Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage von Produktionsunterlagen
Normenkette
BetrVG § 80 Abs. 2, § 87 Abs. 1 Nrn. 10-11, §§ 90, 106, 111
Verfahrensgang
LAG Berlin (Beschluss vom 28.02.1989; Aktenzeichen 3 TaBV 9/88) |
ArbG Berlin (Beschluss vom 24.10.1988; Aktenzeichen 27 BV 37/88) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 28. Februar 1989 – 3 TaBV 9/89 – aufgehoben.
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Oktober 1988 – 27 BV 37/88 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob der Arbeitgeber dem Betriebsrat Produktionszettel zum Zwecke der Information zur Verfügung stellen muß.
Der Arbeitgeber betreibt ein Unternehmen der Pralinenherstellung und produziert ca. 100 verschiedene Artikel. Er läßt jeden Produktionsauftrag in einem sog. Produktionszettel erfassen, in dem der Produktionsablauf für einen bestimmten Auftrag festgehalten wird. Dieser Produktionszettel enthält die Rubriken Auftrags-Nr., Artikel-Nr., Bezeichnung, Spezifikation, Soll-Menge, Produktions-Termin, Kostenstelle, Rüstzeit, Produktions-Beginn, Produktions-Ende, Pausenzeiten, Störzeiten, Anzahl Mitarbeiter Gruppe A/B, Anzahl Mitarbeiter Gruppe C/D, Bemerkung, Ist-Menge, Produktions-Code, Gruppen-Leiter/in, Endverpackung durch. Ferner sind dort Angaben zu Gewicht, Sensorik, Optik und Verpackung vorgesehen.
Antragsteller ist der im Betrieb des Arbeitgebers gebildete Betriebsrat. Er teilte mit Schreiben vom 22. April 1988 und vom 5. Mai 1988 dem Arbeitgeber mit, er stelle Überlegungen an, ob es sinnvoll sei, das gegenwärtige Zeitlohnsystem in ein Prämienlohnsystem zu ändern und bat hierzu u. a. um die Überlassung der „Produktions-Aufträge” für das gesamte Jahr 1987 und das erste Quartal 1988. Das lehnte der Arbeitgeber mit der Begründung ab, er sehe dafür keine Veranlassung. Der Betriebsrat hat daraufhin das vorliegende Verfahren anhängig gemacht.
Er ist der Auffassung, er benötige die Produktionszettel zur Information darüber, ob es Möglichkeiten für eine sinnvolle Umgestaltung des Lohnsystems beim Arbeitgeber gebe. Das bisher angewandte Zeitlohnsystem werde der nach Einschätzung des Betriebsrats in den letzten Jahren erfolgten Leistungsverdichtung in der Produktion nicht gerecht. Eine mögliche Entlohnungsform sei ein leistungsbezogener Prämienlohn. Dazu seien aber konkrete Zahlen und Unterlagen über die Produktion bezogen auf die einzelnen Produkte und die einzelnen Arbeitnehmer erforderlich, um Alternativen durchrechnen und eventuell ein tragfähiges System von Entlohnungsgrundsätzen entwickeln zu können. Hinsichtlich des zeitlichen Umfangs der Information sei zu berücksichtigen, daß es im Betrieb des Arbeitgebers im Jahresverlauf drei Produktionsphasen mit unterschiedlich starker Auslastung gebe (Produktion für das Oster- und Weihnachtsgeschäft mit jeweils hoher Produktionsdichte, dazwischen eine Phase geringerer Produktionsdichte). Die Produktionszettel für das erste Quartal 1988 sollen einen Vergleich der Osterproduktion 1987 mit der des Jahres 1988 ermöglichen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Arbeitgeber zu verpflichten, ihm die zwischen dem 1. Januar 1987 und dem 31. März 1988 bei jeder Produktion erstellten Produktionszettel zur Verfügung zu stellen.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er sieht in dem vorliegenden Verfahren den Versuch des Betriebsrats, Informationen über den Betrieb zu erhalten, die ihm im Rahmen der „wirtschaftlichen Mitbestimmung” durch die rechtskräftige Untersagung der Errichtung eines Wirtschaftsausschusses verwehrt seien. Zwar könne der Betriebsrat die Einführung eines Leistungslohnsystems verlangen, dazu seien aber Unterlagen über die gesamte Jahresproduktion nicht erforderlich. Der Betriebsrat, dem die Produktionsabläufe im Betrieb bestens bekannt seien, müsse zunächst angeben, an welche Leistungsfaktoren er ein neues Lohnsystem knüpfen wolle und weshalb er glaube, durch ein leistungsabhängiges Lohnsystem mehr Lohngerechtigkeit zu erreichen. Er, der Arbeitgeber, habe ein Interesse daran, Produktionsdaten über seine gesamte Produktpalette als Betriebsgeheimnis zu schützen.
