Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe. Begriff des Einkommens iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Studienkredit der Kreditanstalt für Wiederaufbau
Orientierungssatz
1. Der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO knüpft an denjenigen des Sozialhilferechts an.
2. Darlehensweise gewährte Leistungen sind grundsätzlich nicht als Einkommen iSv. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII anzusehen. Einkommen im Sinne der im Sozialhilferecht entwickelten Zuflusstheorie ist grundsätzlich nur der „wertmäßige Zuwachs”; es sind deshalb nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen anzusehen, die eine Änderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Bei lediglich vorübergehend zur Verfügung stehenden Leistungen – wie dies bei einem Darlehen der Fall ist – fehlt es daher regelmäßig an der erforderlichen Vermögensvermehrung.
3. Ausnahmsweise können auch darlehensweise gewährte Leistungen Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 SGB XII sein. Dies ist vorliegend bei den von der KfW im Rahmen eines Studienkredits an den um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Kläger monatlich ausgezahlten Beträgen der Fall. Insoweit ist wegen des Zwecks der Leistungen und der Ausgestaltung der Darlehensbedingungen eine Ausnahme von dem Grundsatz geboten, dass Darlehen nicht als Einkommen anzusehen sind.
4. Die Berücksichtigung der von der KfW monatlich ausgezahlten Darlehensbeträge als Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 SGB XII führt weder zu einer Beschränkung des um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Klägers in seinem Grundrecht auf freie Berufswahl aus Art. 12 Abs. 1 GG noch zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG.
Normenkette
ZPO § 115 Abs. 1 Sätze 1-2, Abs. 3, 4 (in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung); SGB II § 11 Abs. 1 S. 1; SGB XII § 2 Abs. 1, § 82 Abs. 1 S. 1; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Köln vom 5. Oktober 2015 – 10 Ta 183/14 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Mit seiner vor dem Arbeitsgericht Köln erhobenen Klage hat der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Entgelt und Aufwendungsersatz geltend gemacht. Für dieses Verfahren hat das Arbeitsgericht ihm mit Beschluss vom 8. Juni 2010 antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt. Diesen Beschluss hat es mit Beschluss vom 23. Dezember 2013 gemäß § 120 Abs. 4, § 115 Abs. 3 ZPO aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers hätten sich geändert. Einschließlich des Studienkredits der Kreditanstalt für Wiederaufbau (im Folgenden KfW) iHv. monatlich 650,00 Euro verfüge der Kläger insgesamt über ein einzusetzendes Einkommen iHv. 410,61 Euro, sodass sich monatliche Raten iHv. 155,00 Euro ergäben. Damit überstiegen vier Monatsraten gemäß § 115 Abs. 4 ZPO die Kosten der Prozessführung iHv. 388,24 Euro. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 5. Oktober 2015 zurückgewiesen.
Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht der Kläger geltend, der KfW-Studienkredit sei bei der Ermittlung des einzusetzenden Einkommens nicht zu berücksichtigen. § 115 ZPO verweise für den Begriff des „Einkommens” auf die Grundsätze des Sozialrechts. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG 17. Juni 2010 – B 14 AS 46/09 R – BSGE 106, 185) stelle eine darlehensweise gewährte Leistung mit einer zivilrechtlich wirksam vereinbarten Rückzahlungsverpflichtung jedoch kein Einkommen im Sinne des Sozialrechts dar. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung sei eine einheitliche Auslegung der Einkommensbegriffe des Sozialrechts und des § 115 ZPO geboten. Zudem liege ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor; auch werde er in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt.
Entscheidungsgründe
II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 23. Dezember 2013, mit dem dieses seinen Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 8. Juni 2010 gemäß § 120 Abs. 4 ZPO (in der bis zum 31. Dezember 2013 geltenden Fassung) aufgehoben hat, zu Recht zurückgewiesen. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers hatten sich aufgrund der von der KfW gewährten monatlichen Studiendarlehensbeträge geändert mit der Folge, dass Prozesskostenhilfe gemäß § 115 Abs. 4 ZPO nicht zu bewilligen war. Bei den monatlichen Studiendarlehensbeträgen der KfW iHv. 650,00 Euro handelt es sich um Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO.
