Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Sonntagsverkauf mit Führungskräften
Leitsatz (amtlich)
- Werden anläßlich eines Sonntagsverkaufs Arbeitnehmer für lediglich einen Tag im Betrieb beschäftigt, so hat der Betriebsrat bei der Festlegung von Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit mitzubestimmen. Das gilt auch dann, wenn es sich um Arbeitnehmer handelt, die aus anderen Betrieben desselben Arbeitgebers herangezogen werden.
- Hingegen bedeutet ein Sonntagsverkauf in dieser Form keine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
- Wird ein Arbeitnehmer in mehreren Betrieben desselben Unternehmens eingesetzt, so kann die Frage, ob er leitender Angestellter i.S.v. § 5 Abs. 3 BetrVG ist, nur einheitlich für alle Betriebe des Unternehmens beantwortet werden (im Anschluß an BAGE 63, 200 = AP Nr. 42 zu § 5 BetrVG 1972).
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 5 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 BetrVG mitzubestimmen hat, wenn die Arbeitgeberin einen Sonntagsverkauf veranstaltet und hierzu ausschließlich Beschäftigte anderer Betriebe heranzieht.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Möbelhandelsunternehmen und unterhält in verschiedenen Städten Verkaufshäuser. Im Möbelhaus Pforzheim beschäftigt sie etwa 50 Arbeitnehmer. Sie beabsichtigte, dieses Verkaufshaus anläßlich eines Stadtfestes am Sonntag, dem 9. Juli 1995, von 13.00 bis 18.00 Uhr zu öffnen. Auf ihre entsprechende Anfrage vom 19. Juni 1995 teilte ihr der Pforzheimer Betriebsrat jedoch durch Schreiben vom 20. Juni 1995 mit, er stimme einer Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit zu diesem Zweck nicht zu. Das Ladenschlußgesetz erlaube die vorgesehene Sonntagsöffnung nicht. Außerdem sollten die Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, sich am Stadtfest zu beteiligen.
Dennoch öffnete die Arbeitgeberin das Möbelhaus am fraglichen Sonntag wie vorgesehen. Sie setzte im Verkauf und an den Kassen Verkaufsstellenleiter und Gebietsverkaufsleiter aus anderen Betrieben des Unternehmens ein. Den Betriebsrat unterrichtete sie zwar hierüber, holte aber nicht seine Zustimmung ein. Die Einigungsstelle wurde nicht angerufen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Maßnahme der Arbeitgeberin hätte seiner Mitbestimmung bedurft. Sie habe sowohl die vorübergehende Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) als auch die Festlegung von Beginn und Ende der Arbeitszeit (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) zum Gegenstand gehabt. Die betroffenen Arbeitnehmer hätten während ihres Einsatzes im Möbelhaus Pforzheim zu dessen Belegschaft gehört. Sie stünden auch nicht etwa als leitende Angestellte außerhalb seiner Zuständigkeit. Das ergebe sich schon daraus, daß sie während des Sonntagsverkaufs keine leitenden, sondern nur untergeordnete Tätigkeiten ausgeübt hätten. Sollten die Voraussetzungen der genannten Vorschriften nicht erfüllt sein, so liege eine Umgehung vor, die das Mitbestimmungsrecht nicht beseitigen könne. Mit ihrem Verhalten habe die Arbeitgeberin grob gegen ihre betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten verstoßen. Es bestehe die Gefahr erneuter Verletzungen des Mitbestimmungsrechts, da der Pforzheimer Einzelhandel auch für künftige Stadtfeste die Zulassung des Sonntagsverkaufs anstrebe.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- der Arbeitgeberin aufzugeben, die Beschäftigung von MitarbeiterInnen im Verkauf und an den Kassen an Sonntagen zu unterlassen, soweit eine Zustimmung des Betriebsrats oder ein Spruch der Einigungsstelle nicht vorliegt,
