Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen aus der Personalakte
Orientierungssatz
1. Zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gehört es, den Betriebsfrieden nicht durch ein vom Arbeitnehmer ausgehendes Verhalten zu stören. Als Betriebsfrieden ist dabei anzusehen die ungestörte betriebliche Verbundenheit aller Mitarbeiter.
2. Der Arbeitgeber hat die Umstände darzulegen, aus denen sich die Störung des Betriebsfriedens ergibt.
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 22.01.1992; Aktenzeichen 11 Sa 1224/91) |
ArbG Duisburg (Entscheidung vom 11.09.1991; Aktenzeichen 1 Ca 2671/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Begehren des Klägers, ihm erteilte Abmahnungen aus den Personalakten zu entfernen, zu entsprechen ist.
Der Kläger ist seit Juli 1972 bei der Beklagten als Verwaltungsangestellter beschäftigt und als Ausbildungsberater tätig. Die Beklagte beabsichtigte im März 1990, für die Ausbildungsberatung die Stelle eines Gruppenleiters einzurichten und sie mit dem Angestellten B , einem Mitglied des Personalrats, zu besetzen. Dies veranlaßte den Kläger, am 21. März 1990 wie folgt an den Personalratsvorsitzenden zu schreiben:
"Organisationsplan
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
mir liegt ein Plan vor, den ich nur als "Schmier-
blatt" kennen lernte. Ich muß davon ausgehen, daß
die Inkraftsetzung mit Zustimmung des Personalra-
tes erfolgte, bzw. wird. Nach diesem Plan ist
nunmehr der Stellvertreter immer auch gegenüber
der Ausbildungsberatung weisungsbefugt; ich pro-
testiere]
Amtsmißbrauch zum eigenen Vorteil wird deutlich
erkennbar; ich spreche Ihnen und Ihrem Stellver-
treter mein Mißtrauen aus."
Abschriften dieses Schreibens ließ der Kläger den Ausbildungsberatern P und S zukommen, die gemeinsam mit dem Kläger und einer weiteren Angestellten der Beklagten sich in der Folgezeit in mehreren Schreiben gegen die Einführung eines Gruppenleiters aus Sachgründen aussprachen.
Zwischen dem Kläger und dem Personalrat fand in der Folge ein Schriftwechsel statt, der nicht zu einer Bereinigung der Angelegenheit führte. Der Personalrat wandte sich deshalb an die Beklagte mit der Bitte, auf die Wiederherstellung des Betriebsfriedens in der Kammer hinzuwirken. Nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 14. Mai 1990 vergeblich aufgefordert hatte, die erhobenen Vorwürfe binnen drei Tagen zurückzunehmen, erteilte sie mit Schreiben vom 22. Mai 1990 dem Kläger aus Anlaß des Schreibens vom 21. März 1990 eine Abmahnung. In dieser führte sie u.a. aus:
"Durch Ihr oben geschildertes Verhalten, insbe-
sondere durch die ehrenrührigen Vorwürfe gegen
zwei Mitarbeiter des Personalrates sowie durch
die Nichtbefolgung der Aufforderung zur Rücknahme
der Behauptungen gegenüber den genannten Mitar-
beitern, ist der Betriebsfrieden innerhalb der
Kammer erheblich gestört.
Die geschilderten Umstände haben die Kommunikati-
on und Arbeitsfähigkeit der Gruppe der Ausbil-
dungsberater nachhaltig beeinträchtigt. Dazu hat
sicherlich auch beigetragen, daß Kopien Ihres
Schreibens vom 21. März 1990 in die Hände der
Mitarbeiter P und S gelangten."
In dem Schreiben wird das Verhalten des Klägers auf das Schärfste mißbilligt und ihm für den Wiederholungsfall weitestgehende Folgen einschließlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angekündigt.