1. Gemäß § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Diese Definition des Einkommensbegriffs stimmt wörtlich mit der einleitenden Begriffsbestimmung des § 82 Abs. 1 SGB XII überein. Auch hinsichtlich der vom Einkommen vorzunehmenden Abzüge wird in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Buchst. a ZPO auf § 82 SGB XII, nämlich auf § 82 Abs. 2 SGB XII verwiesen. Der Einkommensbegriff des § 115 Abs. 1 ZPO knüpft demnach an denjenigen des Sozialhilferechts an. Dies erklärt sich daraus, dass Prozesskostenhilfe eine Form der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege darstellt (vgl. etwa BGH 8. August 2012 – XII ZB 291/11 – Rn. 9; 26. Januar 2005 – XII ZB 234/03 – zu II 2 c der Gründe).
2. § 82 Abs. 1 SGB XII enthält einen weiten Einkommensbegriff. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch (dem SGB XII), der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
3. Die Auslegung von § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 SGB XII ergibt, dass zu dem Einkommen im Sinne dieser Bestimmungen auch die dem Kläger von der KfW darlehensweise zur Verfügung gestellten Mittel iHv. monatlich 650,00 Euro gehören. Insoweit gilt nichts anderes als für den als öffentlichrechtliches Darlehen bewilligten Teil der Leistungen zur Förderung der Ausbildung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (vgl. hierzu BVerwG 17. Dezember 2015 – 5 C 8.15 –).
a) Der Wortlaut von § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII schließt eine Berücksichtigung der dem Kläger von der KfW darlehensweise zur Verfügung gestellten Mittel als Einkommen nicht aus.
§ 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geht von einem weiten Verständnis dessen, was Einkommen ist, aus. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter „Einkommen” das verstanden, was „einkommt” oder „eingekommen” ist. Zwar erfährt der Begriff des „Einkommens” insoweit eine Einschränkung, als mit ihm die Vorstellung verbunden ist, dass das, was „einkommt”, vom Bezieher regelmäßig nicht wieder zurückgegeben werden muss. Üblich ist es, dass Einkommen bei seinem Bezieher verbleibt. Von einem endgültigen Verbleib ist deshalb grundsätzlich dann nicht auszugehen, wenn das, was „einkommt”, von vornherein mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Allerdings ist diese Rechtsfolge nach dem Wortlaut des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht in jedem Fall zwingend (vgl. BVerwG 17. Dezember 2015 – 5 C 8.15 – Rn. 14).
b) Vorliegend gebieten Sinn und Zweck des § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, die Beträge, die dem Kläger von der KfW im Rahmen des Studienkredits monatlich zufließen, als Einkommen zu berücksichtigen.
aa) Zwar sind darlehensweise gewährte Leistungen grundsätzlich nicht als Einkommen iSv. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII anzusehen.
Das Einkommen drückt zusammen mit dem Vermögen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Person aus. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII konkretisiert den Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII, nach dem es dem Hilfeempfänger obliegt, für Unterhaltszwecke vorrangig eigenes Einkommen (und Vermögen) einzusetzen. Diese Obliegenheit erfasst allerdings nur „bereite Mittel”, mithin solche Mittel, auf die der um Hilfe Nachsuchende im Bedarfszeitraum tatsächlich wirtschaftlich zugreifen kann, um sich im Sinne einer rechtzeitigen Deckung seines Bedarfs zu helfen.
Einkommen im Sinne der im Sozialhilferecht entwickelten Zuflusstheorie ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts deshalb nur der „wertmäßige Zuwachs”; es sind nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen anzusehen, die eine Änderung des Vermögensstandes dessen bewirken, der solche Einkünfte hat. Bei lediglich vorübergehend zur Verfügung stehenden Leistungen – wie dies bei einem Darlehen der Fall ist – fehlt es deshalb regelmäßig an der erforderlichen Vermögensvermehrung (vgl. etwa BVerwG 17. Dezember 2015 – 5 C 8.15 – Rn. 19 mwN; 25. Mai 1984 – 8 C96.82 – BVerwGE 69, 247; 19. Oktober 1977 – VIII C 20.77 – zu II der Gründe, BVerwGE 54, 358).
