Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Ausgliederung von Gaststätten
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 1.4.1987 4 AZR 77/86.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 15.10.1986; Aktenzeichen 15 Sa 837/86) |
ArbG Wesel (Entscheidung vom 09.04.1986; Aktenzeichen 3 Ca 559/84) |
Tatbestand
Die Klägerin, die der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) als Mitglied angehört, war seit 1981 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Firma Ka, die Mitglied des Einzelhandelsverbands ist, in der Zweigniederlassung W in der Abteilung Restaurant-Cafe als Konditorin beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag vom 7. Juli 1981 heißt es hierzu:
".....
2. Das Arbeitsentgelt beträgt monatlich DM
2.177,-- brutto. Darin ist enthalten: Tarifgehalt/-lohn
nach Tarifgruppe III c =
DM 2.177,--.
.....
3. Mit dieser Regelung sind sämtliche aus dem
jeweiligen Tarifvertrag sich ergebenden
Entgeltansprüche - insbesondere auch solche
aus Tariferhöhungen oder Veränderungen der
tariflichen Gehalts-/Lohngruppe - einschließlich
Sozialzulagen abgegolten, soweit
die vereinbarten Gesamtbezüge die tariflichen
Ansprüche nicht unterschreiten.
.....
7. Die Bestimmungen des örtlich geltenden Tarifvertrags
für den Einzelhandel sind in
der jeweiligen Fassung Vertragsbestandteil;
bei tariflosem Zustand findet der zuletzt
gültige Tarifvertrag Anwendung.
Im übrigen gelten die Bestimmungen der Betriebsordnung
der Ka Aktiengesellschaft
in der jeweils gültigen Fassung.
.....
10. Mündliche Nebenabreden wurden nicht getroffen.
Ergänzungen und Änderungen des Vertrags
bedürfen der Schriftform.
11. Die Vereinbarungen zu Ziffer 3 bis 10 bleiben
- soweit keine anderweitigen Vereinbarungen
getroffen werden - auch dann wirksam,
wenn eine Änderung des Entgelts oder
der Tätigkeit erfolgt."
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten wandte auf das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer der Zweigniederlassung W die Tarifverträge des Einzelhandels für Nordrhein-Westfalen an. Zumindest seit 1981 sind die Lohn- und Gehaltstarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen sowie der Manteltarifvertrag vom 13. Dezember 1980 allgemeinverbindlich.
Im Jahre 1982 gründete die Rechtsvorgängerin der Beklagten als 100 %ige Tochtergesellschaft die Beklagte, die seit 1. Januar 1982 Mitglied des Landesverbands Gaststätten- und Hotelgewerbe Nordrhein-Westfalen ist. Nach Gründung der Beklagten wurden die bisherigen Betriebsabteilungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Bewirtung von Kaufhausbesuchern aus dem Unternehmen der Rechtsvorgängerin der Beklagten ausgegliedert und auf die Beklagte übertragen. Hierzu gehörte auch das Restaurant der Zweigniederlassung der Rechtsvorgängerin der Beklagten in W, in dem die Klägerin arbeitete. Dieses Restaurant ging am 1. August 1982 auf die Beklagte über und wird seitdem von einem Restaurant-Manager der Beklagten geleitet. Die Beklagte übernahm darüber hinaus 56 Betriebsstätten von der Firma Kau. Sie betreibt ferner "M" -Restaurants in O und Wi sowie je eine Betriebsstätte im G-Markt in L und im O-Markt in B.
Im Hinblick auf die geplante Übernahme der Restaurants in den Kaufhäusern der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch die Beklagte schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und deren Gesamtbetriebsrat am 29. Januar 1982 eine Gesamtbetriebsvereinbarung ab, in der es u.a. heißt:
"Im Zusammenhang mit der Übertragung der Arbeitsverhältnisse
von Mitarbeitern der Ka
auf die K Gesellschaft
mbH (K ) werden als Ausgleich
und zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile
sowie zur Klärung aller offenen Rechtsfragen
- u.a. auch bezüglich § 613 a BGB - folgende
Regelungen getroffen:
.....
2. Die zum Zeitpunkt des Übergangs der Arbeitsverhältnisse
auf die K vereinbarten
effektiven Bruttogehälter und
-löhne werden unbefristet garantiert.
3. Alle Ansprüche von Mitarbeitern aus den
zum Zeitpunkt des Übergangs der Arbeitsverhältnisse
bestehenden Gesamtbetriebsvereinbarungen
in ihrer jeweils geltenden
Fassung bleiben erhalten.
Die insoweit geltenden Gesamtbetriebsvereinbarungen
sind in einer Anlage dieser
Vereinbarung verzeichnet.
.....
5. Die in den Tarifverträgen des Einzelhandels
geregelten Leistungen werden in ihrer
zum Zeitpunkt des Übergangs der Arbeitsverhältnisse
bestehenden Höhe Bestandteil
der Arbeitsverhältnisse der betreffenden
Mitarbeiter. Dies gilt insbesondere
für die zu diesem Zeitpunkt bestehenden
Ansprüche auf Urlaub, Urlaubsgeld
und vermögenswirksame Leistungen.
Darüber hinaus gilt dies für die tarifvertraglich
geregelte 40-Stunden-Woche
sowie die 5-Tage-Woche im Rahmen des roulierenden
Arbeitszeitsystems.
