den Antrag zu 2) als unzulässig zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Antragstellers hat das Landesarbeitsgericht beiden Anträgen stattgegeben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren Abweisungsantrag weiter. Der Antragsteller bittet, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, daß dem Antragsteller ein Anspruch auf Ersatz der dem weiteren Beteiligten in Rechnung gestellten Rechtsanwaltsgebühren zusteht.
Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß Anspruchsgrundlage für den vom weiteren Beteiligten an den Antragsteller abgetretenen Anspruch § 40 Abs. 1 BetrVG ist und hat demzufolge den Zahlungsantrag des Antragstellers für begründet erachtet.
Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Das Landesarbeitsgericht ist zwar entsprechend der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. BAG 31, 93, 97 ff.; Beschluß vom 4. Dezember 1979 – 6 ABR 37/76 – AP Nr. 18 zu § 40 BetrVG 1972) zutreffend davon ausgegangen, daß zur Tätigkeit des Betriebsrats auch die Wahrnehmung der Rechte seiner Mitglieder gegenüber dem Arbeitgeber sowie die Befugnis zur gerichtlichen Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Streitfragen gehört.
Das Landesarbeitsgericht hat aber übersehen, daß diese Befugnisse des Betriebsrats nicht das Recht umfassen, auch individualrechtliche Ansprüche seiner Mitglieder gerichtlich klären zu lassen. Damit kann ein Betriebsrat nur Gerichts- oder Rechtsanwaltskosten gegenüber dem Arbeitgeber nach § 40 Abs. 1 BetrVG mit Erfolg geltend machen, die aus Verfahren entstanden sind, in denen betriebsverfassungsrechtliche Rechte oder Rechtsverhältnisse zu klären waren. Um ein solches Verfahren handelt es sich hier nicht.
Der Antragsteller macht mit dem vorliegenden Beschlußverfahren einen von dem weiteren Beteiligten behaupteten, auf ihn durch Abtretung übergegangenen Anspruch gegen die Antragsgegnerin geltend. Dieser ursprüngliche Freistellungsanspruch ist nicht entstanden, weil das Beschlußverfahren, das der weitere Beteiligte gegen die Antragsgegnerin eingeleitet hatte, keine Betriebsratstätigkeit war. Dieses Beschlußverfahren hatte der weitere Beteiligte eingeleitet, um Ersatz für die dem Vorsitzenden durch dessen Lohnklage entstandenen Gerichtskosten zu erlangen. Dabei konnte es sich schon deshalb nicht um Betriebsratstätigkeit i.S. von § 40 Abs. 1 BetrVG handeln, weil bereits die Einleitung des Urteilsverfahrens mit dem Ziel der Durchsetzung seines Lohnanspruchs durch den Vorsitzenden des weiteren Beteiligten keine Betriebsratstätigkeit war. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z.B. BAG 25, 23, 26; 26, 156, 159; BAG Beschluß vom 18. Juni 1974 – 1 ABR 119/73 – AP Nr. 16 zu § 37 BetrVG 1972; Urteil vom 17. September 1974 – 1 AZR 574/73 – AP Nr. 17 zu § 37 BetrVG 1972; Urteil vom 28. Mai 1976 – 1 AZR 116/74 – AP Nr. 24 zu § 37 BetrVG 1972) und ihm folgend des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 21. November 1978 – 6 AZR 247/76 – AP Nr. 34 zu § 37 BetrVG 1972 und vom 19. Juni 1979 – 6 AZR 638/77 – AP Nr. 36 zu § 37 BetrVG 1972), daß die Geltendmachung des Anspruchs auf Lohnfortzahlung keine Betriebsratstätigkeit ist, sondern der Durchsetzung des individuellen Lohnfortzahlungsanspruchs des Betriebsratsmitglieds dient und deshalb auch im Urteilsverfahren geltend zu machen ist. Damit ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Betriebsrat nicht etwa “allein aus prozeßrechtlichen Gründen” gehindert, unmittelbar für das betreffende Betriebsratsmitglied tätig zu werden, sondern der Betriebsrat hat aufgrund des Betriebsverfassungsgesetzes keine Kompetenz, Ansprüche seiner Mitglieder aus deren Arbeitsverhältnissen gegenüber den Arbeitgebern geltend zu machen. Damit ergibt sich zugleich, daß die Einleitung eines Beschlußverfahrens, mit dem die Erstattung von Gerichtskosten für die Durchführung eines solchen Anspruchs begehrt wird, keine Betriebsratstätigkeit ist – gleichgültig, ob das Verfahren mit oder ohne Erfolg gegen den Arbeitgeber beendet wurde. Aus diesem Grunde kann der Betriebsrat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht im Rahmen seiner Aufgaben als Organ der Betriebsverfassung für Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis tätig werden.