Das Arbeitgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Auf die Beschwerde des Arbeitgebers hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Antrag abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Arbeitgeber beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet. Der Betriebsrat hat einen Anspruch darauf, daß ihm die Produktionszettel zur Verfügung gestellt werden.
1. Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Diese Verpflichtung besteht nicht erst dann, wenn feststeht, daß sich für den Betriebsrat bestimmte Aufgaben schon ergeben haben. Die vom Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 BetrVG geschuldete Unterrichtung des Betriebsrats – auch durch das Überlassen der erforderlichen Unterlagen – soll den Betriebsrat in die Lage versetzen, in eigener Verantwortung selbst zu prüfen, ob sich für ihn Aufgaben ergeben und ob er zur Wahrnehmung dieser Aufgaben tätig werden soll. Das hat der Senat wiederholt entschieden und im einzelnen begründet (vgl. zuletzt Beschlüsse des Senats vom 17. März 1987, BAGE 54, 278 = AP Nr. 29 zu § 80 BetrVG 1972 und vom 26. Januar 1988 – 1 ABR 34/86 – AP Nr. 31 zu § 80 BetrVG 1972) und daran in den Entscheidungen vom 31. Januar 1989 (– 1 ABR 72/87 – AP Nr. 33 zu § 80 BetrVG 1972) und vom 27. Juni 1989 (– 1 ABR 19/88 – AP Nr. 37 zu § 80 BetrVG 1972) festgehalten.
a) Insbesondere zur Wahrnehmung seiner gesetzlich normierten Mitbestimmungsrechte hat der Betriebsrat schon dann einen Anspruch darauf, daß ihm Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, wenn erst die Prüfung dieser Unterlagen ergeben kann, ob er aus eigener Initiative zur Erfüllung eben dieser Aufgaben tätig werden soll oder kann, sofern nur wahrscheinlich ist, daß die geforderten Unterlagen eine solche Prüfung überhaupt ermöglichen (Beschluß des Senats vom 27. Juni 1989, aaO).
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung. Zur „betrieblichen Lohngestaltung” gehören auch die Grundsätze des Lohnsystems, insbesondere die Frage, ob im Zeit- oder Leistungslohn gearbeitet werden soll (Urteil des Senats vom 17. Dezember 1968 – 1 AZR 178/68 – AP Nr. 27 zu § 56 BetrVG mit zustimmender Anmerkung Gaul; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 16. Aufl., § 87 Rz 129; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 87 Rz 501; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 87 Rz 647; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 87 Rz 421). Darüber hinaus hat der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG mitzubestimmen bei der Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze. Die Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG beinhalten auch das Recht des Betriebsrats, zur Herbeiführung einer entsprechenden Regelung initiativ zu werden (vgl. Beschluß des Senats vom 30. Januar 1990 – 1 ABR 2/89 – und vom 28. November 1989 – 1 ABR 97/88 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils mit weiteren Nachweisen; Wiese, aaO, § 87 Rz 682 ff. und Rz 729 ff., mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Zur Prüfung der Frage, ob er statt der bisher praktizierten Zeitentlohnung eine leistungsbezogene Entlohnung anstreben und wie ein solches Leistungslohnsystem im einzelnen ausgestaltet sein soll, benötigt der Betriebsrat insbesondere Informationen darüber, welche Leistungen hinsichtlich Menge und Qualität der Produkte die einzelnen Arbeitnehmer in einem bestimmten Zeitraum erbringen (können). Diese Informationen lassen sich den für jeden Produktionsauftrag erstellten Produktionszetteln entnehmen, da sich aus den dortigen Angaben rekonstruieren läßt, wie viele Arbeitnehmer in welcher Zeit welche Produkte in welcher Menge und Qualität fertigen. Deshalb ist es im Sinne der Rechtsprechung des Senats wahrscheinlich, daß die geforderten Unterlagen die Prüfung ermöglichen, ob und welche neuen Entlohnungsgrundsätze und -methoden der Betriebsrat anstreben soll.