- für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld festzusetzen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag des Betriebsrats abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung hatte der Betriebsrat nicht mitzubestimmen. Die Arbeitszeit der von ihm vertretenen Belegschaft des Möbelhauses Pforzheim werde durch den Einsatz von Beschäftigten anderer Betriebe nicht betroffen. Schon deshalb könne auch keine Umgehung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 oder 3 BetrVG vorliegen. Außerdem handele es sich bei den Verkaufsstellenleitern und Gebietsverkaufsleitern ausnahmslos um leitende Angestellte i.S. des § 5 Abs. 3 BetrVG; als solche hätten sie auch an der Aufsichtsratswahl 1994 teilgenommen. Sie hätten den Status als leitende Angestellte nicht etwa dadurch verloren, daß sie während des Sonntagsverkaufs keine leitende Tätigkeit ausgeübt hätten. Selbst wenn hier dennoch ein Mitbestimmungsrecht bestanden haben sollte, so läge in dessen Verletzung angesichts der unklaren Rechtslage kein grober Verstoß. Schließlich fehle auch die Wiederholungsgefahr, da es im Möbelhaus Pforzheim niemals vorher oder nachher einen Sonntagsverkauf gegeben habe.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen und den Beschluß des Arbeitsgerichts klarstellend auf den Einsatz von Arbeitnehmern aus anderen Betrieben sowie auf die bloße Androhung eines Ordnungsgeldes beschränkt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
B. Auf die Rechtsbeschwerde ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Die Begründung, mit der das Landesarbeitsgericht die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen hat, erweist sich als nicht tragfähig. Ob dem Betriebsrat das beanspruchte Mitbestimmungsrecht zusteht, kann der Senat indessen nicht abschließend entscheiden. Hierzu bedarf es noch weiterer Sachaufklärung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat den Unterlassungsanspruch des Betriebsrats mit der Begründung bejaht, er folge aus der Verletzung seines Mitbestimmungsrechts und daraus, daß sich die Arbeitgeberin weiterhin des Rechts berühme, einseitig entsprechende Maßnahmen treffen zu können. Zwar habe der Betriebsrat nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitzubestimmen gehabt, da die Arbeitszeit der Pforzheimer Stammbelegschaft nicht verändert worden sei. Sein Mitbestimmungsrecht ergebe sich aber aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, da Beginn und Ende der Arbeitszeit am fraglichen Sonntag festzulegen waren. Die betroffenen Arbeitnehmer seien während ihres Einsatzes im Möbelhaus Pforzheim Teil der dortigen Belegschaft gewesen. Das Mitbestimmungsrecht werde nicht etwa dadurch ausgeschlossen, daß sie möglicherweise in ihren Stammbetrieben leitende Angestellte seien. Entscheidend sei, daß sie jedenfalls im Pforzheimer Betrieb keinerlei leitende Funktionen ausgeübt hätten.
II. Dieser Begründung folgt der Senat im Ansatz, nicht aber in der Anwendung auf die betroffenen Arbeitnehmer.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht allerdings ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG verneint.
a) Eine Vermehrung des betrieblichen Arbeitszeitvolumens, wie sie hier durch zusätzlichen Personaleinsatz am Sonntag vorgenommen worden ist, bedeutet nicht zwangsläufig eine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Die Vorschrift setzt vielmehr voraus, daß Arbeitnehmer betroffen sind, für welche bereits vorher im Betrieb eine übliche Arbeitszeit bestand, die sich durch die streitige Maßnahme verlängert. So fällt z.B. die vorübergehende Einführung einer zusätzlichen Schicht, in der ausschließlich zu diesem Zweck eingestellte Aushilfskräfte eingesetzt werden, nicht unter § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Das ergibt sich daraus, daß das Gesetz mit dem Begriff der betriebsüblichen Arbeitszeit auf die jeweils für bestimmte Arbeitsplätze und Arbeitnehmergruppen geltenden Arbeitszeiten abstellt, also in einem Betrieb mehrere betriebsübliche Arbeitszeiten bestehen können (Senatsbeschlüsse vom 16. Juli 1991 – 1 ABR 69/90 – AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 1a der Gründe; vom 23. Juli 1996 – 1 ABR 13/96 – AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 1 der Gründe).
