Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvertragliches Sterbegeld
Leitsatz (amtlich)
1. Das tarifvertragliche Sterbegeld nach § 17 MTV für den Einzelhandel in Bayern idF vom 22./23. Juni 1993 ist nur zu zahlen, wenn der überlebende und der verstorbene Ehegatte (Arbeitnehmer) im Zeitpunkt des Todesfalls in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben.
2. Es bleibt ausdrücklich dahingestellt, ob Tarifvertragsparteien an die Grundrechte, insbesondere an Art. 3 Abs. 1 GG, und an den daraus abzuleitenden allgemeinen Gleichheitssatz gebunden sind (siehe auch BVerfG Beschluß vom 21. Mai 1999 – 1 BvR 726/98 – EzA GG Art. 3 Nr. 72 a).
Normenkette
TVG § 1; GG Art. 3 Abs. 1, 3, Art. 6; Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz; MTV für den Einzelhandel in Bayern i.d.F. vom 22./23. Juni 1993, § 17
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 3. Juni 1998 – 4 Sa 451/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Tatbestand
Die Klägerin verfolgt im Rahmen einer Stufenklage ihren Anspruch auf Zahlung des Sterbegeldes gemäß § 17 des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Bayern (nachfolgend MTV).
Sie war mit Herrn L etwa 36 Jahre verheiratet gewesen. Seit 1992 lebten die Eheleute getrennt. Die Ehe wurde nicht geschieden, sondern durch den Tod des Ehemanns am 21. Juni 1996 aufgelöst.
Herr L war bei der Beklagten seit dem 19. April 1982 beschäftigt, und zwar aufgrund des Arbeitsvertrages vom 15. April 1982, der in Ziff. 9 ergänzend auf die einschlägigen und jeweils neuesten Tarifverträge des zuständigen Einzelhandel-Arbeitge-berverbandes verwies. Die Regelung über die Zahlung des Sterbegeldes in § 17 Nr. 1 MTV idF vom 22./23. Juni 1993 lautet:
„Hinterläßt ein Beschäftigter einen unterhaltsberechtigten Ehegatten und/oder unterhaltsberechtigte Kinder unter 27 Jahren, deren Berufsausbildung noch nicht beendet ist, oder körperlich, geistig oder seelisch behinderte Kinder, die außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (ohne Altersgrenze) und hat in diesen Fällen mit den genannten Personen eine häusliche Gemeinschaft bestanden, so ist das Entgelt für den Rest des Sterbemonats und dann Sterbegeld nach folgender Staffelung zu zahlen:
- Nach ununterbrochener Betriebszugehörigkeit von 3 Jahren 1 Monat,
- nach ununterbrochener Betriebszugehörigkeit von 5 Jahren 2 Monate
- nach ununterbrochener Betriebszugehörigkeit von 10 Jahren oder nach einem tödlichen Arbeitsunfall, soweit dieser nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht, 3 Monate.”
Die Klägerin meint, daß ihr nach § 17 Nr. 1 MTV das Sterbegeld zustehe, und hat im wesentlichen vorgetragen:
Aus der Regelung des MTV ergebe sich nicht, daß die häusliche Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers bestanden haben müsse. Deshalb sei es ausreichend, daß überhaupt eine häusliche Gemeinschaft bestanden habe.
Jedenfalls könne der Klägerin, die mit Herrn L 32 Jahre in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe, der Anspruch auf Sterbegeld nicht versagt werden. Das Festhalten an dem Erfordernis der häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Todes verstoße gegen Art. 3 Abs.1 GG und gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil es sachlich nicht gerechtfertigt sei. Das Sterbegeld solle den überlebenden Familienangehörigen für den Wegfall der Unterhaltsberechtigung einen Ausgleich geben. Auch der getrennt lebende Ehegatte könne Erbe des verstorbenen Arbeitnehmers sein und dadurch die gleichen Ausgaben haben wie ein in häuslicher Gemeinschaft lebender Ehegatte.