Soweit das Landesarbeitsgericht diese Ansicht mit dem Hinweis zu rechtfertigen sucht, die Geltendmachung des Lohnanspruchs durch das betreffende Betriebsratsmitglied sei nur “Ausfluß” seiner durch den Entsendungsbeschluß begründeten tatsächlichen oder vermeintlichen Befugnis, Arbeitszeit zu versäumen und die Schulung zu besuchen, hat es nicht gesehen, daß durch die Teilnahme an einer Schulung aufgrund eines Beschlusses des Betriebsrats nur die Arbeitspflicht beseitigt und durch § 37 Abs. 2 BetrVG ein Lohnanspruch trotz Nichtleistung der Arbeit erhalten wird. Ein solcher Lohnanspruch steht den betreffenden Arbeitnehmern aber nicht wegen der Betriebsratstätigkeit zu, sondern trotz der durch Betriebsratstätigkeit versäumten Arbeitszeit.
Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts läßt sich auch nicht mit den Erwägungen von Otto (Anmerkung zu EzA § 40 BetrVG 1972 Nr. 33) rechtfertigen. Otto meint, daß die Auseinandersetzung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber tatsächlich in ihrem Kern den Streit über die Rechtmäßigkeit der Amtsausübung, d.h. den Entsendungsbeschluß betrifft. Dieser Streit könnte in gleicher Weise mit dem Ziel der Feststellung der Rechtmäßigkeit vor der Entsendung zur Schulung ausgetragen werden. Damit hält Otto die Gegenstände möglicher gerichtlicher Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten des vorliegenden Beschlußverfahrens nicht auseinander. Er hat insbesondere unberücksichtigt gelassen, daß Gegenstand des Ausgangsverfahrens, mit dem die Erstattung von Prozeßkosten verlangt worden ist, ebenfalls nur ein vermeintlicher Kostenerstattungsanspruch war, nicht jedoch die Wirksamkeit des Entsendungsbeschlusses des Betriebsrats. Weder die Tatsache, daß die Berechtigung des Entsendungsbeschlusses als Vorfrage auch im Urteilsverfahren zu prüfen ist, noch der Umstand, daß dessen Wirksamkeit auch in einem vorhergehenden Beschlußverfahren Gegenstand der Auseinandersetzung sein könnte, rechtfertigt es, diese Frage als Kern des Verfahrens über den Ersatz von Gerichtskosten anzusehen.
Schließlich kann auch dem Landesarbeitsgericht nicht darin gefolgt werden, die Auffassung des weiteren Beteiligten sei nicht abwägig, er könne nunmehr wieder im Beschlußverfahren unmittelbar selbst für seinen Vorsitzenden tätig werden und von der Antragsgegnerin die in Rechnung gestellten Gerichtskosten verlangen, womit sich die Einleitung dieses Beschlußverfahrens als Wahrnehmung einer Aufgabe des Betriebsrats darstelle. Mit diesen Überlegungen vertauscht das Landesarbeitsgericht Merkmale der Betriebsratstätigkeit mit den für die Erforderlichkeit einer Betriebsratstätigkeit notwendigen Voraussetzungen. Um Betriebsratstätigkeit handelt es sich nur, wenn der Betriebsrat im Rahmen seiner Kompetenzen tätig wird. Ob der Betriebsrat seine Tätigkeit für erforderlich hält, ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.
