Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung als “Leiter von Kindertagesstätten”
Leitsatz (amtlich)
Die Leiterin des Freizeitbereichs einer Ganztagsgrundschule in Berlin erfüllt nicht das Eingruppierungsmerkmal “Angestellte als Leiter von Kindertagesstätten. Diese Ganztagsgrundschulen integrieren Unterricht, außerunterrichtliche Arbeitsgemeinschaften Schülerarbeitsstunden und Freizeitangebote nach einer aufeinander abgestimmten pädagogischen Zielsetzung. Dem Leiter einer solchen Schule obliegt damit nach § 22 SchulVerfG Berlin auch die Leitung des der Schule organisatorisch eingegliederten Freizeitbereichs.
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23; Teil II Abschn. G (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) der Anlage 1a zum BAT, VergGr. IVb Fallgruppe 4 und VergGr. IVa Fallgruppe 1 § 22 SchulVerfG Berlin; Nr. 30 Grundschulordnung Berlin vom 7. Juli 1980 i.d.F. vom 5. Februar 1986
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 14.01.1994; Aktenzeichen 6 Sa 139/93) |
ArbG Berlin (Urteil vom 05.05.1993; Aktenzeichen 94 Ca 28794/92) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 14. Januar 1994 – 6 Sa 86 und 139/93 – wird zuruckgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Streit der Parteien geht um die tarifgerechte Eingruppierung der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1991 bis 10. Oktober 1993.
Die am 3. Mai 1960 geborene Klägerin hat Erziehungswissenschaft studiert und mit der Diplomprüfung am 30. März 1987 erfolgreich abgeschlossen. Sie trat am 1. September 1990 als “Leiterin des Freizeitbereichs einer Ganztagsgrundschule” in die Dienste des beklagten Landes. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 30. Juli 1990 ist bestimmt, daß für das Arbeitsverhältnis u. a. der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) unter Berücksichtigung der jeweils in Frage kommenden Sonderregelungen mit allen künftigen Änderungen und Ergänzungen maßgebend ist. Bei der Einstellung der Klägerin wurde ihre Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vb BAT im Arbeitsvertrag festgelegt.
Aufgabe der Klägerin war die Leitung des Freizeitbereichs der K… P….-D…- Schule. Bei dieser handelt es sich um eine Grundschule mit teilweisem Ganztagsbetrieb, der um 6.00 Uhr beginnt und um 18.00 Uhr endet. In diesem Bereich wird in drei nach Altersstufen gegliederten Einheiten mit Kindern im Alter von 5 bis 12 Jahren gearbeitet. Vor dem 1. Oktober 1991 waren durchschnittlich 122 Kinder in den Ganztagsbetrieb aufgenommen, am Stichtag 1. Oktober 1991 132 Kinder, am 1. Oktober 1992 134 Kinder. Diese wurden von ca 10 Erziehern mit einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche unter Leitung der Klägerin betreut. Zeitweise wurde das Betreuungsteam durch Honorarkräfte ergänzt. Neben der Schularbeitenaufsicht werden im Freizeitbereich Arbeitsgemeinschaften angeboten und Ausflüge, Stadtspiele, Exkursionen und Besichtigungen veranstaltet. Dem Gangtagsbetrieb steht – bis auf einen Raum – der erste Stock des Schulgebäudes der P… -D… -Schule für seine Arbeit zur Verfügung.
Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte es u. a., den Einsatz der Erzieher/innen zu koordinieren, Vertretungen einzuteilen, Kontakte zu den Lehrer/innen zu halten und Elterngespräche durchzuführen. Sie war Mitglied im ständigen Ausschuß und im Finanzausschuß der Schule.
Nach der Geburt eines Kindes am 17. August 1993 befand sich die Klägerin seit dem Ende der Schutzfrist ab 13. Oktober 1993 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien am 30. September 1994 durch die Kündigung der Klägerin vom 6. Juli 1994 im Erziehungsurlaub.