Dieses Verständnis entspricht dem Zweck des Mitbestimmungsrechts, soweit es darum geht, die Arbeitnehmer vor zusätzlicher zeitlicher Beanspruchung zu schützen. Allerdings dient die Mitbestimmung darüber hinaus auch der Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Belegschaft, denn sie erfaßt auch die Entscheidung darüber, welche Arbeitnehmer zur Leistung der vorgesehenen Überstunden herangezogen werden, und in welchem Umfang das jeweils geschehen soll (Senatsbeschluß vom 23. Juli 1996 – 1 ABR 13/96 – aaO, zu B II 2 der Gründe). Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG solle auch ein mögliches Interesse der Stammbelegschaft daran schützen, daß ihr eine Vergrößerung des betrieblichen Arbeitszeitvolumens uneingeschränkt zugute kommt und nicht durch Einstellungen geschmälert wird. Dem Schutz der Belegschaft vor einer Beeinträchtigung derjenigen Belange, die sich aus der Eingliederung neuer Arbeitnehmer in den Betrieb ergeben, dient nämlich speziell das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Derselbe Sachverhalt kann nicht zugleich auch nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mitbestimmungspflichtig sein, da sich dieses Mitbestimmungsrecht von demjenigen nach § 99 BetrVG sowohl hinsichtlich der Ausübung als auch hinsichtlich der Konfliktlösung grundlegend unterscheidet.
b) Nach dem dargestellten Maßstab liegt hier keine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vor. Da es ausschließlich um den Einsatz bisher Betriebsfremder geht, ist die Arbeitszeit der Stammbelegschaft durch den Sonntagsverkauf nicht betroffen. Auch die Arbeitszeit der eingesetzten Arbeitnehmer wird, bezogen auf den Pforzheimer Betrieb, nicht verändert. Sie ist nämlich insoweit gerade durch die Dauer dieses Einsatzes als “betriebsüblich” festgelegt. Da das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG betriebsbezogen ist, kann es für die Entscheidung darüber, ob der Betriebsrat des Möbelhauses Pforzheim nach dieser Vorschrift mitzubestimmen hat, auf die regelmäßige Arbeitszeit der betroffenen Arbeitnehmer in ihrem jeweiligen Stammbetrieb nicht ankommen.
c) Entgegen der Auffassung des Betriebsrats hat die Arbeitgeberin auch nicht etwa dessen Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG umgangen. Eine Gesetzesumgehung liegt nur dann vor, wenn der Zweck einer zwingenden Rechtsnorm dadurch vereitelt wird, daß andere rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten mißbräuchlich verwendet werden (BAGE 10, 65, 70 = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C 1 der Gründe). Der verbotene Erfolg soll nicht dadurch erreicht werden können, daß ein scheinbar nicht von der Verbotsnorm gesperrter Weg beschritten wird. Darum geht es im vorliegenden Fall aber nicht. Wie vorstehend ausgeführt, hat die Arbeitgeberin die betriebsübliche Arbeitszeit der vom beteiligten Betriebsrat vertretenen Arbeitnehmer nicht verlängert und damit keinen Erfolg herbeigeführt, der Gegenstand des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist. Zu Unrecht beruft sich der Betriebsrat in diesem Zusammenhang auf den Senatsbeschluß vom 22. Oktober 1991 (BAGE 68, 344, 350 f. = AP Nr. 48 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 2c der Gründe). Im damaligen Fall hatte die Arbeitgeberin durch Zwischenschaltung einer arbeitnehmerlosen GmbH erreichen wollen, daß Angehörige der vom Betriebsrat vertretenen Belegschaft ohne dessen Mitbestimmung länger arbeiteten.