Auch das Bundessozialgericht geht für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und der Sozialhilfe nach dem SGB XII von diesem Verständnis des Einkommensbegriffs aus. So haben der Vierte und der Vierzehnte Senat des Bundessozialgerichts mit Urteilen vom 17. Juni 2010 (– B 14 AS 46/09 R – Rn. 16, BSGE 106, 185), 20. Dezember 2011 (– B 4 AS 46/11 R – Rn. 16) und vom 16. Februar 2012 (– B 4 AS 94/11 R – Rn. 19) angenommen, dass Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die von einem Dritten lediglich vorübergehend zur Verfügung gestellt werden, bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht als Einkommen iSv. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass nur der „wertmäßige Zuwachs” Einkommen iSv. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II darstelle; als Einkommen seien nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert anzusehen, die eine Veränderung des Vermögensstandes dessen bewirkten, der solche Einkünfte habe. Dieser Zuwachs müsse dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleiben, denn nur dann lasse er seine Hilfsbedürftigkeit dauerhaft entfallen. Ein Darlehen, das an den Darlehensgeber zurückzuzahlen sei, stelle deshalb als nur vorübergehend zur Verfügung gestellte Leistung kein Einkommen dar, auch wenn es als „bereites Mittel” zunächst zur Deckung des Lebensunterhalts verwandt werden könne. Dieser Rechtsprechung hat sich der für das Sozialhilferecht zuständige Achte Senat des Bundessozialgerichts für den Begriff des Einkommens nach § 82 SGB XII mit Urteil vom 23. August 2013 (– B 8 SO 24/11 R – Rn. 25) angeschlossen.
bb) Dennoch sind die Leistungen, die dem Kläger aufgrund des mit der KfW geschlossenen Darlehensvertrags monatlich zufließen, als Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 SGB XII zu berücksichtigen. Insoweit ist wegen des Zwecks der Leistungen und der Ausgestaltung der Darlehensbedingungen eine Ausnahme von dem Grundsatz geboten, dass Darlehen nicht als Einkommen anzusehen sind.
(1) Der KfW-Studienkredit dient der Finanzierung der Lebenshaltungskosten des Klägers während des Bedarfszeitraums, hier: des Studiums und ist von diesem nicht alsbald (zu diesem Umstand vgl. etwa LAG Köln 15. März 2012 – 6 Ta 21/12 – Rn. 3; OLG Karlsruhe 28. September 2001 – 16 UF 61/01 – zu II der Gründe; LAG Bremen 8. Januar 1988 – 1 Ta 1/88 –; Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 74. Aufl. § 115 Rn. 20), sondern erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung zurückzuzahlen. Nach Ziff. 2.1 des mit der KfW geschlossenen Darlehensvertrags hat der Kläger das Darlehen nicht unmittelbar im Anschluss an die „Auszahlungsphase” zurückzuzahlen; vielmehr folgt auf die „Auszahlungsphase” zunächst die sog. „Karenzphase”, in der vom Kläger noch keine Zahlungen an die KfW zu leisten sind. Erst im Anschluss an die „Karenzphase” beginnt die Phase, in der der Kläger das Darlehen in monatlichen Annuitäten (Zins und Tilgung) zurückzuzahlen hat. Nach Ziff. 2.3 des Darlehensvertrags endet die Karenzphase 18 Monate nach dem Tag, an dem die Roll-over-Periode ausgelaufen ist, für die der Kläger zuletzt Mittel aus dem KfW-Studienkredit erhalten hat. Roll-over-Perioden sind nach Ziff. 2.3 des Darlehensvertrags die Zeiträume vom 1. April bis zum 30. September und vom 1. Oktober bis zum 31. März. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Kläger die monatlichen Auszahlungsbeträge – wie sonstige Einkünfte – für den laufenden Lebensunterhalt „verbraucht” mit der Folge, dass sich diese Geldmittel nicht von den sonst für den laufenden Bedarf zur Verfügung stehenden Mitteln unterscheiden.