Mit Schreiben vom 1. November 1991 hat die Klägerin gegenüber dem beklagten Land geltend gemacht, ihr stehe ab 1. Januar 1991 Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT und ab 1. August 1991 nach der Vergütungsgruppe IVa BAT zu. Zur Zahlung dieser Vergütung fand sich das beklagte Land nicht bereit. Mit ihrer Feststellungsklage verfolgt die Klägerin diesen Anspruch begrenzt auf die Zeit bis 10. Oktober 1993, also etwa bis zum Ende der Schutzfrist, weiter.
Sie hat die Auffassung vertreten, der von ihr geleitete Freizeitbereich unterscheide sich in keinem wesentlichen Merkmal von einem Hort und sei daher einer Kindertagesstätte gleichzustellen, da der Freizeitbereich vom übrigen Schulbetrieb räumlich abgegrenzt sei und ihre Leitungstätigkeit in keinem Punkt durch die Schulleitung eingeschränkt worden sei. Dies gelte für folgende ihr übertragende Aufgaben: Aufnahmen von Kindern in den Freizeitbereich, die Verwaltung des ihr zugeteilten Etats, die Nutzung der Räume im Freizeitbereich, deren Reinigung, Verschönerungs- und Erhaltungsmaßnahmen, die Verwaltung der Mittel für Honorarkräfte, die Einrichtung von Arbeitsgemeinschaften, die Organisation und Leitung der Erziehertätigkeit sowie die Essensversorgung der Kinder. Zum Teil habe sie in diesen Aufgabenfeldern größere Kompetenzen als die Leiterin einer Kindertagesstätte. Ihre Tätigkeit in der Zeit vom 10. August 1992 bis 2. Oktober 1992 hat sie stichwortartig mit Zeitangaben für die Einzeltätigkeiten geschildert.
Als Leiterin eines Hortes erfülle sie somit die Eingruppierungsmerkmale für “Leiter von Kindertagesstätten”. Bei der Durchschnittsbelegung ihres Hortes vor dem 1. Oktober 1991 sei sie bis Juli 1991 in die Vergütungsgruppe IVb, ab 1. August 1991 in die Vergütungsgruppe IVa BAT eingruppiert.
Die Klägerin hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, ihr mit Wirkung ab dem 1. Oktober 1991 Vergütung in der Vergütungsgruppe IVa BAT zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Protokollnotiz Nr. 4 enthalte zum Begriff der Kindertagesstätte eine abschließende Aufzählung. Wenn die Tarifvertragsparteien – auch anläßlich der durch den Tarifvertrag zur Änderung der Anlage 1a zum BAT vom 24. April 1991 vorgenommenen umfassenden Neuregelung des Teils II Abschnitt G dieser Anlage – bisher keine Veranlassung gesehen hätten, Einrichtungen wie diejenige, in welcher die Klägerin tätig sei, in den Katalog der Protokollnotiz Nr. 4 einzufügen, sei diese Wertung hinzunehmen und für die Rechtsanwendung verbindlich. Im übrigen weise die Leitung einer Kindertagesstätte in verschiedener Hinsicht erhebliche Unterschiede zur Leitung des Freizeitbereichs einer Grundschule auf. Die Ganztagsgrundschule werde einschließlich des Freizeitbereichs von einer Rektorin/einem Rektor geleitet. Unterrichtliche und außerunterrichtliche Bereiche seien nicht als voneinander getrennte Abteilungen anzusehen. Die Verantwortung für die Gebäudeerhaltung, Aufnahme und Abmeldung von Kindern, Verwaltung der Finanzen, Personalorganisation und Einteilung der Arbeitsgemeinschaften liege bei der Schulleitung, wobei auch bei einer Delegation von Teilbereichen dieser Aufgaben auf andere Mitarbeiter dieser Schule die Verantwortung bei der Schulleitung verbleibe. Dennoch habe das beklagte Land eine Ausnahmeregelung für diesen Personenkreis dann zugelassen, wenn in derartigen Einrichtungen mindestens 360 Schüler im Ganztagsbetrieb betreut werden müßten. Diese Voraussetzung erfülle die Klägerin jedoch nicht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat das beklagte Land Berufung eingelegt. Im Wege der Anschlußberufung hat die Klägerin ihre Klage dahin geändert, daß sie die Feststellung beantragt hat, das beklagte Land sei verpflichtet, ihr für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Juli 1991 Vergütung nach der Vergütungsgruppe Ivb BAT und für die Zeit vom 1. August 1991 bis 10. Oktober 1993 Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVa BAT zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage sowie die Klageerweiterung abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Vergütungsanspruch nach Maßgabe des im Berufungsrechtszug geänderten Antrags weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Klägerin steht weder für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis zum 31. Juli 1991 Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb BAT noch für die Zeit vom 1. August 1991 bis 10. Oktober 1993 nach der Vergütungsgruppe IVa BAT zu, denn sie erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal “Letter einer Kindertagesstätte” im Sinne der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 4 und der Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 1 des Teils II Abschnitt G der Anlage 1a zum BAT.