b) Soweit das Landesarbeitsgericht meint, die Prüfung der Frage, ob der Betriebsrat von einem Initiativrecht Gebrauch machen soll, sei keine „Durchführung” von Aufgaben des Betriebsrats, verkennt es, daß Aufgabe im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG auch die Geltendmachung eines Mitbestimmungsrechts in Form der Ausübung eines Initiativrechts ist. Von einem Initiativrecht wird aber nicht erst Gebrauch gemacht, wenn es geltend gemacht wird, sondern schon dann, wenn der Betriebsrat Überlegungen anstellt, ob und wie er ein Initiativrecht ausüben soll. Anderenfalls wäre der Betriebsrat gezwungen, ein Initiativrecht „ins Blaue hinein” auszuüben und nach einem unter Umständen langwierigen Einigungs(-stellen)verfahren seine Initiative zurückziehen, wenn sich im Laufe des Einigungs(-stellen)verfahrens aufgrund der nunmehrigen Information des Arbeitgebers herausstellt, daß seine Initiative nicht durchführbar oder unzweckmäßig ist. Das entspräche weder dem Sinne des § 80 Abs. 2 BetrVG, der durch die rechtzeitige und umfassende Information des Betriebsrats auch dem innerbetrieblichen Rechtsfrieden und der Vermeidung von Verfahren dient (Beschluß des Senats vom 10. Februar 1987 – 1 ABR 43/84 – AP Nr. 27 zu § 80 BetrVG 1972; von Hoyningen-Huene, Anmerkung zu BAG AP Nr. 19 zu § 80 BetrVG 1972, unter 3), noch dem Zweck der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung. Mitbestimmung bedeutet gleiche Rechte für die Betriebspartner mit der Folge, daß nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch der Betriebsrat eine Initiative für eine erstrebte Regelung ergreifen und zu deren Herbeiführung erforderlichenfalls die Einigungsstelle anrufen kann (Beschlüsse des Senats vom 8. August 1989 – 1 ABR 62/88 – und vom 30. Januar 1990 – 1 ABR 2/89 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen, jeweils mit weiteren Nachweisen). Eine gleichberechtigte Teilhabe des Betriebsrats in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten besteht aber nur, wenn er ebenso wie der Arbeitgeber über die Informationen verfügt, die erforderlich sind, um ein Initiativrecht sinnvoll, d. h. mit dem Ziel einer bestimmten Regelung ausüben zu können.