Durch Umlauf vom 2. Juli 1990 in den Dezernaten und Zweigstellen gab die Beklagte die Einstellung des Dipl.-Geogr. H bekannt. Der Kläger zeichnete den Umlauf ab mit der Bemerkung: "Noch einer ohne Stempelkarte und mit Zustimmung des Personalrats". Diese Bemerkung bezog sich darauf, daß der Kläger - unzutreffend - annahm, der Einzustellende unterliege nicht der Arbeitszeiterfassung im Rahmen der Gleitzeit. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin eine weitere schriftliche Abmahnung vom 17. August 1990. In seiner Bemerkung liege eine abwertende Kritik nicht nur an den Entscheidungen des Personalrats, sondern vor allem an der Personalpolitik der Dienststellenleitung. Weiter heißt es, dieses Verhalten sei erneut geeignet, den Betriebsfrieden in der Kammer zu stören. Schließlich mahnte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 20. Dezember 1990 ab, weil er an einer Sitzung des Berufsbildungsausschusses am 5. Dezember 1990 entgegen der Aufforderung seines Vorgesetzten, Herrn B , ferngeblieben sei. Darin liege erneut ein gröblicher Verstoß gegen die Pflichten aus dem Dienstvertrag. Die Abmahnung werde wiederum zum Anlaß genommen, dem Kläger die Beachtung seiner Verpflichtungen nahezulegen. Es seien bereits zwei Abmahnungen zugestellt worden; er möge dieses Schreiben als letzte Warnung betrachten.
Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger begehrt, die Abmahnungen aus seinen Personalakten zu entfernen. Er hat insbesondere bestritten, daß er durch sein Schreiben vom 21. März 1990 den Betriebsfrieden gestört habe. Das Schreiben sei nur an den Personalratsvorsitzenden und dessen Stellvertreter gerichtet und nicht zur Weiterleitung an Dritte bestimmt gewesen. Den beiden Kollegen habe er das Schreiben im verschlossenen Umschlag ausgehändigt, weil auch sie von dem neuen Organisationsplan betroffen gewesen seien. Die Bemerkung auf dem Umlauf vom 2. Juli 1990 habe sich nur gegen die Politik des Personalrats gerichtet; durch die Bemerkung habe sich niemand gestört gefühlt. Hinsichtlich der Sitzung des Berufsbildungsausschusses habe ihn keine Einladung erreicht; er sei im übrigen nach seinem Dienstvertrag nicht verpflichtet, an Sitzungen dieses Ausschusses teilzunehmen, die über den Dienstschluß hinausgingen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnungen vom
22. Mai 1990, 17. August 1990 sowie 20. Dezember
1990 spurlos aus den Personalakten des Klägers zu
entfernen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat geltend gemacht, der Betriebsfrieden sei durch das Schreiben vom 21. März 1990 erheblich gestört worden, da das Schreiben auch außerhalb des Adressatenkreises bekannt gemacht worden sei. Da der Kläger die Vorwürfe gegenüber dem Personalratsmitglied nicht zurückgenommen habe, sei die Abmahnung das einzige Mittel gewesen um den Personalrat vor Angriffen des Klägers zu schützen. Auch die Vorwürfe gegenüber dem Kläger wegen der Randbemerkung auf dem Umlaufzettel sowie wegen des Fehlens bei der Sitzung des Berufsausbildungsausschusses seien gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat der auf Entfernung der Abmahnungen gerichteten Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. I. Das Landesarbeitsgericht ist in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon ausgegangen, daß dem Arbeitnehmer ein Anspruch darauf zusteht, eine zu Unrecht erteilte schriftliche Abmahnung aus den Personalakten zu entfernen (BAGE 50, 202 = AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, m.w.N. und zuletzt Urteil vom 5. August 1992 - 5 AZR 531/91 - AiB 1993, 57).
II. Dem Landesarbeitsgericht ist in vollem Umfange in seiner Wertung zu folgen, daß die dem Kläger erteilten Abmahnungen aus den Personalakten zu entfernen sind, weil die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe von der Beklagten nicht belegt worden sind.