I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, bei der nach der ständigen Rechtsprechung des Senats das nach § 46 Abs. 2 ArbGG in Verbindung mit § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung unbedenklich zu bejahen ist. Die s gilt auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Feststellungsantrag auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt ist. Mit dem begehrten Feststellungsurteil wird nämlich für die Vergangenheit der Status der Klägerin bestimmt, der über die für den streitbefangenen Zeitraum zu leistende Vergütung hinaus auch für die Zukunft Bedeutung haben kann, etwa bei der Anrechnung von Beschäftigungszeiten (Senatsurteile vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 10. März 1993 – 4 AZR 204/92 –, n.v., zu II 1 der Gründe; vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
II. Die zulässige Klage ist aber nicht begründet. Die Tätigkeit der Klägerin als Leiterin des Freizeitbereichs einer Ganztagsgrundschule entspricht nicht derjenigen eines “Leiters einer Kindertagesstätte”.
1. Dem Vergütungsanspruch der Klägerin steht nicht schon der Umstand entgegen, daß in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 30. Juli 1990 die Eingruppierung der Klägerin in die Vergütungsgruppe Vb BAT, an der sich in der Folgezeit nichts geändert hat, vereinbart ist. Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich um einen formularmäßigen Vertrag, so daß der Senat ihn selbständig auslegen kann (BAGE 24, 198, 202 = AP Nr. 2 zu § 111 BBiG, zu 2a der Gründe; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 – ZTR 1991, 296, insoweit n. v.). Wird – wie vorliegend – in einem Arbeitsvertrag auf die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen Bezug genommen, ist davon auszugehen, daß sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers nach der zutreffenden Vergütungsgruppe richten soll. Dies gilt auch dann, wenn in einer nachfolgenden Bestimmung des Arbeitsvertrages auf eine bestimmte Vergütungsgruppe verwiesen wird. Dieser Verweisung kommt nur die Bedeutung zu, festzulegen, welche Vergütungsgruppe die Parteien einmal als zutreffend angesehen haben (BAG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4 = ZTR 1991, 199; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 – ZTR 1991, 296, insoweit n. v.).
2. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der für Bund/Länder geltenden Fassung vom 23. Februar 1961 und die diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge Anwendung.
a) Damit kommt es für die Eingruppierung der Klägerin nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT darauf an, ob in ihrer Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der von der Klägerin in Anspruch genommenen Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVb sowie für einen späteren Zeitraum nach der Vergütungsgruppe IVa BAT erfüllen. Dabei ist von dem in ständiger Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen, also von einer unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbaren und rechtlich selbständig zu bewertenden Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (Urteil des Senats vom 21. Oktober 1992 – 4 AZR 69/92 – AP Nr. 164 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w,N.).
b) Weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht haben solche Arbeitsvorgänge gebildet. Das ist jedoch unschädlich, da der Senat die Arbeitsvorgänge selbst bestimmen kann (BAG, aaO, m.w,N.). Die dazu erforderlichen Tatsachenfeststellungen durch die Vorinstanzen liegen vor. Danach ist die Tätigkeit der Klägerin als Leiterin des Freizeitbereichs einer Ganztagsgrundschule als ein einziger großer Arbeitsvorgang anzusehen. Als Leiterin des Freizeitbereichs hat die Klägerin eine Funktion zu erfüllen. Alle Einzelaufgaben dies er Leitungstätigkeit – gleich wie diese tariflich zu bewerten ist – dienen einem einheitlichen Arbeitsergebnis. Sie bilden daher einen einzigen großen Arbeitsvorgang. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats zu Leitungstätigkeiten (z. B. BAG Urteil vom 29. April 1992 – 4 AZR 458/91 – AP Nr. 162 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie BAG Urteil vom 24. März 1993 – 4 AZR 298/92 – AP Nr. 168 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
3. Die Vergütungsgruppen, über die zwischen den Parteien Streit besteht, lauten in ihren einschlägigen Fallgruppen wie folgt:
Vergütungsgruppe IVa
Vergütungsgruppe IVb
Protokollnotizen:
- …
- Der Ermittlung der Durchschnittsbelegung ist für das jeweilige Kalenderjahr grundsätzlich die Zahl der vom 1. Oktober bis 31. Dezember des voran gegangen Kalenderjahres vergebenen, je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze zugrunde zu legen.
- …
- Kindertagesstätten im Sinne dieses Tätigkeitsmerkmals sind Krippen, Kindergärten, Horte, Kinderbetreuungsstuben, Kinderhäuser und Tageseinrichtungen der örtlichen Kindererholungsfürsorge.
- …
4. Dem Landesarbeitsgericht ist im Ergebnis und auch zum Teil in der Begründung darin zu folgen, daß die Tätigkeit der Klägerin als “Leiterin des Freizeitbereichs einer Ganztagsgrundschule” nicht als die eines “Leiters einer Kindertagesstätte” im Sinne der vorzitierten Eingruppierungsmerkmale anzusehen ist.
Das Landesarbeitsgericht hat dazu ausgeführt, als Hort im Sinne der Protokollnotiz Nr. 4 könnten nur Einrichtungen angesehen werden, die innerhalb der zuständigen Verwaltung organisatorisch verselbständigt seien, nicht dagegen auch in größere organisatorische Einheiten integrierte Teileinrichtungen. Schulhorte seien keine neue Einrichtung. Hätten die Tarifvertragsparteien deren Leitung als Leitung einer Kindertagesstätte eingruppierungsrechtlich bewertet wissen wollen, würden sie die Protokollnotiz Nr. 4 entsprechend geändert haben, insbesondere bei der Neuregelung der Eingruppierungsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst zum 1. Januar 1991. Die Leitungsverantwortlichkeit für den Freizeitbereich einer Ganztagsgrundschule liege beim Schulleiter. Der dies in Abrede stellende Vortrag der Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz könne keine Berücksichtigung finden, weil angesichts der ausführlichen Ausbreitung des Prozeßstoffs kein weiterer Aufklärungsbedarf mehr bestanden habe. Auf den vergleichenden Vortrag der Klägerin zu ihren Aufgaben einerseits und denjenigen einer Hortleiterin andererseits komme es nicht an. Die Übererfüllung der Eingruppierungsvoraussetzungen der Vergütungsgruppe Vb BAT bedeute nicht die Erfüllung der Merkmale der nächsthöheren Gruppe. Angesichts der tariflichen Neuregelung der Eingruppierungsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst per 1. Januar 1991 in Kenntnis der Erscheinungsform schulintegrierter Horte könne auch eine der Ausfüllung zugängliche Tariflücke nicht angenommen werden. Der Rückgriff auf die allgemeinen Merkmale für den Verwaltungsdienst sei deshalb ebenfalls ausgeschlossen. Eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes habe die Klägerin nicht substantiiert dargelegt.
5. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Prüfung stand. Dem Landesarbeitsgericht ist darin beizupflichten, daß die Leitung des Freizeitbereichs einer Ganztagsgrundschule durch die Klägerin nicht als “Leitung einer Kindertagesstätte” im Sinne der Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 1, IVb Fallgruppe 4 des Teils II Abschn. G der Anlage 1a zum BAT anzusehen ist, denn die Leitung des Freizeitbereichs einer Ganztagsgrundschule liegt ebenso wie diejenige des unterrichtlichen Bereichs beim Schulleiter.
a) Leiter ist jemand, der etwas leitet (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 4. Band, 1982, S. 457), der die Leitung hat. Unter Leitung ist in der Verwaltungssprache die Verbindung von Aufgaben der Planung, Organisation, Anweisung, Koordination und Kontrolle zu verstehen (Eichhorn, Verwaltungslexikon, 2. Aufl., S. 525), also die organisatorische Gesamtzuständigkeit für die übertragene Aufgabe. Als Eingruppierungsmerkmal des BAT ist nach der Rechtsprechung des Senats für den Begriff des “Leiters” weiter erforderlich, daß dieser für eine Einrichtung, einen Teil derselben oder einen abgrenzbaren Aufgabenbereich die Verantwortung trägt (Urteil vom 23 . Mai 1973 – 4 AZR 349/72 – AP Nr. 69 zu §§ 22, 23 BAT; Urteil vom 16. April 1975 – 4 AZR 294/74 – AP Nr. 86 zu §§ 22, 23 BAT). Leiter einer Kindertagesstätte ist demnach derjenige, der für diese, ob es sich nun um eine selbständige Einrichtung handelt oder um eine in eine größere organisatorische Einheit integrierte Teileinrichtung, die Verantwortung trägt .
b) Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie leite den Freizeitbereich an der P… -D… -Schule alleinverantwortlich, während die verantwortliche Leitung für den Schulbetrieb beim Rektor liege. Sie geht also bei einer Ganztagsgrundschule von einem Nebeneinander zweier für separate Bereiche alleinverantwortlicher Leitungsträger aus. Dies findet in den einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen und Verwaltungsvorschriften keine Stütze.
aa) Nach § 22 Abs. 1 des Gesetzes über die Schulverfassung für die Schulen des Landes Berlin (Schulverfassungsgesetz – SchulVerfG) vom 11. Juli 1974 (GVBl S. 1537) in der Fassung vom 5. Februar 1979 (GVBl S. 398), zuletzt geändert durch Gesetz vom 26. Januar 1993 – GVBl S. 40 – leitet der Schulleiter die Schule auf kollegialer Grundlage nach den geltenden Vorschriften, den Anordnungen der zuständigen Behörde sowie den Beschlüssen der Gesamtkonferenz und der Schulkonferenz; er vertritt in diesem Rahmen die Schule gegenüber der Öffentlichkeit, den Behörden und den Eltern. Nach § 22 Abs. 2 SchulVerfG ist es die pädagogische Aufgabe des Schulleiters, u. a. auch auf die Verbesserung der Erziehungsarbeit hinzuwirken. Er ist verpflichtet, sich auch über die Erziehungsarbeit an der Schule zu informieren, und berechtigt, die Sozialpädagogen und Erzieher zu beraten. Nach § 22 Abs. 3 SchulVerfG soll er in die Erziehungsarbeit allerdings nur im Benehmen mit der entsprechenden Fachkonferenz und nur dann eingreifen, wenn es zur rechtmäßigen oder sachgerechten Durchführung der Erziehung geboten ist. Im Rahmen seiner Verwaltungsaufgaben ist der Schulleiter nach § 22 Abs. 4 SchulVerfG nicht nur gegenüber den an der Schule tätigen Lehrern, sondern auch gegenüber den schulischen Mitarbeitern weisungsberechtigt. Schulische Mitarbeiter im Sinne dieses Gesetzes sind nach § 3 Abs. 2 SchulVerfG alle an der Schule tätigen Dienstkräfte außer den Lehrern und den Leitern der Vorklassen, also insbesondere auch die im Freizeitbereich tätigen Erzieher.