2. Begehrt der Betriebsrat die Vorlage einer Vielzahl gleichartiger Unterlagen, so muß die Vorlage auch dem verlangten Umfang nach „alle Produktionszettel für die Produktion in der Zeit vom 1. Januar 1987 bis 31. März 1988” nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sein. Der Aufgabenbezug begrenzt Inhalt und Umfang des Informationsrechts (Dietz/Richardi, aaO, § 80 Rz 35; Kort, Datenverarbeitung und Informationsrecht des Betriebsrats, CR 1988, 220). Reicht ein bestimmtes Maß von an sich erforderlichen Unterlagen zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats aus, so ist ein darüber hinausgehender Umfang nicht mehr erforderlich im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Dem Betriebsrat ist jedoch in bezug auf die Erforderlichkeit des Umfangs der begehrten Unterlagen ein Einschätzungsspielraum zuzubilligen, da es ein abstrakt-generelles Maß der quantitativen Erforderlichkeit von Informationen nicht gibt. Erst wenn die ihrer Art nach zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlichen Unterlagen in dem vom Betriebsrat konkret begehrten Umfang offensichtlich nicht erforderlich sind, kann der Arbeitgeber den Umfang der zur Verfügung zu stellenden Unterlagen entsprechend beschränken.
Danach ist der Umfang der vom Betriebsrat zur Vorlage begehrten Produktionszettel nicht zu beanstanden.
a) Entgegen der Auffassung des Arbeitgebers ist der Betriebsrat nicht darauf beschänkt, seine Überlegungen zunächst exemplarisch an einem Produkt zu entwickeln. Der Betriebsrat kann vielmehr die Produktionszettel für die gesamte Produktpalette verlangen, da er für die Wahrnehmung seines Mitbestimmungs- und Initiativrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG die in den Produktionszetteln enthaltenen Informationen für alle im Betrieb des Arbeitgebers hergestellten Produkte benötigt. Etwas anderes könnte allenfalls nur dann gelten, wenn der Produktionsablauf bei allen Produkten identisch wäre. Dafür hat der Arbeitgeber nichts vorgetragen.
b) Auch der Zeitraum, für den der Betriebsrat die Vorlage der Produktionszettel begehrt, ist nicht zu lang bemessen. Angesichts der saisonalen Schwankungen in der Produktion ist es nicht zu beanstanden, wenn der Betriebsrat eine gesamte Jahresproduktion und – als Vergleichsgrundlage – eine bestimmte Produktionsphase in zwei aufeinanderfolgenden Jahren als Informationsgrundlage für seine Überlegungen zur Einführung neuer Entlohnungsgrundsätze und -methoden wählt. Anhaltspunkte dafür, daß der Betriebsrat mit der Überlassung der Produktionszettel für einen kürzeren Zeitraum seine Aufgabe in demselben Maße durchführen könnte, sind weder offensichtlich noch vom Arbeitgeber dargelegt.
3. Das Mitbestimmungs- und Initiativrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG wird auch nicht entsprechend dem Eingangssatz des § 87 Abs. 1 BetrVG durch eine bestehende tarifliche Regelung ausgeschlossen.
Für den Bereich der Süßwarenindustrie in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) enthalten zwar die Manteltarifverträge vom 20. Juni 1983 (in Kraft seit 1. Januar 1983) und vom 22. August 1989 (in Kraft seit 1. Juni 1989) jeweils in § 7 Bestimmungen über die Entlohnung der Arbeitnehmer. Die notwendige Mitbestimmung des Betriebsrats wird durch eine tarifliche Regelung jedoch nur dann ausgeschlossen, wenn diese eine Angelegenheit im Sinne des § 87 BetrVG inhaltlich abschließend und zwingend regelt (Beschluß des Senats vom 18. April 1989 – 1 ABR 100/87 – AP Nr. 18 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt und vom 4. Juli 1989 – 1 ABR 40/88 –, zur Veröffentlichung bestimmt, jeweils mit weiteren Nachweisen). § 7 der Bundesmanteltarifverträge für die Süßwarenindustrie normiert aber nur Grundsätze für einen Akkord- und Prämienlohn, ohne eine bestimmte Form der Entlohnung und ihre weitere Ausgestaltung vorzuschreiben. Außerdem bestimmt § 7 Ziffer 2 Satz 2 der genannten Tarifverträge ausdrücklich, daß „insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen für Zeitlohn, Akkordlohn oder Prämienlohn sowie die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden einschließlich deren Änderung im Einvernehmen mit dem Betriebsrat geschieht”. Das schließt die Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und 11 BetrVG nicht aus (Beschluß des Senats vom 22. Dezember 1981, BAGE 37, 255, 263 = AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu B III 2 c der Gründe, und vom 16. Dezember 1986, BAGE 54, 46, 54 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, zu B I 2 der Gründe; vgl. auch Urteil des Senats vom 14. Februar 1989 – 1 AZR 97/88 – AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Akkord).
