Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung eines freigestellten Personalratsvorsitzender
Orientierungssatz
Ein freigestelltes Personalratsmitglied verstößt gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nur dann, wenn er bewußt und vorsätzlich die Presse unrichtig informiert und seine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit verletzt (Vergleiche BAG Urteil vom 23.10.1969 2 AZR 127/ 69 = BAGE 22, 178).
Normenkette
BGB §§ 242, 611, 1004; BPersVG § 10
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Entfernung einer dem Kläger erteilten Abmahnung aus den Personalakten.
Der Kläger ist angestellt beim Arbeitsamt der Beklagten. Er ist Vorsitzender des Personalrats und von der Arbeitsleistung freigestellt.
Die Beklagte hat dem Kläger mit Schreiben vom 4. Dezember 1984 eine Abmahnung erteilt und diese zu den Personalakten genommen. Darin verweist die Beklagte zunächst auf bereits vorhergehende Abmahnungen und wirft ihm unter Androhung einer fristlosen Kündigung im Falle einer erneuten Pflichtverletzung sein Verhalten auf zwei Pressekonferenzen am 7. September 1984 und 9. Oktober 1984 vor. Hierzu heißt es in dem Abmahnungsschreiben auszugsweise wie folgt:
"1. Am 7. 9. 1984 fand eine Pressekonferenz
der ÖTV - Bezirksverwaltung statt,
auf der Sie sich zur Personalsituation
im Arbeitsamt geäußert haben. Am 10. 9.
1984 erschien hierüber in der Zeitung
"Expreß" ein Artikel, in dem es u. a.
heißt: "Die Gründe für Übergriffe sind
für den Personalrat des Amtes eindeutig.
Zuwenig Mitarbeiter und zuviele Angestellte,
die nur einen befristeten Zeitvertrag
in der Tasche haben. Personalvertreter
A : Gerade diese Kollegen
werden als Mitarbeiter zweiter Klasse
behandelt. Die meisten sind nach einem halben
Jahr mit den Nerven am Ende."
...
2. Am 9. 10. 1984 haben Sie dann in den Räumen
der ÖTV - Kreisverwaltung eine Pressekonferenz
des Personalrates des Arbeitsamtes
abgehalten. Thematisch ging es um Personalangelegenheiten
im Arbeitsamt .
Daraufhin erschien am 10.10.1984 im
Generalanzeiger ein Artikel mit der Überschrift
"Im Arbeitsamt geht es rund".
Der Rhein-Sieg-Anzeiger veröffentlichte am
selben Tag einen Artikel mit der Überschrift
"Böses Hickhack im Arbeitsamt". Derartige
Schlagzeilen in der Presse führen beim Leser
zu der Annahme, daß das Arbeitsamt sich
schwerpunktmäßig mit internen Auseinandersetzungen
befaßt. Beim Bürger wird dadurch das
Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Arbeitsamtes
gemindert. Die durch Ihre
Pressekonferenz hervorgerufenen Zeitungsartikel
haben daher wiederum den Ruf und das
Ansehen des Arbeitsamtes geschädigt. ..."
Vor Erteilung dieser Abmahnung hatte die Beklagte mit Schreiben vom 15. November 1984 beim Verwaltungsgericht Köln beantragt, den Kläger aus dem Personalrat auszuschließen. Dieser Antrag wurde teils mit älteren Vorwürfen aber auch mit den Vorgängen begründet, die Gegenstand der Abmahnung in diesem Rechtsstreit sind (VerwG Köln PVB 37/84). Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme hat das Verwaltungsgericht folgenden Hinweis gegeben:
"Im Hinblick auf die rechtlich erheblichen Vorwürfe
durch den Antragsteller auf Ausschluß aus
dem Personalrat - Einberufung einer Pressekonferenz
durch den Beteiligten zu 1), Teilnahme
an einer Pressekonferenz der ÖTV durch den Beteiligten
zu 1), Werbung für die ÖTV als Vorsitzender
des Personalrats - und im Hinblick
darauf, daß nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme
von heute lediglich ein Pflichtverstoß
in der Einbeziehung des Vertreters der ÖTV Herrn
H auf der Pressekonferenz vom 9.10.1984
übrig geblieben ist und dabei der Grad des Vorwurfs
offen ist, macht das Gericht den Beteiligten
einen Vergleichsvorschlag.