(2) Zudem beruht die darlehensweise Hingabe der Mittel durch die KfW bei typisierender Betrachtung insbesondere auf der Erwartung, dass das Darlehen in der Regel nur für einen überschaubaren Zeitraum benötigt wird und zu einer Verbesserung der Einkommensaussichten führt. Insoweit stellen sich der KfW-Studienkredit als eine Art Vorfinanzierung dieses in der Zukunft eintretenden „Mehrwertes” (vgl. hierzu etwa BVerwG 17. Dezember 2015 – 5 C 8.15 – Rn. 19 mwN; 10. Mai 1967 – 5 C 150.66 – zu 3 der Gründe, BVerwGE 27, 58; BSG 16. Februar 2012 – B 4 AS 94/11 R – Rn. 20) und die Darlehensrückzahlung als Gegenleistung für diesen Vorteil dar. Würden die Mittel, die dem Kläger aufgrund des von seinem Einkommen und dem Einkommen seiner Eltern unabhängigen KfW-Studienkredits monatlich zufließen, nicht als Einkommen berücksichtigt, würden sie im wirtschaftlichen Ergebnis nicht wie eine Vorfinanzierung des verbesserten Verdienstes, sondern wie ein Zuschuss behandelt. Dies würde zu einer unbilligen Benachteiligung der Studierenden führen, die neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgehen, um die Ausbildungsmittel zu beschaffen und deren Arbeitsverdienst dem Grunde nach als Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu berücksichtigen ist. Dieser Umstand darf aber bei der Auslegung und Anwendung des in § 2 Abs. 1 SGB XII verankerten Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe nicht außer Acht gelassen werden, denn das Selbsthilfegebot des § 2 Abs. 1 SGB XII verweist den Hilfesuchenden auf alle vorhandenen Hilfsquellen, wenn deren Benutzung nicht dem Zweck der Sozialhilfe zuwiderläuft (vgl. BSG 16. Februar 2012 – B 4 AS 94/11 R – Rn. 20). Letzteres ist nicht der Fall.
Die Ausgestaltung der Bedingungen des KfW-Studienkredits begründet die Erwartung, dass dem Kläger die Rückzahlung des Darlehens in angemessenen Raten aus dem nach Abschluss des Studiums zu erwartenden Erwerbseinkommen ohne Beeinträchtigung seines Lebensunterhalts zumutbar ist. Zwar wird dem Kläger das Darlehen nicht zinslos gewährt, vielmehr sind die Darlehensbeträge von der Auszahlung an zu verzinsen (Ziff. 3.1.1 der Bedingungen des KfW-Studienkredits). Allerdings ist der Kläger nach Ziff. 3.1.10 der Kreditbedingungen berechtigt, den Aufschub der Zahlung der ab einem künftigen 1. April oder 1. Oktober (Beginn der jeweiligen Roll-over-Perioden) fälligen Zinsen bis zum Ablauf der in Ziff. 2.3 der Darlehensbedingungen bestimmten Karenzphase zu veranlassen, wenn er den Leistungsnachweis gemäß Ziff. 3.1.9 erbracht hat. Macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, so sind die aufgeschobenen Zinsen erst am Tag des Beginns der Tilgungsphase fällig und zahlbar. Zudem ist der KfW-Studienkredit nach Ziff. 3.3.1 der Darlehensbedingungen bis zum Ablauf der Karenzphase von 18 Monaten tilgungsfrei und erst daran anschließend in monatlichen Annuitäten (Zins und Tilgung) innerhalb von 10 Jahren oder nach Maßgabe eines mit der KfW gesondert vereinbarten Tilgungsplans zurückzuzahlen. Dabei müssen die vereinbarten Annuitäten mindestens 20,00 Euro betragen und unter Annahme eines gleich bleibenden Zinssatzes zur Tilgung innerhalb von 25 Jahren führen. Ferner sieht Ziff. 5.5 der Darlehensbedingungen die Möglichkeit der Stundung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen auf Antrag des Klägers vor, sofern sich dieser nur vorübergehend in ernsthaften Zahlungsschwierigkeiten befindet oder im Fall sofortiger Einziehung fälliger Beträge in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten würde. Danach verschaffen die vergleichsweise günstigen Zins- und Rückzahlungsmodalitäten des KfW-Studienkredits dem Kläger sogar einen nicht gänzlich unerheblichen wirtschaftlichen Vorteil.