Im übrigen sei die Voraussetzung einer zum Zeitpunkt des Todes noch bestehenden häuslichen Gemeinschaft diskriminierend, etwa wenn die häusliche Gemeinschaft erst einen Tag vorher aufgehoben worden sei, wenn die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft von dem Arbeitnehmer veranlaßt worden sei, wenn die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft lediglich zur Erprobung erfolgt sei oder wenn die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft bei einer intakten Ehe durch objektive Umstände, etwa einen Pflegefall oder eine beruflich erzwungene Trennung, bedingt sei. Die Regelung diskriminiere insbesondere Frauen, weil prozentual gesehen immer noch der Ehemann der Hauptverdiener sei.
Die Klägerin hat beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über
- die Höhe des Brutto- und Nettolohnes für den Monat Juni 1996 von Herrn W L,
- den Empfänger des Nettobetrages des Lohnanspruches für den Monat Juni 1996 von Herrn L zu erteilen.
- Die Beklagte wird verurteilt, gegebenenfalls die Richtigkeit der Angaben an Eides Statt zu versichern.
- Die Beklagte wird nach erteilter Auskunft zur Zahlung des Sterbegeldes verurteilt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Meinung, daß der Klägerin nach dem MTV kein Sterbegeld zustehe und diese Regelung auch wirksam sei.
Nach § 17 Nr. 1 MTV müsse die häusliche Gemeinschaft zum Todeszeitpunkt des Arbeitnehmers bestehen. Darin liege keine Diskriminierung der überlebenden Ehegattin, weil die Tarifvertragsparteien bewußt unterschieden hätten zwischen dem von ihnen geregelten Sterbegeld und dem Unterhaltsanspruch der getrennt lebenden Ehefrau. Die Klägerin verstoße gegen Treu und Glauben, wenn sie mit ihrem Ehemann zwar nicht zusammenleben, aber auf die finanziellen Vorteile nicht verzichten wolle.
Die Tarifvertragsparteien hätten auch wirksam festlegen können, daß das Sterbegeld dem überlebenden Ehegatten nur zustehe, wenn eine häusliche Gemeinschaft noch bestanden habe. Die unterschiedliche Behandlung von getrennt lebenden und zusammenlebenden Ehepartnern sei nicht diskriminierend, weil dadurch der Anspruch dem Ehepartner einer intakten Ehe zugebilligt werde. Dadurch werde der in der Regel geringeren gefühlsmäßigen Bindung des getrennt lebenden Ehegatten und dementsprechend dem geringeren Schmerz beim Todesfall Rechnung getragen. Diese Unterscheidung werde auch in anderen Rechtsbereichen, zB im Steuerrecht gemacht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, weil entsprechend der Auffassung der Vorinstanzen § 17 Nr. 1 MTV den Anspruch auf Bezug des Sterbegeldes auch davon abhängig macht, daß die häusliche Gemeinschaft mit dem Anspruchsberechtigten zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers noch bestanden hat und weil diese Regelung rechtlich wirksam ist.
I. Die Vorinstanzen haben zutreffend die als Stufenklage gem. § 254 ZPO gestellten Anträge insgesamt abgewiesen. Während bei einer stattgebenden Entscheidung lediglich über den vorgreiflichen Antrag, hier also den Auskunftsanspruch entschieden werden darf, wird eine abweisende Entscheidung zu allen Anträgen für zulässig erachtet, insbesondere wenn Auskunftsanspruch und Leistungsanspruch aus dem gleichen Grund abgewiesen werden (BAG 18. Juni 1963 – 5 AZR 146/62 – BAGE 14, 212, 223 f.; BGH 8. Mai 1985 – IV a ZR 138/83 – BGHZ 94, 268, 275). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, weil der Auskunftsanspruch zur Höhe der Vergütung als unselbständiger Anspruch nur gegeben ist, wenn die Klägerin hinsichtlich des Leistungsanspruchs anspruchsberechtigt ist.
II. Die Vorinstanzen haben die Klage im Ergebnis zu Recht insgesamt abgewiesen, indem sie § 17 Nr. 1 MTV dahingehend ausgelegt haben, daß die häusliche Gemeinschaft des Arbeitnehmers mit seiner Ehefrau noch zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers bestehen muß. Weil diese Voraussetzung nicht gegeben war, besteht für den Auskunftsanspruch der Klägerin ebenso wie für ihren unbezifferten Leistungsanspruch keine Anspruchsgrundlage.
1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Beim nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 14. April 1999 – 4 AZR 189/98 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu 5 b dd (1) der Gründe).