Darauf schließen die Beteiligten auf den Vorschlag
des Gerichts hin folgenden
V e r g l e i c h :
-------------------
1. Der Beteiligte zu 1) erklärt, daß er die
Äußerungen von Herrn H auf der
Pressekonferenz vom 9.10.1984 in bezug
auf die Person und das Verhalten des Antragstellers
nicht teilt.
Im übrigen verpflichtet er sich, die Einschaltung
der Presse grundsätzlich zu vermeiden.
2. Beide Seiten verpflichten sich, für die
Zukunft die Basis der vertrauensvollen
Zusammenarbeit im Sinne von § 2 BPersVG
zu achten und die vertrauensvolle Zusammenarbeit
zu verbessern.
3. Der Antragsteller nimmt den Antrag vom
16.11.1984 zurück...."
Die Beklagte hält in diesem Rechtsstreit an ihrer Abmahnung fest.
Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, die Beklagte dürfe ihn nicht wegen eines Verhaltens abmahnen, das sie ihm in seinem Tätigkeitsbereich als Personalratsvorsitzender vorwerfe. Außerdem könne er für die Presseberichterstattung nicht verantwortlich gemacht werden. Er habe nicht behauptet, die Angestellten des Arbeitsamtes mit einem befristeten Arbeitsverhältnis würden als Mitarbeiter zweiter Klasse behandelt, sondern er habe nur in einem allgemeinen Sinne geäußert, daß alle Mitarbeiter mit einem befristeten Arbeitsverhältnis in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Weise benachteiligt seien.
Der Kläger hat beantragt,
die Abmahnung am 4.12.1984 aufzuheben
und aus den Personalakten zu entfernen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und hierzu ausgeführt, der von ihr in dem Abmahnungsschreiben dargestellte Sachverhalt sei richtig wiedergegeben. Der Kläger habe seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verletzt, weil er unwahr und rufschädigend behauptet habe, die Angestellten des Arbeitsamtes mit einem befristeten Arbeitsverhältnis würden als Mitarbeiter zweiter Klasse behandelt. Der Kläger hätte den negativen Äußerungen des Gewerkschaftssekretärs H auf der Pressekonferenz am 9. Oktober 1984 entgegentreten müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte will mit ihrer Revision die Abweisung der Klage erreichen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Der Kläger kann die Entfernung der Abmahnung vom 4. Dezember 1984 aus den Personalakten verlangen. Dieser Anspruch ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 1004 BGB in Verbindung mit der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gemäß § 242 BGB (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1985 - 5 AZR 101/84 - AP Nr. 93 zu § 611 BGB Fürsorgepflicht, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen sowie DB 1986, 489, 490). Allerdings beschränkt sich der Kläger nicht hierauf, sondern begehrt außerdem die "Aufhebung" der Abmahnung. Er verlangt damit nichts anderes als die Entfernung aus der Personalakte, wie er in der Revisionsverhandlung klargestellt hat.
II. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht als begründet angesehen. Das Berufungsgericht hat allerdings den Anspruch des Klägers letztlich damit begründet, daß nicht Teile einer Abmahnung für ungerechtfertigt erklärt werden können, sondern die Abmahnung insgesamt entfernt werden müsse, wenn schon einzelne Vorwürfe nicht ausreichend begründet oder ungerechtfertigt seien. Insoweit sei der Beklagten vorzuwerfen, daß sie über das Verhalten des Klägers in den beiden Pressekonferenzen hinaus ihm auch ältere Vorwürfe anlaste, ohne deren Berechtigung im einzelnen darzulegen. Außerdem sei der unter Ziff. 2 des Abmahnungsschreibens genannte Vorwurf unbegründet, denn aus den Presseartikeln hierzu ergebe sich, daß der Kläger kaum mehr als über die Verweigerung der Zustimmung des Personalrats zur Feststellung zweier Aushilfskräfte berichtet habe und er nicht dafür verantwortlich sei, wenn die Presse diese Äußerungen aufbausche.
Die Revision wendet sich zunächst gegen den rechtlichen Ausgangspunkt des Berufungsurteils, wonach alle in einem Abmahnungsschreiben erhobenen Vorwürfe gerechtfertigt sein müssen, wenn die Abmahnung Bestand haben soll. Hierauf kommt es aber nicht an, da das Berufungsurteil schon aus anderen Gründen richtig ist (§ 563 ZPO). Das gilt auch für die Verfahrensrügen der Revision, mit denen sie die Feststellung des Berufungsgerichts angreift, wonach der Kläger nicht geäußert haben soll, daß die Mitarbeiter des Arbeitsamtes mit Zeitverträgen als Menschen zweiter Klasse behandelt würden und er nur gesagt habe, diese Bewertung habe er auf alle Mitarbeiter mit Zeitverträgen bezogen. Das ist ebenfalls nicht entscheidend, weil die Abmahnung aus anderen Gründen nicht gerechtfertigt ist (§ 563 ZPO).
