Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätete Urteilsabsetzung

 

Normenkette

ZPO § 551 Nr. 7

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 21.05.1996; Aktenzeichen 6 Sa 33/94)

ArbG Hamburg (Urteil vom 24.11.1993; Aktenzeichen 24 Ca 500/92)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 21. Mai 1996 – 6 Sa 33/94 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers, der bei der Beklagten seit 1988 als Pressedokumentar im Hamburger Weltwirtschaftsarchiv (HWWA) tätig ist.

Der Kläger ist seit 1984 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem 1. August 1988 wird er nach einer einjährigen Einarbeitungszeit als einer von insgesamt zwölf Pressedokumentaren im Weltwirtschaftsarchiv beschäftigt.

Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung.

Der Kläger erhielt bis zum 31. Juli 1993 Vergütung aus der VergGr. V b Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zum BAT. Seitdem erhält er aufgrund unstreitiger sechsjähriger Bewährung Vergütung aus der VergGr. IV b Fallgruppe 2 BAT.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 1990 hat der Kläger Vergütung aus der VergGr. IV a Fallgruppe 1 a BAT geltend gemacht. Mit seiner Klage hat er ab 1. Juni 1990 bis 31. Juli 1992 Vergütung aus der VergGr. IV a Fallgruppe 1 a BAT und ab 1. August 1992 im Wege des Bewährungsaufstieges Vergütung aus der VergGr. III Fallgruppe 1 b BAT verlangt.

Die Parteien streiten im wesentlichen darüber, ob die Tätigkeit des Klägers die Qualifizierungsmerkmale „besondere Schwierigkeit und Bedeutung” im Sinne der VergGr. IV a Fallgruppe 1 a BAT erfüllt.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger vom 1. Juni 1990 bis zum 31. Juli 1992 Vergütung nach der VergGr. IV a der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen,
  2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. August 1992 Vergütung nach der VergGr. III, hilfsweise IV a der Anlage 1 a zum BAT zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit des Klägers sei schon nicht „besonders verantwortungsvoll” im Sinne der VergGr. IV b Fallgruppe 1 a BAT. Dieses Heraushebungsmerkmal müsse im Vergleich mit den in VergGr. V b Fallgruppe 1 a BAT geforderten „selbständigen Leistungen” gesehen werden. Es müsse sich nämlich gegenüber diesen Anforderungen durch das Maß der geforderten Verantwortung in gewichtiger und beträchtlicher Weise herausheben. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Tätigkeit des Klägers gegenüber den nach der VergGr. IV b Fallgruppe 1 a BAT zu vergütenden Tätigkeiten eine beträchtlich erhöhte Qualifikation verlange und sich aus diesen Tätigkeiten durch ihre Bedeutung heraushebe.

Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung nach dem Hauptantrag entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit seinem am 21. Mai 1996 verkündeten, am 28./29. November 1996 zugestellten Urteil zurückgewiesen. Nach Mitteilung der Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts vom 4. Februar 1997 ist das Urteil mit allen Unterschriften versehen jedenfalls erst nach dem 20. November 1996 zu ihr gelangt. Mit der Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 551 Nr. 7 ZPO. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit ist ohne Prüfung der Sachentscheidung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, da er nach den Rechtsgrundsätzen der Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 (– GmS-OGB 1/92 – AP Nr. 21 zu § 551 ZPO), der sich der Senat mit Urteil vom 4. August 1993 (– 4 AZR 501/92 – BAGE 74, 44 = AP Nr. 22 zu § 551 ZPO) angeschlossen hat, an einem erheblichen Verfahrensmangel leidet.

1. Die Revision ist nach §§ 550, 551 Nr. 7 ZPO begründet, weil das angefochtene Urteil wegen verspäteter Absetzung als nicht mit Gründen versehen zu betrachten ist. Das Urteil ist am 21. Mai 1996 verkündet worden, jedenfalls erst nach dem 20. November 1996 mit allen Unterschriften versehen zur Geschäftsstelle gelangt und den Parteien am 28./29. November 1996 zugestellt worden. Daraus folgt, daß das angefochtene Urteil nicht innerhalb von fünf Monaten nach seiner Verkündung mit Tatbestand und Entscheidungsgründen von allen Richtern unterschrieben zur Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts gelangt ist. Ein solches Urteil gilt nach dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 als nicht mit Gründen versehen. Es ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind, deswegen entsprechend den einschlägigen Prozeßordnungen – hier: §§ 550, 551 Nr. 7 ZPO – auf eine Rüge der unterlegenen Partei ohne weiteres aufzuheben. Dieser Rechtsprechung hat sich nicht nur der Senat mit der Entscheidung vom 4. August 1993 (aaO), sondern auch der Zweite Senat mit Urteilen vom 7. Oktober 1993 (– 2 AZR 293/93 –, nicht veröffentlicht) und vom 15. November 1995 (– 2 AZR 1036/94 – AP Nr. 34 zu § 551 ZPO), der Zehnte Senat mit Urteil vom 24. November 1993 (– 10 AZR 371/93 –) und der Achte Senat mit Urteil vom 16. Dezember 1993 (– 8 AZR 114/93 –), beide nicht veröffentlicht, sowie der Neunte Senat mit Urteil vom 8. Februar 1994 (– 9 AZR 591/93BAGE 75, 355 = AP Nr. 23 zu § 72 ArbGG 1979) angeschlossen.

2. Die Rüge des Beklagten ist auch rechtzeitig gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO innerhalb der bis zum 30. Dezember 1996 laufenden Revisionsbegründungsfrist mit Schriftsätzen vom 8. November, 5. und 17. Dezember 1996 erhoben worden (vgl. BAG Urteil vom 12. Januar 1994 – 4 AZR 133/93 – AP Nr. 27 zu § 551 ZPO = AP Nr. 22 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk).

 

Unterschriften

Schaub, Friedrich, Schneider, Gotsche, Kiefer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1127003

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