2. Ob der Betriebsrat, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit am fraglichen Sonntag mitzubestimmen hatte, kann noch nicht abschließend entschieden werden. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht allerdings davon ausgegangen, daß hier eine mitbestimmungspflichtige Regelung der Arbeitszeit nur bezüglich der zum Sonntagsverkauf herangezogenen Aushilfskräfte in Betracht kommt. Die Arbeitszeit der Stammbelegschaft ist nicht betroffen. Zur Entscheidung über das Mitbestimmungsrecht bedarf es indessen noch der Klärung, ob es sich bei den eingesetzten Arbeitnehmern ausschließlich um leitende Angestellte handelte.
a) Das Landesarbeitsgericht hat richtig erkannt, daß der Sonntagsverkauf, der von diesen Arbeitnehmern zu leisten ist, für sich allein Arbeitszeit i.S. des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darstellen kann. Auch diese Regelung geht davon aus, daß in einem Betrieb verschiedene Arbeitszeiten nebeneinander bestehen können. Die Beteiligung des Betriebsrats soll das Interesse der Arbeitnehmer daran schützen, daß Einteilung und Lage des jeweils geschuldeten Arbeitszeitvolumens eine sinnvolle Gestaltung der Freizeit erlauben (zuletzt Senatsbeschluß vom 23. Juli 1996 – 1 ABR 17/96 – AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes, zu B II 2b bb der Gründe). So hat der Senat mehrfach entschieden, daß der Betriebsrat auch bei der Regelung der Arbeitszeit Teilzeitbeschäftigter mitzubestimmen hat (z.B. BAGE 56, 197, 210 = AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 1 der Gründe).
Können in einem Betrieb mehrere mitbestimmungspflichtige Arbeitszeiten nebeneinander bestehen, so wird auch die Lage einer neu eingeführten Sonntagsarbeit von § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG erfaßt. Hier ist zwar die Besonderheit zu berücksichtigen, daß die Sonntagsarbeit nur vorübergehend geleistet wird. Das steht indessen dem Mitbestimmungsrecht nicht entgegen. Aus dem in der Vorschrift verwendeten Begriff der “täglichen Arbeitszeit” kann nicht geschlossen werden, das Mitbestimmungsrecht bestehe nur bei einer Festlegung, die für mehr als einen Tag gilt. Die Formulierung dient vielmehr nur der Abgrenzung zu der mitbestimmungsfreien (BAGE 56, 197, 210 f. = AP Nr. 24 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B II 2 der Gründe) Festlegung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Das ergibt sich auch aus dem dargestellten Schutzzweck der Vorschrift, der eine Unterscheidung zwischen kurzzeitigen und längeren Arbeitsverhältnissen nicht zuläßt.
b) Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin wird das Mitbestimmungsrecht des beteiligten Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Möbelhaus Pforzheim nicht der Stammbetrieb der im Sonntagsverkauf eingesetzten Arbeitnehmer ist. Der Pforzheimer Betriebsrat repräsentiert nicht nur die Stammbelegschaft, sondern alle Arbeitnehmer des Arbeitgebers, die dem dortigen Betrieb – und sei es auch nur vorübergehend – angehören. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
Die betroffenen Arbeitnehmer stehen in Arbeitsverhältnissen zur Arbeitgeberin, der M… GmbH. Sie gehörten während ihres Einsatzes in Pforzheim auch zur Belegschaft des dortigen Betriebs, denn sie waren in ihn eingegliedert. Sie wurden von der Arbeitgeberin innerhalb der betrieblichen Organisation des Pforzheimer Möbelhauses als Arbeitnehmer eingesetzt. Daß die dortige Tätigkeit nur von begrenzter Dauer war, steht der Betriebszugehörigkeit nicht entgegen. Auch Personen, mit denen ein Arbeitsverhältnis nur für eine kurzzeitige Beschäftigung eingegangen wird, sind während dieser Zeit Betriebsangehörige im Sinne des Betriebsverfassungsrechts (vgl. z.B. zum Wahlrecht Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 7 Rz 12). Es ist nicht ersichtlich, warum das bei Arbeitnehmern, die sonst in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers beschäftigt sind, anders sein sollte. Die in den jeweiligen Stammbetrieben dieser Arbeitnehmer bestehenden Betriebsräte könnten die für den Sonntagsverkauf in Pforzheim maßgebliche Arbeitszeit, um die es vorliegend geht, nicht regeln. Es wäre aber zweckwidrig, wenn der vorübergehende Einsatz eines Arbeitnehmers in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers dazu führen würde, daß für die Arbeitszeit dieses Arbeitnehmers das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG entfiele, obwohl im Einsatzbetrieb ein Betriebsrat besteht.