4. Der Anspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG wird nicht dadurch beschränkt, daß die Produktionszettel nach Meinung des Arbeitgebers Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse enthalten. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, eine Information, auf die der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG Anspruch hat, mit der Begründung zu verweigern, sie stelle ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis dar, da § 80 Abs. 2 BetrVG eine solche Einschränkung – anders als § 106 Abs. 2 BetrVG – nicht enthält und die Betriebsratsmitglieder nach § 79 BetrVG verpflichtet sind, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum Betriebsrat bekannt geworden und vom Arbeitgeber ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht zu offenbaren und zu verwerten (Beschluß des Senats vom 21. Januar 1989 – 1 ABR 72/87 – AP Nr. 33 zu § 80 BetrVG 1972; Kraft, GK-BetrVG, § 80 Rz 69; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 80 Rz 36; Dietz/Richardi, aaO, § 80 Rz 40; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 80 Rz 32; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aa0, § 80 Rz 31; Stege/Weinspach, BetrVG, 6. Aufl., § 80 Rz 9 c; Kraft, Der Informationsanspruch des Betriebsrats, ZfA 1983, 171, 191).
a) Der Anspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG entfällt nicht deshalb, weil im Betrieb des Arbeitsgebers mangels entsprechender Beschäftigtenzahl ein Wirtschaftsausschuß nicht errichtet werden kann. Informationen über wirtschaftliche Angelegenheiten schuldet der Arbeitgeber nicht nur dem Wirtschaftsausschuß, sondern auch dem Betriebsrat, soweit dieser nach den übrigen Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes einen Anspruch auf Unterrichtung hat.
So hat nach § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten, auch wenn kein Wirtschaftsausschuß zu errichten ist. Damit hat der Arbeitgeber den Betriebsrat auch über eine Vielzahl der in § 106 Abs. 3 BetrVG genannten wirtschaftlichen Angelegenheiten zu unterrichten. Ebenso hat der Betriebsrat nach § 90 Abs. 1 BetrVG Anspruch auf Unterrichtung über Gegenstände, die wirtschaftliche Angelegenheiten im Sinne von § 106 Abs. 3 BetrVG sein können.
b) Darüber hinaus enthält das Betriebsverfassungsgesetz keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß § 106 BetrVG den allgemeinen Informationsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG einschränken soll. Die Informationsansprüche nach § 106 Abs. 2 BetrVG und § 80 Abs. 2 BetrVG stehen nebeneinander (ebenso Fabricius, GK-BetrVG, § 106 Rz 76). Inhaber des Anspruchs auf Information nach § 106 Abs. 2 BetrVG ist der Wirtschaftsausschuß, während § 80 Abs. 2 BetrVG den Informationsanspruch des Betriebsrats regelt, ein Konkurrenzverhältnis zwischen beiden Vorschriften kann deshalb gar nicht entstehen. Außerdem sollen durch § 106 BetrVG die Informationsmöglichkeiten des Betriebsrats verstärkt und nicht eingeschränkt werden, wie sich aus § 106 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ergibt, wonach der Wirtschaftsausschuß u. a. die Aufgabe hat, den Betriebsrat zu unterrichten.
Damit erweist sich die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats als begründet, so daß die Entscheidung des Arbeitsgerichts wiederherzustellen war.
Unterschriften
Matthes, Dr. Weller, Bitter, Dr. Schmidt, H. Paschen
Fundstellen