Die Verantwortung für die Durchführung der Bildungs- und Erziehungsarbeit trägt demnach für die gesamte Schule und damit auch für den ihr organisatorisch eingegliederten Freizeitbereich einer Ganztagsschule der Schulleiter. Er ist Vorgesetzter aller an der Schule tätigen Personen. Ihm obliegt neben der Verantwortung für die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Aufgabenkreis der äußeren Verwaltung: Dazu gehört vor allem die Sorge für Pflege, Reinigung, Betriebs-, Feuer- und Verkehrssicherheit des Schulgrundstücks, Schulgebäudes und Schulinventars, die Dienstaufsicht über das Hilfspersonal der Schule, die Bewirtschaftung der der Schule zur Verfügung stehenden Mittel, Anmeldung des finanziellen Bedarfs beim Schulträger, Führung der laufenden Verwaltungsgeschäfte, Bücherlisten etc., des Schriftverkehrs mit Schulträger, Schulaufsichtsbehörde, Eltern, Publikum und sonstigen Dienststellen. Er nimmt das Hausrecht wahr und vertritt die Schule nach außen (Heckel/Avenarius Schulrechtskunde, 6. Aufl., S. 77 f., 128 f.). Diese Aufgaben obliegen ihm nach dem SchulVerfG bei Grundschulen mit Ganztagsbetrieb auch für den Freizeitbereich, denn für diese gilt hinsichtlich der Schulleitung keine § 22 SchulVerfG abbedingende oder ändernde Sonderregelung.
bb) Eine solche Sonderregelung über die Aufteilung der Verantwortung an einer Ganztagsgrundschule auf den Leiter des unterrichtlichen Bereichs einerseits und den des Freizeitbereichs andererseits würde der Zielsetzung und der darauf ausgerichteten Organisation der Ganztagsschule im beklagten Land nicht entsprechen: Nach Nr. 30 Abs. 1 Satz 3 der Grundschulordnung vom 7. Juli 1980 (ABl S. 1139), geändert durch Verwaltungsvorschriften vom 21. Juli 1982 (ABl S. 1018), in der Fassung der Zweiten Verwaltungsvorschriften zur Änderung der Grundschulordnung vom 5. Februar 1986 (ABl S. 518 519) integrieren Ganztagsgrundschulen Unterricht, außerunterrichtliche Arbeitsgemeinschaften, Schülerarbeitsstunden und Freizeitangebote im Rahmen einer 5-Tage-Woche. Nach Nr. 30 Abs. 2 Grundschulordnung haben in Ganztagsgrundschulen der Unterricht und der außerunterrichtliche Bereich eine aufeinander abgestimmte pädagogische Zielsetzung. Nach Abs. 5 dieser Vorschrift wird der Unterricht an Ganztagsgrundschulen nach der geltenden Stundentafel und den Rahmenplänen erteilt. Neben dem Unterricht nehmen die Ganztagsschüler an den weiteren verbindlichen Veranstaltungen teil, die für sie vorgesehen sind (Gruppenbetreuung, Hobbykurse, Mittagspause einschließlich Mittagessen, gegebenenfalls Schülerarbeitsstunden). Hinzu kommt, daß nach Nr. 30 Abs. 4d Grundschulordnung der Unterricht ausschließlich vom Lehrer erteilt, während die Freizeitbetreuung hingegen lediglich “überwiegend von Erziehern durchgeführt” wird. Das bedeutet, daß auch Lehrer im Freizeitbereich eingesetzt werden können. Die Klägerin nimmt selbst nicht für sich in Anspruch, bei Einsatz von Lehrern im Freizeitbereich diesen gegenüber weisungsbefugt zu sein.