III. Die Klage ist schon deswegen begründet, weil der Kläger keine Pflichten aus seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten verletzt hat, sondern die Beklagte das Verhalten des Klägers im Bereich seiner Personalratstätigkeit rügt. Durch eine Abmahnung weist der Arbeitgeber nämlich aufgrund seiner Befugnis als Gläubiger der Arbeitsleistung den Arbeitnehmer auf dessen vertragliche Pflichten hin (BAG Urteil vom 6. August 1981 - 6 AZR 1086/79 - AP Nr. 40 zu § 37 BetrVG 1972). Der Kläger hat aber nicht seine Verpflichtung zur Arbeitsleistung verletzt, denn hiervon war er freigestellt. Aber neben dem Leistungsbereich gibt es im Arbeitsverhältnis den Vertrauensbereich mit den ihm eigenen wichtigen Nebenpflichten, der durch einen schweren Verstoß auch von einem freigestellten Betriebsratsmitglied gestört werden kann (BAGE 22, 178, 184 = AP Nr. 19 zu § 13 KSchG). Der Vorwurf unter Ziff. 2 des Abmahnungsschreibens beschränkt sich auf die Information der Presse, wie das Berufungsgericht zu Recht ausgeführt hat. Das hat aber keine unmittelbaren Rückwirkungen auf das Arbeitsverhältnis, denn die Presseinformation hat ihre Wurzel in der Tätigkeit des Klägers als Personalratsvorsitzender. Aus dem Abmahnungsschreiben vom 4. Dezember 1984 zur Pressekonferenz vom 9. Oktober 1984 geht nur hervor, daß die Beklagte dem Kläger die Pressedarstellungen über diese Pressekonferenz und insbesondere die Überschriften über den Presseartikeln vorwirft. Damit hat der Kläger aber nichts zu tun.
Soweit die Beklagte unter Ziff. 1 ihrer Abmahnung vom 4. Dezember 1984 dem Kläger vorhält, er habe gegenüber der Presse behauptet, die befristet beschäftigten Mitarbeiter der Beklagten würden als Arbeitnehmer zweiter Klasse behandelt, hat der Kläger seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht verletzt. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied verstößt nämlich gegen seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis nur dann, wenn er bewußt und vorsätzlich die Presse unrichtig informiert und seine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit verletzt (§ 10 BPersVG; BAGE 22, 178, 185). Darin kann eine schwere Verletzung der Pflicht des Klägers zur Verwirklichung von Treu und Glauben in seinem Arbeitsverhältnis liegen (BAGE 22, 178, 185). Der Kläger hat aber mit der ihm unterstellten Äußerung keine vorsätzlich falschen Tatsachenbehauptungen aufgestellt, sondern nur aus seiner Sicht ein Werturteil getroffen, das richtig oder falsch sein mag. Darin ist keine Verletzung seiner Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag zu sehen. Ebensowenig hat er seine Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit verletzt (§ 10 BPersVG).
Die Beklagte begründet ihre Abmahnung mit Vorwürfen, auf die sie in Verbindung mit älteren Vorwürfen den Antrag auf Ausschluß des Klägers aus dem Personalrat gestützt hatte. Diesen Antrag hat sie aber zurückgenommen und sich ebenso wie der Kläger zu einer weiteren vertrauensvollen Zusammenarbeit verpflichtet. Der Kläger hat außerdem in dem Vergleich vor dem Verwaltungsgericht zugesagt, die Einschaltung der Presse grundsätzlich zu vermeiden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Parteien mit diesem Vergleich auch die Vorwürfe erledigen wollten, die von der Beklagten mit ihren Abmahnungen erhoben werden. Darauf kommt es nicht mehr an, weil der Kläger seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag nicht verletzt hat.
Dr. Thomas Dr. Gehring ist durch Dr. Olderog
Urlaub an der Unterschrift
verhindert.
Dr. Thomas
Dr. Florack Nitsche
Fundstellen
RzK, I 1 Nr 21 (ST1-2) |
PersR 1989, 14-15 (ST1-3) |
ZfPR 1989, 51 (S) |