Die im Jahre 1982 im Bereich des Einzelhandels
wirksam werdenden tariflichen Veränderungen
werden bei der Feststellung
der Leistungshöhe gem. Satz 1 zugunsten
der Arbeitnehmer angewandt.
6. Die Gehalts/Lohnentwicklung der von der
K übernommenen Mitarbeiter wird für
die Jahre 1983 und 1984 nach folgender
Maßgabe garantiert:
Die auf der Basis des jeweiligen Gehalts-/
Lohntarifvertrags im Hotel- und Gaststättengewerbe
für die ausgeübten Tätigkeiten
auf Grund der Tariferhöhung im Hotel- und
Gaststättengewerbe sich ergebenden Steigerungsbeträge
werden dem gem. Ziffer 5
ermittelten Tarifgehalt/-lohn zugeschlagen.
.....
9. Auf die gesetzliche Möglichkeit (§ 613 a
BGB), nach Ablauf eines Jahres vom Zeitpunkt
des Betriebsübergangs an gerechnet
die nach Tarifvertrag oder Gesamtbetriebsvereinbarung
geltenden Bedingungen zu kündigen,
wird verzichtet.
.....
13. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung ist unkündbar;
Änderungen erfolgen nur im Einvernehmen
beider Vertragspartner."
Am 5. März 1982 schlossen die Rechtsvorgängerin der Beklagten und die Beklagte einen Kooperations-, Miet- und Dienstleistungsvertrag ab, in dem es u.a. heißt:
".....
4. Betriebsführung durch die K
------------------------------
Die K führt die von Ka überlassenen
Betriebsstätten in eigener Verantwortung.
Sie hat daher für die gewerbe- und
wettbewerbsrechtlich einwandfreie Abwicklung
der von ihr ausgeübten Tätigkeiten allein
einzustehen. Die Geschäftsführung der
K wird durch ein abgestuftes hierarchisches
Organisationssystem sicherstellen,
daß die betrieblichen und rechtlichen Verantwortlichkeiten
klar abgrenzbar sind. Sie
wird jeweils am Eingang der Betriebsstätten
in angemessener Weise und an gut sichtbarer
Stelle auf ihre Betriebsführungseigenschaft
unmißverständlich hinweisen.
Sie wird insbesondere die für die Führung
der übernommenen Betriebsstätten erforderlichen
bau- und gewerberechtlichen Genehmigungen
rechtzeitig einholen, um Schwierigkeiten
bei der Haftungsabgrenzung zwischen
ihr und Ka zu vermeiden.
Sie tritt zunächst in alle von Ka für
den Gastronomiebereich abgeschlossenen Verträge
als Rechtsnachfolgerin innerhalb von
deren Laufzeit ein. Es bleibt ihr jedoch
unbenommen, diese Verträge innerhalb der
vorgegebenen Kündigungszeiten aufzulösen
oder umzugestalten.
Zwischen Ka und K wird eine Gewinn und
Verlustausschließung vereinbart (Organschaft).
Die K wird die Öffnungszeiten
ihrer Betriebsstätten grundsätzlich denen
der Ka Betriebe anpassen. Sofern Abweichungen
hiervon erforderlich werden
sollten, sind diese zwischen der Geschäftsführung
der K und dem zuständigen Vorstandsmitglied
für das Ressort Verkauf abzustimmen]
5. Übernahme des Ka -Personals, organisatorische
Einordnung des Personals
------------------------------------------
Die K übernimmt das gesamte im bisherigen
Gastronomiebereich des Ka tätige
und seine Tätigkeit fortsetzen wollende Personal.
Die Übernahmebedingungen sind in der
aus Anlaß der Gründung der K zwischen
Ka und dessen Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen
Betriebsvereinbarung festgelegt.
Diese Betriebsvereinbarung ist Gegenstand
und Anlage dieses Vertrages (Anlage III).
Die Einzelheiten werden in individuellen Anstellungs-
bzw. Arbeitsverträgen geregelt.
Die Einstellung neuen Personals obliegt dem
alleinigen Verantwortungsbereich der K .
6. Verfügbarkeit von Stabs- und Serviceleistungen
der Hauptverwaltung und der Filialen
bzw. Ka Betriebsstätten
------------------------------------------
a. Dienstleistungen der Ka Hauptverwaltung
--------------------------------------
.....
b. Dienstleistungen bei Zweigniederlassungen
---------------------------------------
aa. Abwicklung der Personalverwaltung, insbesondere
Lohn- und Gehaltszahlungen,
Führung und getrennte Aufbewahrung der
Personalakten, Fragen in der Personalverwaltung,
Unterstützung bei Personalinseraten,
Schreibarbeiten aller Art
sowie Erledigung von statistischen Arbeiten
im bisherigen Umfang. Ausgenommen
sind demnach alle Einflußnahmen,
die zusammenhängen mit Personaleinsatz,
Einstellung, Entlassung, Gehaltszumessung
sowie Einflußnahmen auf das Kostenbudget
der K . Insoweit besteht
Alleinverantwortlichkeit der K .
....."