Der Kläger wird dadurch, dass die ihm von der KfW gezahlten monatlichen Darlehensbeträge als Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 SGB XII berücksichtigt werden, auch nicht in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auf freie Berufswahl beschränkt. Vielmehr ist er ohne Weiteres in der Lage, die gewählte Ausbildung zu absolvieren. Er muss die ihm von der KfW während der Studiums für den Lebensunterhalt zur Verfügung gestellten Mittel nur dann für die Kosten der Rechtsverfolgung einsetzen, wenn diese Gelder für sich genommen oder zusammen mit anderen Einkünften zu einem Gesamteinkommen in einer Höhe führen, das eine Ratenzahlungsanordnung nach § 115 Abs. 2 ZPO oder einen Anspruchsausschluss nach § 115 Abs. 4 ZPO nach sich zieht. In einem solchen Fall wird aber das verfügbare Einkommen nicht in einer Weise eingeschränkt, dass es für die Gewährleistung eines angemessenen Unterhalts während der Ausbildung nicht mehr ausreicht. Zudem wirkt sich aus, dass die zu einem späteren Zeitpunkt zu leistenden monatlichen Annuitäten dann als besondere Belastung nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 ZPO vom Einkommen abzusetzen sind.
cc) Der Kläger wird durch die Berücksichtigung der ihm im Rahmen des KfW-Studienkredits monatlich zufließenden Beträge als Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 ZPO entgegen seiner Rechtsansicht auch nicht schlechter gestellt als sonstige Prozesskostenhilfeantragsteller, die kein Darlehen in Anspruch nehmen. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der Kläger und eine Partei, die keine monatlichen Darlehenszahlungen erhält und der aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe bewilligt wird, nicht in einer vergleichbaren Situation befinden. Dem Kläger stehen aufgrund der Darlehensgewährung laufend entsprechende Beträge zur Verfügung, die er für seinen Lebensunterhalt verwenden kann.
dd) Die Berücksichtigung der Beträge, die dem Kläger von der KfW im Rahmen des Studienkredits monatlich zufließen, als Einkommen iSv. § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO iVm. § 82 Abs. 1 SGB XII führt entgegen der Auffassung des Klägers schließlich auch nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG.
Der Gesetzgeber hat mit den Bestimmungen über die Prozesskostenhilfe die notwendigen Vorkehrungen zur Verwirklichung des Grundsatzes der Rechtsschutzgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 iVm. Art. 20 Abs. 3 GG getroffen, wonach auch Unbemittelten ein weitgehend gleicher Zugang zum Gericht zu ermöglichen ist. Einer weniger bemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Vergleich zu einer bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig erschwert werden (vgl. BVerfG 29. Dezember 2009 – 1 BvR 1781/09 – Rn. 12; 19. Februar 2008 – 1 BvR 1807/07 – Rn. 20 f.). Eine vollständige Gleichstellung von Unbemittelten und Bemittelten ist dabei allerdings nicht geboten (vgl. etwa BVerfG 29. September 2004 – 1 BvR 1281/04 – zu II 2 a der Gründe; 24. Juli 2002 – 2 BvR 2256/99 – zu B I 1 der Gründe; BAG 15. Februar 2005 – 5 AZN 781/04 (A) – zu II 1 der Gründe, BAGE 113, 313).
Vorliegend wird dem Kläger die Rechtsverfolgung im Vergleich zu einer bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig erschwert. Der Kläger verfügt während der Auszahlungsphase des KfW-Studienkredits – nicht anders als eine bemittelte Partei – insgesamt über Einkünfte, die eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 115 Abs. 4 ZPO ausschließen.
Unterschriften
Schlewing, Winter, Vogelsang
Fundstellen