c) Der Betriebsrat hatte indessen nicht mitzubestimmen, falls es sich bei den zum Sonntagsverkauf herangezogenen Arbeitnehmern ausschließlich um leitende Angestellte gehandelt haben sollte. Sie waren dann nach § 5 Abs. 3 BetrVG keine Arbeitnehmer i.S. dieses Gesetzes. Ob das der Fall war, wie die Arbeitgeberin vorgetragen hat, bedarf noch der Aufklärung. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts kann diese Frage nicht etwa deshalb offenbleiben, weil die Betroffenen beim Sonntagsverkauf im Möbelhaus Pforzheim nur untergeordnete Tätigkeiten ausgeübt haben.
aa) Die Frage, ob die im Sonntagsverkauf eingesetzten Arbeitnehmer leitende Angestellte waren, ist entscheidungserheblich. Da es hier allein um die Festlegung ihrer Arbeitszeit geht, ist das Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen, wenn ihnen nach § 5 Abs. 3 BetrVG die betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft fehlt. Dem steht nicht der Umstand entgegen, daß ihr Einsatz im Sonntagsverkauf die Interessen der Pforzheimer Stammbelegschaft und damit von Arbeitnehmern i.S.v. § 5 BetrVG berühren kann. Daraus ergibt sich kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG, sondern allenfalls ein Zustimmungsverweigerungsrecht nach § 99 BetrVG (siehe oben 1a), das hier jedoch nicht im Streit ist.
Entgegen der Auffassung des Betriebsrats spielt insoweit auch der Gesichtspunkt einer möglichen Umgehung seines Mitbestimmungsrechts keine Rolle. Hat die Arbeitgeberin ausschließlich leitende Angestellte eingesetzt, so ist durch diese Maßnahme die Arbeitszeit von Arbeitnehmern, die durch den Betriebsrat repräsentiert werden, nicht betroffen (vgl. oben 1c).
bb) Gehört ein Angestellter mehreren Betrieben desselben Unternehmens (Arbeitgebers) an, so ist die Frage, ob er leitender Angestellter i.S. des § 5 Abs. 3 BetrVG ist, für alle diese Betriebe einheitlich zu beantworten. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Siebten Senats, nach der die Vorschrift auf die Position des Angestellten im Unternehmen abstellt (BAGE 63, 200, 204 f. = AP Nr. 42 zu § 5 BetrVG 1972, zu II 4 der Gründe). Die Regelung nimmt diejenigen Angestellten vom persönlichen Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes aus, die nach ihrem Arbeitsvertrag typische Unternehmeraufgaben mit erheblichem eigenem Entscheidungsspielraum wahrnehmen und deshalb im Rahmen des Interessengegensatzes zwischen dem Arbeitgeber und der vom Betriebsrat repräsentierten Belegschaft auf der Seite des Arbeitgebers stehen. Ob ein Angestellter in diesem Sinne Unternehmerfunktionen wahrnimmt, läßt sich nur aufgrund einer Gesamtwürdigung seiner arbeitsvertraglichen Tätigkeit innerhalb des Unternehmens beurteilen. Auf die im arbeitsrechtlichen Schrifttum umstrittene Frage, inwieweit Leitungsfunktionen, die lediglich auf einen Betrieb und nicht auf das gesamte Unternehmen bezogen sind, den Status als leitender Angestellter begründen können (so z.B. Stege/Weinspach, BetrVG, 7. Aufl., § 5 Rz 9e und 16; dagegen die wohl herrschende Meinung, z.B. Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 5 Rz 137), kommt es hier nicht an. Diese Streitfrage betrifft lediglich das Maß der Anforderungen, die zur Begründung des Status als leitender Angestellter zu stellen sind.