Im Jahre 1984 zahlte die Beklagte an die Klägerin Vergütung entsprechend der in der Gesamtbetriebsvereinbarung vom 29. Januar 1982 unter Ziff. 6 getroffenen Regelung in Anlehnung an die Tarifverträge für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen. Seit 1. Januar 1985 ist der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer im Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. September 1984 allgemeinverbindlich.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr stehe für die Zeit von Mai bis September 1984 ein Anspruch auf den Tariflohn nach dem Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen zu. Der tatsächlich von der Beklagten gezahlte Lohn liege im Klagezeitraum monatlich DM 79,-- unter dem Tariflohn für den Einzelhandel, was unstreitig ist. Im Arbeitsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten sei ausdrücklich die Anwendung des örtlich geltenden Tarifvertrags für den Einzelhandel in der jeweiligen Fassung vereinbart worden. Daran sei die Beklagte als Rechtsnachfolgerin gebunden. Im übrigen seien auch nach tarifrechtlichen Grundsätzen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen anwendbar. Die Restaurants der Beklagten und die Kaufhausfilialen der Rechtsvorgängerin der Beklagten bildeten jeweils einen gemeinsamen Betrieb, dessen Schwerpunkt im Einzelhandel liege. Zwischen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin bestehe ferner eine BGB-Gesellschaft, die als Unternehmen des Einzelhandels im Sinne der Tarifverträge für den Einzelhandel Nordrhein-Westfalen anzusehen sei. Die Beklagte und ihre Rechtsvorgängerin hätten sich zur Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Zwecke auf der Grundlage des Kooperations-, Miet- und Dienstleistungsvertrags derart miteinander verbunden, daß wechselseitig das Verkaufsgeschäft des jeweils anderen im Rahmen einer räumlich-funktionalen Einheit unterstützt werde. Es sei davon auszugehen, daß jedenfalls faktisch zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der Beklagten ein einheitlicher Leitungsapparat geschaffen und dadurch gemeinsame arbeitstechnische Organisationseinheiten begründet worden seien. Zwischen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin bestünden vielfältige Verknüpfungen und Verbindungen hinsichtlich der Nutzung der Betriebsmittel, der Personalverwaltung, Hausverwaltung und allgemeinen Verwaltung. Jedenfalls sei die Betriebsstätte der Beklagten in W als Hilfs- und Nebenbetrieb der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu betrachten. Darüber hinaus erhielten die Beschäftigten in den Betriebsstätten der Rechtsvorgängerin der Beklagten nach einer jahrzehntealten betrieblichen Übung die in den Tarifverträgen des Einzelhandels geregelten Leistungen unabhängig davon, ob sie tarifgebunden gewesen seien oder nicht. Die Beklagte als Rechtsnachfolgerin ihrer Rechtsvorgängerin sei deshalb daran gemäß § 613 a BGB gebunden. Nach der Allgemeinverbindlicherklärung des Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen ab 1. Januar 1985 liege eine Tarifkollision zwischen den tariflichen Regelungen für den Einzelhandel und für das Gaststätten- und Hotelgewerbe vor. Diese sei nach dem Günstigkeitsprinzip zugunsten der bisherigen vertraglichen Geltung des Tarifvertrags des Einzelhandels aufzulösen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin
für die Zeit von Mai bis September 1984
einen monatlichen Differenzbetrag von DM
79,--, mithin insgesamt DM 395,-- brutto zu
zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
und widerklagend,
festzustellen, daß der jeweilige Manteltarifvertrag
und die jeweiligen Tarifverträge
des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen
mit Ausnahme hierin am 1. August
1982 geregelter Leistungen im Sinne der
Ziff. 5 der Gesamtbetriebsvereinbarung
zwischen der Ka und dem Gesamtbetriebsrat
der Ka auf das Arbeitsverhältnis
der Parteien nicht anwendbar
sind.
Die Beklagte hat vorgetragen, die einzelvertragliche Vereinbarung der Anwendung der Tarifverträge für den Einzelhandel zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten habe offensichtlich nur dem Zweck gedient, bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine einheitliche Behandlung sämtlicher dort in dem Einzelhandelswarenhaus tätigen Arbeitnehmer nach den tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels unabhängig von der Gewerkschaftszugehörigkeit zu ermöglichen. Die pauschale Bezugnahme auf die Tarifverträge des Einzelhandels im Arbeitsvertrag stehe unter der doppelten Voraussetzung, daß die tariflichen Bestimmungen des Einzelhandels nicht schon durch beiderseitige Tarifbindung oder durch die ebenfalls bestehende Allgemeinverbindlichkeit auf das Arbeitsverhältnis anwendbar seien und andererseits die Zuordnung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin zu dem Unternehmenszweck des Einzelhandels des Warenhauses erhalten bleibe. Die letztere Voraussetzung sei mit dem Übergang des Restaurant-Cafes in der Zweigniederlassung W auf die Beklagte entfallen. Die Beklagte führe hier und in anderen Zweigniederlassungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten eigenständige Restaurantbetriebe. Sie betreibe keine Einzelhandelstätigkeit. Deshalb fielen ihre Betriebe unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Geschäftsführung der Beklagten habe eine eigenständige Organisationsstruktur. Alle personellen Maßnahmen treffe die Beklagte in eigener Verantwortung. In den einzelnen Betriebsstätten der Beklagten seien Betriebsräte gewählt worden, die ihrerseits im Juni 1983 einen Gesamtbetriebsrat gebildet hätten. Die im Kooperations-, Miet- und Dienstleistungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten geregelte Zusammenarbeit betreffe Dienstleistungen, die die Beklagte auch mit anderen Fremdfirmen, z. B. einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, hätte vereinbaren können und die im übrigen von der Beklagten bezahlt würden. Ihre Betriebsstätten seien auch keine Hilfs- oder Nebenbetriebe der Warenhäuser ihrer Rechtsvorgängerin und nicht deshalb dem Einzelhandel zuzuordnen. Die Arbeitnehmer der Beklagten seien vor der Übernahme der Betriebsstätten der Rechtsvorgängerin der Beklagten darüber unterrichtet worden, daß die Beklagte künftig die tariflichen Vorschriften für das Gaststätten- und Hotelgewerbe auf die Arbeitsverhältnisse anwenden wolle. Auch die Gesamtbetriebsvereinbarung lasse erkennen, daß von einer Anwendung der Tarifverträge für das Gaststätten- und Hotelgewerbe auszugehen sei. Zumindest seit der Allgemeinverbindlicherklärung des Manteltarifvertrags für das Gaststätten- und Hotelgewerbe des Landes Nordrhein-Westfalen ab 1. Januar 1985 sei dieser Tarifvertrag für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend.