Dieser Zielsetzung der Nr. 30 Grundschulordnung entsprechend ist die einheitliche Leitung des unterrichtlichen Bereichs und des Freizeitbereichs gemäß § 22 SchulVerfG dem Schulleiter übertragen.
cc) Angesichts dieser eindeutigen Regelung der Leitungszuständigkeit für Ganztagsgrundschulen kann der Vortrag der Klägerin, es sei nicht der Schulleiter derjenige, der an der P… -D… -Schule den Freizeitbereich leite, nicht als eine Tatsachenbehauptung, sondern nur als eine unzutreffende Rechtsansicht gewertet werden.
dd) Ob und unter welchen Voraussetzungen der Leiter einer Kinderbetreuungsstube einer Behörde oder eines Krankenhauses – diese Beispiele nennt die Klägerin – als “Leiter einer Kindertagesstätte” eingruppiert ist, bedarf hier keiner Erörterung. Für dessen Stellung spielt die Vorschrift des § 22 SchulVerfG, die für die Entscheidung des vorliegenden Falles von maßgeblicher Bedeutung ist, keine Rolle.
ee) Da die Tätigkeit der Klägerin dem Tatbestandsmerkmal des “Leiters einer Kindertagesstätte” nicht entspricht, ist sie weder in das Eingruppierungsmerkmal der Vergütungsgruppe IVb Fallgruppe 4 noch in dasjenige , der Vergütungsgruppe IVa Fallgruppe 1 BAT eingruppiert.
6. Selbst wenn entgegen den vorstehenden Ausführungen angenommen werden könnte, trotz der Regelungen des § 22 SchulVerfG und Nr. 30 Grundschulordnung sei es möglich, daß der Klägerin die Leitung des Freizeitbereichs im Sinne der hier interessierenden Merkmale übertragen ist, muß die Klage abgewiesen werden. Das beklagte Land hat substantiiert bestritten, daß die Leitungsaufgaben der Klägerin denjenigen der Leiterin einer Kindertagesstätte in Form einer selbständigen Einrichtung entsprechen, und zwar hinsichtlich der Zuständigkeit für die Entscheidung über die Aufnahme von Kindern, der Verwaltung des Etats für Spiel, Beschäftigungsmaterial und Möbel , über die Nutzung der Räume, über Mittel zur Verschönerung und Erhaltung der Einrichtung, der Verantwortung für Arbeitsgemeinschaften, der Vorgesetzenstellung im Verhältnis zu Erziehern und der Beköstigung der Kinder. Auf der Grundlage dieses Vortrags der Beklagten kann die Klage keinen Erfolg haben, weil danach in der Tätigkeit der Klägerin im Vergleich zu derjenigen der Leiterin einer Kindertagesstätte als selbständige Einrichtung wesentliche Leitungsaufgaben fehlen, Die Klage kann daher nur dann Erfolg haben, wenn die Klägerin einen davon abweichenden – schlüssigen – Sachvortrag nachweist. Sie hat es jedoch vesäumt, für ihr tatsächliches Vorbringen Beweis anzubieten. Ihr gesamtes Vorbringen in beiden Tatsacheninstanzen enthält keinen einzigen Beweisantrag.
7. Unter diesen Umständen geht ihre Verfahrensrüge der mangelhaften Sachverhaltsaufklärung durch das Landesarbeitsgericht fehl. Diese Rüge ist auch inhaltlich unklar. Soweit es sich um eine Rüge nach § 139 ZPO handeln sollte, hätte die Klägerin im einzelnen angeben müssen, welche Fragen hätten gestellt werden müssen und was sie darauf erwidert hätte (BAGE 43, 271 = AP Nr. 3 zu § 23 KSchG 1969). Wenn mit der Rüge gemeint sein sollte, das Landesarbeitsgericht habe über ihr streitiges Vorbringen in dem nachgelassenen Schriftsatz Beweis erheben müssen, ist die Rüge deshalb unberechtigt, weil es an Beweisanträgen der Klägerin fehlt, denen das Landesarbeitsgericht hätte nachgehen können.
8. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum Nichtbestehen eines Anspruchs der Klägerin auf die geforderte Vergütung wegen Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes werden von der Klägerin mit der Revision nicht beanstandet.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Schneider, Bott, J. Ratayczak, Grätz
Fundstellen
Haufe-Index 870896 |
NZA 1996, 446 |