Erfolglos hat der Betriebsrat in diesem Zusammenhang geltend gemacht, diese Grundsätze seien auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil die betroffenen Angestellten im Möbelhaus Pforzheim funktionswidrig außerhalb ihrer sonst vertraglich geschuldeten Tätigkeit eingesetzt worden seien. Ist ein Angestellter in mehreren Betrieben des Unternehmens tätig, so kann zur Ermittlung seines Status nicht nur auf die in einem dieser Betriebe ausgeübte Funktion abgestellt werden. Hier ist auch die Vereinbarung, die dem Einsatz in Pforzheim zugrunde lag, zu berücksichtigen, wenn die Stellung der betroffenen Angestellten im Unternehmen beurteilt werden soll. Dafür, daß hier deren Einverständnis gefehlt hätte, liegen keinerlei Anhaltspunkte vor; das hat auch der Betriebsrat nicht behauptet.
cc) Vorliegend ist offengeblieben, ob die zum Sonntagsverkauf herangezogenen Angestellten leitende Angestellte waren. Die Arbeitgeberin hat das nur pauschal behauptet, ohne die Betroffenen zu benennen und Angaben zu deren Tätigkeiten und Funktionen zu machen. Schon deshalb kann der allgemeine Hinweis, sie hätten an der Aufsichtsratswahl 1994 als leitende Angestellte teilgenommen, nicht für eine Feststellung ausreichen, die diesen Status bejaht. Überdies liegt in der entsprechenden Einordnung bei der letzten Aufsichtsratswahl keine Voraussetzung, die zwingend zur Bejahung der Eigenschaft als leitende Angestellte führen würde. Diesen Tatfragen wird das Landesarbeitsgericht noch nachgehen müssen.
3. Ein mögliches Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG unter dem Gesichtspunkt einer kurzzeitigen Einstellung der im Sonntagsverkauf eingesetzten Arbeitnehmer im Pforzheimer Möbelhaus kann hier dahinstehen, da es vom Betriebsrat nicht in Anspruch genommen worden ist.
4. Hatte der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen, dann ist sein Unterlassungsantrag begründet, andernfalls nicht.
Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht im Anschluß an die neuere Rechtsprechung des Senats (zuletzt Beschluß vom 23. Juli 1996 – 1 ABR 13/96 – AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B III 1 der Gründe) davon ausgegangen, daß dem Betriebsrat bei Verletzung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch zusteht, der keine grobe Pflichtverletzung voraussetzt.
Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß angesichts der von der Arbeitgeberin nach wie vor vertretenen Rechtsauffassung und der Möglichkeit, daß anläßlich künftiger Pforzheimer Stadtfeste erneut der Sonntagsverkauf erlaubt wird, die Gefahr der Wiederholung des mitbestimmungswidrigen Vorgehens besteht.
In diesem Zusammenhang wird das Landesarbeitsgericht allerdings zu klären haben, ob sich der Unterlassungsantrag nur auf Verkaufsstellenleiter und Gebietsverkaufsleiter bezieht, mit denen der Sonntagsverkauf 1995 durchgeführt worden ist, oder auch auf andere Arbeitnehmer, für welche die Eigenschaft als leitende Angestellte nicht zur Diskussion steht. Der bisherige Sachvortrag beider Beteiligter spricht dafür, daß der Streit nur die genannten Kategorien von Führungskräften betrifft. Hingegen enthält der Wortlaut des Antrags des Betriebsrats insoweit keine Einschränkung, und auch aus den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Beschluß, nach denen im Sonntagsverkauf “Arbeitnehmer aus anderen Niederlassungen und Bereichsleiter” eingesetzt worden sind, ergibt sich nicht mit letzter Klarheit, ob die Arbeitgeberin 1995 auch Arbeitnehmer außerhalb des genannten Personenkreises herangezogen hat.
Unterschriften
Dieterich, Rost, Wißmann, Roesch, Peter Berg
Fundstellen
Haufe-Index 885434 |
BAGE, 185 |
AiB 2012, 50 |
NZA 1997, 955 |
SAE 1998, 41 |