Die Klägerin hat Abweisung der Widerklage beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Beklagte mit der Widerklage beantragt
festzustellen, daß die jeweiligen Tarifverträge
des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen
mit Ausnahme der hierin am 1. August
1982 geregelten Leistungen nicht anwendbar
sind.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter und erstrebt die Abweisung der Widerklage. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zum Teil begründet, im übrigen unbegründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Landesarbeitsgericht der Widerklage stattgegeben hat, und zur Abweisung der Widerklage. Denn die Widerklage ist wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig. Hingegen hat das Landesarbeitsgericht die Klage mit Recht abgewiesen. Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Zahlung von DM 395,-- brutto verlangen. Denn ihr steht für die Zeit von Mai bis September 1984 kein Anspruch auf den Tariflohn nach dem Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 1984 (LTV 1984) zu.
Der LTV 1984 ist auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit anwendbar, da die Beklagte - anders als ihre Rechtsvorgängerin - nicht Mitglied einer der tarifschließenden Arbeitgeberverbände des Einzelhandels ist. Der LTV 1984 ist jedoch mit Wirkung vom 1. April 1984 für allgemeinverbindlich erklärt worden (Bundesanzeiger Nr. 196 vom 16. Oktober 1984, S. 11731). Damit könnte er mit unmittelbarer und zwingender Wirkung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden (§ 5 Abs. 4, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien unter den Geltungsbereich des LTV 1984 fiele. Dies trifft aber nicht zu.
Nach dem in § 1 LTV 1984 in Bezug genommenen Geltungsbereich des im Klagezeitraum geltenden Manteltarifvertrags für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 13. Dezember 1980 (MTV 1980) ist in dessen § 1 bestimmt:
Geltungsbereich
---------------
1. Dieser Tarifvertrag gilt im Lande NordrheinWestfalen.
2. Der Tarifvertrag gilt für alle Unternehmen
des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen
einschließlich ihrer Hilfs- und Nebenbetriebe
sowie für die von diesen Betrieben beschäftigten
Arbeitnehmer. Die Mitglieder
der vertragsschließenden Parteien sind tarifgebunden.
3. Der Tarifvertrag gilt auch
a) in Versandunternehmen des Einzelhandels;
b) in Filialunternehmen des Einzelhandels,
dazu gehören auch die Verkaufsstellen
der Lebensmittelfilialbetriebe, ihre
Hauptverwaltungen, Nebenbetriebe und
Läger;
c) in Betrieben, deren Schwerpunkt im Einzelhandel
liegt;
d) in Betrieben des Tankstellen- und Garagengewerbes.
4. Der Tarifvertrag gilt mit Ausnahme des in
Abs. 5 genannten Personenkreises für
a) alle Angestellten und Auszubildenden im
Sinne der §§ 2 und 3 des AngestelltenVersicherungsgesetzes;
b) alle gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden
im Sinne des § 1227 Abs. 1
Nr. 1 der Reichsversicherungsordnung.
5. Der Tarifvertrag gilt nicht für Personen
im Sinne des § 5 Abs. 2 und Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz.
Die Beklagte fällt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unter die in § 1 MTV 1980 aufgeführten Betriebe und Unternehmen. Die Beklagte ist kein Unternehmen des Einzelhandels im Sinne von § 1 Abs. 2 MTV 1980. Was die Tarifvertragsparteien unter einem Unternehmen im tariflichen Sinne verstehen, haben sie nicht näher erläutert. Die tarifliche Schiedsstelle, deren Entscheidungen nach § 21 MTV 1980 zu Auslegungsfragen für beide Teile bindend sind, so daß sie einer authentischen Interpretation gleichstehen, hat vorliegend zum MTV 1980 am 7. Juli 1983 entschieden, daß der Unternehmens- und Betriebsbegriff im fachlichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 und 3 c MTV 1980 im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzuwenden ist. Damit ist dem Bundesarbeitsgericht die Auslegung zugewiesen.