2. Die Rechtsbeschwerde hat auch im übrigen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht den mit dem Feststellungsantrag verfolgten weiteren Kostenerstattungsanspruch für begründet gehalten.
a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist auch insoweit die Rechtsbeschwerde zulässig, auch wenn in der Rechtsbeschwerdebegründung zum Feststellungsantrag keine gesonderten Ausführungen enthalten sind. Mit der Rechtsbeschwerde wird jedoch ausdrücklich gerügt, durch die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts werde zu Unrecht das Prozeßrisiko des Urteilsverfahrens, in dem der Vorsitzende des weiteren Beteiligten verurteilt worden sei, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, ohne zureichenden Grund auf die Antragsgegnerin verlagert. Damit greift die Rechtsbeschwerde den Beschluß des Landesarbeitsgerichts auch wegen des Feststellungsausspruchs an, die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die Kosten des vorliegenden Verfahrens zu tragen.
b) Die Rechtsbeschwerde ist aber auch insoweit begründet. Das vom Antragsteller verfolgte Feststellungsbegehren ist bereits vom Arbeitsgericht zutreffend als unzulässig erachtet worden, da es keine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz i.S. von § 2a Abs. 1 ArbGG betrifft.
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, auch insoweit handele es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit, nämlich um die Entscheidung der Frage, ob die Antragsgegnerin aus § 40 BetrVG auch verpflichtet sei, die Kosten des vorliegenden Verfahrens zu tragen. Bedenken könnten insoweit nur hinsichtlich der Beteiligungsbefugnis des Antragstellers bestehen, diese sei jedoch nicht gesondert zu prüfen, sondern ergebe sich vielmehr aus der Antrags- und Beteiligungsbefugnis für den Zahlungsantrag.
Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht gesehen, daß das mit dem Feststellungsantrag verfolgte Begehren einen anderen Streitgegenstand betrifft, also mit dem an den Antragsteller abgetretenen Anspruch nicht identisch ist, so daß insoweit die Verfahrensvoraussetzungen ebenfalls zu prüfen sind.
Der vom Antragsteller verfolgte Feststellungsantrag ist unzulässig, weil dieser keine Befugnis hat, einen ihm durch das vorliegende Beschlußverfahren gegenüber dem weiteren Beteiligten möglicherweise entstehenden Anspruch auf Rechtsanwaltskosten im vorliegenden Verfahren gegenüber der Antragsgegnerin geltend zu machen.
Dazu wäre jedenfalls erforderlich gewesen, Tatsachen vorzutragen, aus denen zu entnehmen ist, daß der weitere Beteiligte auch einen solchen Anspruch an den Antragsteller abgetreten hat sowie daß diesem der Anspruch zusteht. Feststellungen hierzu hat das Landesarbeitsgericht nicht getroffen, sondern nur ausgeführt, es sei nicht einzusehen, warum eine materielle Kostenentscheidung nicht unmittelbar in dem Verfahren getroffen werden könnte, um dessen Kosten es gehe. Mit diesen Erwägungen ist nicht begründbar, daß der Antragsteller eine solche Entscheidung herbeiführen kann. Dies könnte er nur, wenn ihm ein betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch zustünde.
Die Antragsbefugnis des Antragstellers ergibt sich entgegen seiner Auffassung auch nicht etwa daraus, daß ihm – wie er meint – der künftige Kostenerstattungsanspruch mit dem Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten aus dem vorangegangenen Beschlußverfahren ebenfalls abgetreten sei. Abgesehen davon, daß Anhaltspunkte für eine solche Erklärung des weiteren Beteiligten nicht ersichtlich sind, wäre eine solche Abtretung rechtlich nicht möglich, weil mit Abtretung des zugrundeliegenden Kostenerstattungsanspruchs der weitere Beteiligte nicht mehr Inhaber dieser Forderung gegen die Antragsgegnerin ist und ihm deshalb schon aus diesem Grund in bezug auf diesen Anspruch kein weiterer abtretbarer Kostenerstattungsanspruch nach § 40 Abs. 1 BetrVG zustehen kann, der ggf. abgetreten werden könnte. Damit sind auch die Darlegungen des Antragstellers gegenstandslos, daß für die Durchsetzung des an ihn abgetretenen Anspruchs wiederum Rechtsanwaltskosten entstünden, da das Kostenprivileg nach § 40 Abs. 1 BetrVG zwar einem Betriebsrat, nicht aber den Antragsteller zusteht.
Unterschriften
Dr. Auffarth, Dr. Jobs, Dr. Leinemann, Dr. Martin, Hohnheit
Fundstellen