1.a) Mit dem Abmahnungsschreiben vom 22. Mai 1990 hat die Beklagte gegenüber dem Kläger den Vorwurf erhoben, er habe durch sein Schreiben vom 21. März 1990 an den Vorsitzenden des Personalrats sowie durch sein nachfolgendes, in dem Schreiben näher geschildertes Verhalten, den Betriebsfrieden innerhalb der Kammer erheblich gestört; die geschilderten Umstände hätten die Kommunikation und Arbeitsfähigkeit der Gruppe der Ausbildungsberater nachhaltig beeinträchtigt. Das Landesarbeitsgericht hat diese Äußerungen der Beklagten mit Recht dahin ausgelegt, daß als vertragswidriges Verhalten des Klägers eine Störung des Betriebsfriedens gerügt wurde. Entgegen der Ansicht der Beklagten hat sie nicht die in dem Schreiben vom 21. März 1990 von dem Kläger gegenüber den Personalratsmitgliedern gemachten Vorhaltungen als vertragswidriges Verhalten des Klägers zum Gegenstand der Abmahnung gemacht. Diese Auslegung wird unterstützt dadurch, daß die Beklagte in dem Abmahnungsschreiben vom 17. August 1990 erklärt hat, daß dort gerügte Verhalten des Klägers sei erneut geeignet, den Betriebsfrieden in der Kammer zu stören. Schließlich konnte zweifelhaft sein, ob die von dem Kläger gegenüber dem Personalrat erhobenen Vorwürfe für sich geeignet waren, eine Abmahnung zu rechtfertigen. Die Vertragspflichten des Klägers wurden aber dann von ihm verletzt, wenn er den Betriebsfrieden störte mit daraus sich ergebenden möglichen Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses, auf die die Beklagte in ihrem Schreiben vom 22. Mai 1990 auch hingewiesen hatte.
b) Zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten gehört es, den Betriebsfrieden nicht durch ein vom Arbeitnehmer ausgehendes Verhalten zu stören. Als Betriebsfrieden ist dabei anzusehen die ungestörte betriebliche Verbundenheit aller Mitarbeiter (vgl. BAGE 41, 150 = AP Nr. 73 zu § 626 BGB).
Das Landesarbeitsgericht hat, da Verfahrensrügen insoweit nicht erhoben wurden, für den Senat verbindlich festgestellt (§ 561 Abs. 2 ZPO), daß die Beklagte keine Umstände dargelegt hat, aus denen sich die Störung des Betriebsfriedens in dem vorgenannten Sinne, und sei es auch nur im Bereich der von den Maßnahmen betroffenen Ausbildungsberater, ergeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, für eine Störung des Betriebsfriedens reiche es nicht aus, daß die Personalratsmitglieder von den Vorwürfen betroffen waren. Soweit der Kläger von seinem Schreiben vom 21. März 1990 zwei andere Ausbildungsberater unterrichtet hatte, hat dies nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts für den Betriebsfrieden keinerlei Auswirkungen gehabt.
2. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht auch erkannt, daß die Abmahnungen vom 17. August 1990 und 20. Dezember 1990 schon deshalb aus den Personalakten zu entfernen sind, weil in ihnen unrichtige Behauptungen enthalten sind. In beiden Abmahnungen hat die Beklagte im Anschluß an die Abmahnung vom 22. Mai 1990 erklärt, das Verhalten des Klägers sei erneut geeignet gewesen, den Betriebsfrieden zu stören und in der Abmahnung vom 20. Dezember 1990 ist unter Hinweis auf die zwei vorhergehenden Abmahnungen von einem erneuten Pflichtverstoß gesprochen. Nachdem, wie dargelegt, die Abmahnung vom 22. Mai 1990 keinen Bestand haben kann, sind auch die auf diese Abmahnung Bezug nehmenden weiteren Abmahnungen inhaltlich unzutreffend und belasten den Kläger in seiner Rechtsstellung in nicht gerechtfertigter Weise.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Anthes Hansen
Fundstellen