Mangels sonstiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag ist von dem Begriff des Unternehmens im allgemeinen Rechtssinne auszugehen. Danach ist unter einem Unternehmen eine organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer der Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern unter Zuhilfenahme von sachlichen und immateriellen Mitteln einen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck, der hinter dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs steht, fortgesetzt verfolgt (Neumann/Duesberg, AR-Blattei, Betrieb I unter D I). Die Beklagte betreibt in allen ihren Betriebsstätten Restaurants und verkauft selbsthergestellten Kuchen an besonderen Kuchenständen in Kaufhausräumen ihrer Rechtsvorgängerin. Dies kennzeichnet sie als Unternehmen des Gaststättengewerbes und - soweit sie selbsthergestellten Kuchen verkauft - des Bäckerhandwerks. Handel mit Waren, wie es für den Einzelhandel erforderlich ist, betreibt sie nicht.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bildet die Beklagte mit ihrer Rechtsvorgängerin auch nicht zusammen ein gemeinsames Unternehmen des Einzelhandels im Sinne von § 1 Abs. 2 MTV 1980. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht mit zutreffenden Gründen verneint, daß ein auch für ein Unternehmen im Sinne des MTV 1980 erforderlicher einheitlicher Leitungsapparat von der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin gebildet worden ist. Aus dem MTV 1980 ist kein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß anders als im allgemeinen Rechtssinne für das Unternehmen im tariflichen Sinne kein einheitlicher Leitungsapparat erforderlich sei. Nach dem Kooperations-, Miet- und Dienstleistungsvertrag vom 5. März 1982, den die Beklagte mit ihrer Rechtsvorgängerin abgeschlossen hat, werden die personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin nicht durch einen einheitlichen Leitungsapparat wahrgenommen. Vielmehr führt nach diesem Vertrag die Beklagte die vom Ka überlassenen Betriebsstätten in eigener Verantwortung (Ziff. 4 Abs. 1) und ist alleinverantwortlich für Personaleinsatz, Einstellung, Entlassung, Gehaltszumessung und Kostenbudget (Ziff. 6 Buchst. b, aa). Insoweit ist unerheblich, daß es sich bei der Beklagten um eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Beklagten handelt. Denn die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse und Beteiligungen lassen die selbständige Unternehmensführung durch die Beklagte und ihre gesetzlichen Vertreter unberührt. In den einzelnen Betriebsstätten obliegt die Betriebsführung allein dem Restaurant-Manager der Beklagten.
Die Beklagte darf zwar nach dem Kooperationsvertrag nur im Einvernehmen mit ihrer Rechtsvorgängerin neue Betriebsstätten errichten oder bestehende Betriebsstätten ändern oder schließen; ferner erbringt die Rechtsvorgängerin der Beklagten für die Beklagte bestimmte Dienstleistungen gegen Entgelt, z. B. im Bereich der Personalverwaltung und des Rechnungswesens. Daraus ergibt sich jedoch noch kein Zusammenschluß der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin zu einem Unternehmen, weil es an einem einheitlichen Leitungsapparat in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten fehlt. Bindungen, wie sie die Beklagte gegenüber ihrer Rechtsvorgängerin eingegangen ist, hätte sie vertraglich mit jedem anderen Unternehmen vereinbaren können. Die personelle, soziale und wirtschaftliche Führung des Unternehmens durch die Beklagte wird dadurch nicht in Frage gestellt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann in den Vereinbarungen zwischen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin auch nicht der Zusammenschluß zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gesehen werden, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt, so daß auch das Arbeitsverhältnis der Parteien unter den betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge für den Einzelhandel fallen könnte. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß auch für die Unternehmensführung durch eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ein einheitlicher Leitungsapparat vorhanden sein muß, der vorliegend zwischen der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin gerade nicht besteht. Darüber hinaus fehlt es an dem für eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts erforderlichen Merkmal der Verfolgung gemeinsamer Zwecke (§ 705 BGB). Selbst wenn man mit der Klägerin aus den Vereinbarungen der Beklagten mit ihrer Rechtsvorgängerin schließen wollte, daß die Vertragsparteien mit ihrer Vereinbarung bezwecken wollten, wechselseitig das Verkaufsgeschäft des jeweils anderen zu unterstützen, liegt darin nicht die Verfolgung eines gemeinsamen Zweckes, sondern nur die Verfolgung zweier gleichartiger Zwecke, nämlich Unterstützung der Beklagten durch ihre Rechtsvorgängerin und Unterstützung der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch die Beklagte.
Die Beklagte ist auch kein Hilfs- oder Nebenbetrieb eines Einzelhandelsunternehmens. Was unter einem Hilfs- oder Nebenbetrieb eines Einzelhandelsunternehmens zu verstehen ist, haben die Tarifvertragsparteien im MTV 1980 nicht näher erläutert. Deshalb ist der Begriff im allgemeinen Rechtssinne auszulegen (vgl. BAG Urteil vom 12. März 1986 - 4 AZR 547/84 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, mit weiteren Nachweisen). Der Hilfs- oder Nebenbetrieb eines Einzelhandelsunternehmens setzt zunächst voraus, daß der Hilfs- oder Nebenbetrieb und das Einzelhandelsunternehmen von demselben Unternehmer zu demselben Unternehmenszweck betrieben werden (vgl. Neumann/Duesberg, aaO, unter B III). Unternehmen, die selbständig betrieben werden, können mit einzelnen Betrieben nicht Hilfs- oder Nebenbetrieb eines anderen Unternehmens sein, weil das selbständige Unternehmen durch seinen eigenen Unternehmenszweck gekennzeichnet ist. Zumindest läßt sich dem § 1 Abs. 2 MTV kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß mit den dort genannten Hilfs- und Nebenbetrieben auch branchenfremde Unternehmen erfaßt werden sollen. Da die Beklagte ein selbständiges Unternehmen darstellt, kann ihre Betriebsstätte schon deshalb nicht Hilfs- oder Nebenbetrieb ihrer Rechtsvorgängerin sein.
Für einen Nebenbetrieb ist es ferner kennzeichnend, daß der mit ihm verfolgte arbeitstechnische Zweck die Aufgabe hat, für den arbeitstechnischen Zweck des Hauptbetriebs eine Hilfeleistung zu erbringen (vgl. Neumann/Duesberg, aaO, unter B III 1). Die Hilfeleistung ist auch für den Hilfsbetrieb entscheidend. Daraus folgt zugleich, daß "Hilfsbetrieb" und "Nebenbetrieb" identische Begriffe sind. Vorliegend besteht der arbeitstechnische Zweck der Betriebsstätte der Beklagten in W in der Bewirtung ihrer Besucher. Der arbeitstechnische Zweck der Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Zweigniederlassung W besteht hingegen im Verkauf von Konsumgütern an Kunden. Der arbeitstechnische Zweck der Bewirtung stellt keine Hilfeleistung für den arbeitstechnischen Zweck des Verkaufs von Konsumgütern dar. Die Bewirtung ist nicht nur für Kunden des Ka vorgesehen. Ob sie für die Geschäfte des Ka verkaufsfördernd ist, ist insoweit unerheblich. Damit fehlt ein weiteres Merkmal für einen Hilfs- oder Nebenbetrieb des Einzelhandels.
Der Geltungsbereich des MTV 1980 erstreckt sich zwar auch auf Betriebe, deren Schwerpunkt im Einzelhandel liegt. Diese Voraussetzungen erfüllt die Beklagte aber schon deshalb nicht, weil sie überhaupt keinen Einzelhandel betreibt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin gebieten es weder das Prinzip der Tarifeinheit noch die Ordnungsfunktion des Tarifvertrages, dem Betriebsbegriff im tariflichen Sinne einen anderen Inhalt zu geben. Das Prinzip der Tarifeinheit hat nichts mit der Frage zu tun, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber seinen Betrieb in mehrere Betriebe aufteilen oder rechtlich selbständige Unternehmen für bisherige Betriebsteile bilden kann*Die Organisation seiner Betriebe und Unternehmen gehört zur unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers, der hierbei nur die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach §§ 111 ff. BetrVG zu beachten hat. Das Prinzip der Tarifeinheit greift erst ein, wenn der Arbeitgeber seine organisatorischen Maßnahmen getroffen hat. Dieses Prinzip will sicherstellen, daß innerhalb der vom Arbeitgeber frei geschaffenen betrieblichen Organisationseinheit ein Tarifvertrag im Zweifel für alle Arbeitsverhältnisse gilt (vgl. Wiedemann/Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Aufl. 1977, § 4 Rz 162, 164 m.w.N.). Dieses Prinzip wird nicht verletzt, sondern gewahrt, wenn in dem neu geschaffenen Betrieb der Beklagten in der Betriebsstätte W nur Tarifverträge einer Branche Anwendung finden. Hingegen erfordert das Prinzip der Tarifeinheit nicht, daß es sich hierbei um die Tarifverträge für den Einzelhandel handelt. Auch die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen, die in aller Regel betriebsbezogen sind, geht nicht weiter.
Auch aus § 613 a Abs. 1 BGB kann die Anwendung des LTV 1984 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift werden bei einem Betriebsübergang Rechtsnormen eines Tarifvertrags, die Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Betriebsinhaber regeln, Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer (§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies gilt nicht, wenn die Rechte und Pflichten bei dem neuen Inhaber durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages geregelt werden (§ 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB).
Unstreitig ist die Betriebsstätte der Beklagten in W am 1. August 1982 als Betriebsteil der Rechtsvorgängerin der Beklagten durch Rechtsgeschäft auf die Beklagte übergegangen. Die Arbeitsverhältnisse mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten waren durch die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für den Einzelhandel NW geregelt und konnten deshalb Inhalt des Arbeitsverhältnisses der Parteien werden. Jedoch betrifft dies nur die zur Zeit des Betriebsübergangs geltenden Tarifnormen. Tariflohnerhöhungen, die nach dem Betriebsübergang zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart werden, kommen den Arbeitnehmern zugute, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags, d. h. Arbeitnehmer und Betriebserwerber, tarifgebunden sind. In den Arbeitsvertrag gehen die tariflichen Normen aber nur mit ihrem beim Betriebsübergang bestehenden Inhalt ein. Dies hat der Senat durch Urteil vom 13. November 1985 (- 4 AZR 309/84 -, AP Nr. 46 zu § 613 a BGB, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) mit näherer Begründung entschieden. Daran ist festzuhalten.
Im vorliegenden Fall besteht keine Tarifbindung der Parteien an den LTV 1984. Die im LTV 1984 vereinbarte Tariflohnerhöhung kommt der Klägerin schon deshalb nicht zugute, weil der Tarifvertrag nach dem Betriebsübergang abgeschlossen wurde. Deshalb kann offenbleiben, ob bereits beim Betriebsübergang die damals geltenden Tarifnormen für den Einzelhandel in das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB deshalb keinen Eingang fanden, weil die Beklagte an die Tarifverträge für das Gaststättengewerbe gebunden war, oder ob die Tarifnormen für den Einzelhandel für die Parteien einzelvertraglich weitergalten, weil für die Klägerin keine Tarifbindung an die Tarifverträge für das Gaststättengewerbe bestand.
Aus der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und deren Gesamtbetriebsrat getroffenen Gesamtbetriebsvereinbarung kann die Klägerin keine Rechte herleiten. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung ist unwirksam. Der Rechtsvorgängerin der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat fehlte die Kompetenz, die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer der Beklagten nach dem Betriebsübergang zu regeln. Die Betriebspartner konnten zwar Arbeitsbedingungen der bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer regeln; daraus entstehende Rechte und Pflichten werden nach dem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses (§ 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB). Den Betriebspartnern ist es jedoch verwehrt, Arbeitsbedingungen für die Zeit nach Betriebsübergang unmittelbar zu regeln. Nach dem Betriebsübergang war der bisherige Gesamtbetriebsrat der Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht mehr für die Arbeitnehmer der Beklagten zuständig. In der Betriebsstätte W hat die Beklagte einen eigenen selbständigen Betrieb, für den auch im Jahre 1983 ein eigener Betriebsrat gewählt wurde. Für Arbeitnehmer eines anderen Betriebs konnten weder die Rechtsvorgängerin der Beklagten noch deren Gesamtbetriebsrat Arbeitsbedingungen regeln. Das gilt auch, wenn die Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Regelung noch in den Zuständigkeitsbereich des Gesamtbetriebsrats fielen. Entscheidend ist insoweit allein, daß die Regelung selbst Arbeitsbedingungen trifft, für die der Betriebsrat weder ein Mitbestimmungsrecht beanspruchen kann noch insoweit zuständiger Repräsentant der Arbeitnehmer ist.
Auch aus § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt sich eine solche Befugnis der Betriebspartner nicht. Wenn dort bestimmt ist, daß die durch Betriebsvereinbarung geregelten Rechte und Pflichten bei einem Betriebsübergang Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Betriebserwerber werden, so sind damit die Rechte und Pflichten gemeint, die gegenüber dem bisherigen Betriebsinhaber bestanden.
Darüber hinaus ist die zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und ihrem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung auch deshalb unwirksam, weil sie Arbeitsbedingungen regelt, die durch Tarifvertrag geregelt sind und deshalb nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können (§ 77 Abs. 3 BetrVG und § 87 Abs. 1 BetrVG). Die Gesamtbetriebsvereinbarung legt die den Arbeitnehmern nach dem Betriebsübergang zustehenden Leistungen (Vergütung, Urlaub, Arbeitszeit) bis einschließlich 1984 fest. Es handelt sich damit um materielle Arbeitsbedingungen, die von der Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG erfaßt werden (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, Betriebsverfassungsgesetz, 15. Aufl. 1987, § 77 Rz 51, 52). Für den Betrieb der Beklagten in W sind die den Arbeitnehmern zustehenden Leistungen (Vergütung, Urlaub, Arbeitszeit) durch Tarifvertrag geregelt. "Geregelt" sind die Arbeitsbedingungen im Sinne von § 77 Abs. 3 BetrVG durch Tarifvertrag, wenn der Betrieb unter den räumlichen, betrieblichen und fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags fällt (vgl. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 77 Rz 54). Gleichgültig, ob man den Betrieb der Beklagten in W dem Einzelhandel oder dem Gaststättengewerbe zuordnet: Für beide Branchen sind in Nordrhein-Westfalen Vergütung, Urlaub und Arbeitszeit durch Tarifvertrag geregelt (§ 87 Abs. 1 BetrVG). Damit ist die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 29. Januar 1982 unwirksam.
Die unwirksame Gesamtbetriebsvereinbarung kann auch nicht in eine Gesamtzusage der Rechtsvorgängerin der Beklagten umgedeutet werden. Mit einer solchen Gesamtzusage konnte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Beklagte nicht binden. Dies wäre ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter.
Ein einzelvertraglicher Anspruch der Klägerin auf Tariflohn nach dem LTV 1984 für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen für die Zeit von Mai bis September 1984 besteht nicht. In dem zwischen der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten abgeschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrag ist zwar ausdrücklich vereinbart, daß "die Bestimmungen des örtlich geltenden Tarifvertrags für den Einzelhandel in der jeweiligen Fassung Vertragsbestandteil" sind. Daraus kann aber entgegen der Auffassung der Klägerin nicht hergeleitet werden, daß die entsprechenden Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen für den Einzelhandel gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen sind. Wenn zwischen Parteien des Arbeitsvertrags die Anwendung von Tarifverträgen der Branche vereinbart wird, der der Arbeitgeber angehört, wollen die Parteien des Arbeitsvertrags damit im Zweifel tarifliche Vorschriften zur Anwendung bringen, die dem Arbeitsverhältnis besonders nahestehen, weil sie die Besonderheiten der Branche berücksichtigen, der der Arbeitgeber angehört. Mangels anderweiter Anhaltspunkte im Arbeitsvertrag ist damit Geschäftsgrundlage der Vereinbarung über die Anwendung der Tarifverträge einer bestimmten Branche, daß der Arbeitgeber dieser Branche angehört. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Für eine Geschäftsgrundlage ist gerade kennzeichnend, daß sie nicht ausdrücklich vereinbart ist. Mit dem Branchenwechsel entfällt die Geschäftsgrundlage. Da dies unabhängig von einem Betriebsinhaberwechsel gilt, steht § 613 a BGB einer solchen Rechtsfolge auch nicht entgegen.
Im vorliegenden Fall gehörte nach dem Betriebsinhaberwechsel der Betrieb, in dem die Klägerin beschäftigt ist, nicht mehr dem Einzelhandel, sondern dem Gaststättengewerbe an. Damit ist die Geschäftsgrundlage für Ziff. 7 des Arbeitsvertrags entfallen, d. h. für die Vereinbarung, daß die Tarifverträge für den Einzelhandel in ihrer jeweiligen Fassung Vertragsbestandteil des Arbeitsvertrags sind. Die dadurch entstehende Lücke ist vorliegend entsprechend dem Schutzzweck des Gesetzes nach § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB zu schließen. Die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechte und Pflichten nach den Tarifverträgen für den Einzelhandel sind nur in der damals (1. August 1982) geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten übergegangen. Danach steht der Klägerin kein Tariflohn nach dem LTV 1984 zu.
Auch eine betriebliche Übung, nach der die Rechtsvorgängerin der Beklagten vertraglich verpflichtet war, der Klägerin den jeweiligen Tariflohn des Einzelhandels zu zahlen und die auf die Beklagte gemäß § 613 a Abs. 1 BGB übergegangen sein könnte, bestand nicht. Eine betriebliche Übung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt werden, die bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauches erwecken, d.h. ein Vertrauen darauf begründen, daß ihnen eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt wird. Dabei ist entscheidend darauf abzustellen, wie das stetige Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben aus der Sicht der begünstigten Arbeitnehmer zu bewerten ist; es genügt, daß der Arbeitgeber den objektiven Tatbestand der betrieblichen Übung wissentlich herbeigeführt hat (vgl. BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; BAG Urteil vom 4. September 1985 - 7 AZR 262/83 -, AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, jeweils mit weiteren Nachweisen). Ein solcher Verpflichtungswille konnte dem Verhalten der Rechtsvorgängerin der Beklagten bei der Zahlung der jeweiligen Tariflöhne nicht entnommen werden. Denn die Tarifverträge für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen sind seit vielen Jahren allgemeinverbindlich. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten leistete daher die Lohnzahlungen an alle Arbeitnehmer in Erfüllung einer tariflichen Verpflichtung. Damit ist für Erwägungen, ihr Verhalten lasse auf einen vertraglichen Bindungswillen für die Zukunft schließen, mangels anderweitiger Anhaltspunkte kein Raum.
Die Widerklage war abzuweisen. Der Feststellungsantrag der Beklagten ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts unzulässig. Denn insoweit ist ein rechtliches Interesse der Beklagten an der begehrten Feststellung zu verneinen. Feststellungsklagen sind nur zulässig, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird (§ 256 Abs. 1 ZPO). Die begehrte Feststellung muß geeignet sein, die bisherige Rechtsunsicherheit über die Rechtsstellung der klagenden Partei zu beseitigen. Das Rechtsschutzinteresse ist demnach zu verneinen, wenn nach Lage des Falles durch ein Feststellungsurteil des begehrten Inhalts eine sachgemäße oder erschöpfende Lösung des Streits nicht erzielt würde (vgl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl. 1987, § 256 Rz 73 f.). Denn damit bleibt Rechtsunsicherheit weiterhin bestehen. So liegt der Fall hier.
Der Senat hat zwar für Feststellungsanträge, die darauf gerichtet sind, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimmte Tarifverträge Anwendung finden, ein rechtliches Interesse ausdrücklich bejaht, weil ein solcher Feststellungsantrag zu einer grundsätzlichen Klärung der tariflichen Rechte und Pflichten der Parteien führe, wenn sie hierüber streiten (BAGE 35, 239, 244 = AP Nr. 24 zu § 59 HGB). Vorliegend handelt es sich bei dem Feststellungsantrag der Beklagten aber um eine negative Feststellungsklage. Die Beklagte will festgestellt wissen, daß bestimmte Tarifverträge (hier: die jeweiligen Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung finden. Mit der Entscheidung über diesen Antrag wird unter Berücksichtigung des beiderseitigen Klagevorbringens die Rechtsunsicherheit darüber, welche Tarifnormen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden, nicht beseitigt. Wird nach dem Begehren der Beklagten erkannt, steht damit nur fest, daß die jeweiligen Tarifverträge des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen keine Anwendung finden. Hingegen steht damit noch nicht fest, ob die Tarifverträge des Gaststättengewerbes auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung finden. Die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Beklagten würde damit auf die Erstattung eines Rechtsgutachtens durch den Senat hinauslaufen, ohne daß die Rechtsunsicherheit über die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Tarifverträge beseitigt wäre. Dies führt zur Unzulässigkeit des Feststellungsantrags der Beklagten.
Da beide Parteien teils obsiegt haben, teils unterlegen sind, waren die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 92 ZPO zu teilen.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel
Dr. Koffka Prieschl
Fundstellen