2. Bereits der Wortlaut der Regelung in § 17 Nr. 1 MTV spricht dafür, daß die häusliche Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers bestanden haben muß. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die in einer Norm benannten Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entstehung des Anspruch gegeben sein müssen, wenn keine entgegenstehenden Formulierungen gewählt worden sind. Auch die weiteren benannten Voraussetzungen für den Bezug des Sterbegeldes, dh. die Unterhaltsberechtigung und die Altersgrenze von unter 27 Jahren bei den Kindern, müssen zum Zeitpunkt des Todes gegeben sein. Wenn die Klägerin demgegenüber auf die Vergangenheitsform der Formulierung „und hat in diesen Fällen mit den genannten Personen eine häusliche Gemeinschaft bestanden” verweist, so erklärt sich das zwanglos daraus, daß die häusliche Gemeinschaft mit dem Tode des Ehegatten endet, und somit eine Formulierung in der Gegenwartsform nicht angezeigt ist.
Daß nach § 17 Nr. 1 MTV die häusliche Gemeinschaft zum Todeszeitpunkt des Arbeitnehmers bestanden haben muß, wird auch deutlich, wenn man die anderen berechtigten Angehörigengruppen in die Betrachtung einbezieht, nämlich die noch nicht 27jährigen unterhaltsberechtigten Kinder und die behinderten Kinder, die außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Das Erfordernis der häuslichen Gemeinschaft bezieht sich nach dem Inhalt der Regelung ausdrücklich auch auf diese Angehörigen und kann auch insoweit nur dahingehend verstanden werden, daß die häusliche Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers noch bestanden haben muß. Denn es macht keinen Sinn, die Berechtigung von behinderten Kindern oder von Kindern unter 27 Jahren davon abhängig zu machen, daß sie irgendwann einmal bzw. für einen gewissen Zeitraum in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitnehmer gelebt haben.
Soweit die Klägerin im Rahmen der von ihr vertretenen Auslegung argumentiert, daß die Regelung den Ausgleich für die wegfallende Unterhaltsberechtigung bezwecke und somit das Kriterium der häuslichen Gemeinschaft ungeeignet sei, verkennt sie, daß die Tarifvertragsparteien ausdrücklich die häusliche Gemeinschaft als zusätzliche Voraussetzung normiert haben. Das Sterbegeld kann und will nicht die wegfallende Unterhaltspflicht kompensieren, sondern die besonderen Erschwernisse, die sich aus der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft durch den Tod des Arbeitnehmers ergeben. Dieser Zweckbestimmung widerspricht das zusätzlich normierte Erfordernis der bestehenden Unterhaltsverpflichtung nicht. Ein auf Grund des bestehenden Unterhaltsanspruchs idR wirtschaftlich abhängiger Familienangehöriger wird durch die plötzliche Auflösung der häuslichen Gemeinschaft typischerweise stärker belastet als ein nicht unterhaltsberechtigter Familienangehöriger.
3. Hinzu kommt, daß eine abweichende Auslegung, die nicht auf das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers abstellt, zu einer unvollständigen bzw. unklaren Regelung führen würde. Denn dann würde sich die tarifvertraglich nicht geregelte Frage stellen, wann und wie lange die häusliche Gemeinschaft bestanden haben muß, um den Anspruch auf Sterbegeld zu begründen.
III. Zu Unrecht meint die Revision, § 17 Nr. 1 MTV verstoße gegen Grundrechte, vor allem gegen Art. 3 Abs. 1 GG und den daraus abgeleiteten allgemeinen Gleichheitssatz bzw. arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, soweit darin gefordert werde, daß die häusliche Gemeinschaft im Zeitpunkt des Todes des Arbeitnehmers bestanden habe.
1. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat eine unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte, vor allem an den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, mit Rücksicht auf Art. 1 Abs. 3 GG ständig angenommen (BAG seit 15. Januar 1955 – 1 AZR 305/54 – BAGE 1, 258, 262; 6. April 1955 – 1 AZR 365/54 – BAGE 1, 348, 352). Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts meint, daß (nur) die Schutzpflichtfunktion der Grundrechte zu einer richterlichen Kontrolle von Tarifregelungen führt (BAG 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 – BAGE 88, 118, 124). Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluß vom 23. April 1986 über eine Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG 22. August 1979 – 5 AZR 1066/77 – AP BGB § 611 Deputat Nr. 3) zur Auslegung eines Sozialplanes, der seinerseits auf eine tarifvertragliche Regelung verwies (Barabgeltungsanspruch für sog. Hausbrandkohle), erkannt, eine Bindung des Richters an die Grundrechte bei der streitentscheidenden Tätigkeit auf dem Gebiet des Privatrechts (hier: Auslegung von Sozialplänen) komme zwar nicht unmittelbar, wohl aber insoweit in Betracht, als das Grundgesetz in seinem Grundrechtsabschnitt zugleich Elemente objektiver Ordnung aufgerichtet habe, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts Geltung haben, mithin auch das Privatrecht beeinflussen (BVerfG 23. April 1986 – 2 BvR 487/80 – BVerfGE 73, 261). Im Beschluß vom 21. Mai 1999 über die Nichtannahme einer Verfassungsbeschwerde gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, worin einem Partner einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft ein tariflicher Verheiratetenzuschlag versagt worden ist, hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offengelassen, ob die Tarifvertragsparteien an den allgemeinen aus Art. 3 Abs. 1 GG fließenden Gleichheitssatz gebunden sind (BVerfG 21. Mai 1999 – 1 BvR 726/98 – EzA GG Art. 3 Nr. 72 a).
2. Ob und inwieweit Tarifvertragsparteien unmittelbar an die Grundrechte, vor allem an den allgemeinen Gleichheitssatz oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn man eine solche Bindung zu Gunsten der Klägerin als rechtlich gegeben unterstellt, liegt der behauptete Grundrechtsverstoß nicht vor. Er setzt voraus, daß eine Gruppe im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchen Gewichts bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Die Grenze zur Willkür wird jedoch durch eine Regelung nicht schon dann überschritten, wenn die gefundene Lösung nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste ist, sondern erst dann, wenn sich ein sachgerechter Grund für die Regelung nicht finden läßt.
Eine solche willkürliche Schlechterstellung ist nicht zu erkennen. Soweit die Klägerin dazu geltend macht, daß das Kriterium der häuslichen Gemeinschaft überhaupt kein sachlicher Gesichtspunkt für den Anspruch auf Sterbegeld sei, verkennt sie, daß entsprechend den obigen Darlegungen die Tarifvertragsparteien die spezifischen Belastungen kompensieren wollen, die sich aus der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft durch den Tod des Arbeitnehmers ergeben. Ausgehend von dieser Zweckbestimmung ist es keinesfalls willkürlich, sondern konsequent, das Bestehen der häuslichen Gemeinschaft zum Zeitpunkt des Todes zur Voraussetzung zu machen. Auch die von der Klägerin eingeführten Fallkonstellationen, zB die kurz vor dem Tode, die von dem Arbeitnehmer zu verantwortende oder die durch objektive Umstände bedingte Auflösung der häuslichen Gemeinschaft, können die Sachgerechtigkeit der Regelung nicht in Frage stellen, weil in diesen Fällen die Belastung der Auflösung der häuslichen Gemeinschaft bereits vorher eingetreten ist und nicht durch den Tod des Arbeitnehmers verursacht wird.
3. Ebensowenig kommt ein Verstoß gegen Art. 6 GG in Betracht, weil daraus nicht abgeleitet werden kann, daß die Tarifvertragsparteien mit der Regelung des Sterbegeldes eine weitergehende oder andere Zweckbestimmung verfolgen müssen. Der verfassungsrechtliche Schutz von Ehe und Familie verpflichtet die Tarifvertragsparteien nicht, bei der Regelung des Sterbegeldes allein auf die bestehende Unterhaltspflicht und nicht zusätzlich auf die noch bestehende häusliche Gemeinschaft abzustellen.
4. Auch der Hinweis der Klägerin, daß prozentual gesehen der Ehemann immer noch der Hauptverdiener sei, begründet keine Bedenken gegen die Wirksamkeit der Regelung unter dem Gesichtspunkt des Benachteiligungsverbotes in Art. 3 Abs. 3 GG oder unter dem Gesichtspunkt des Verbots der mittelbaren Diskriminierung. Denn die tarifliche Regelung über das Sterbegeld ist geschlechtsneutral formuliert worden und der statistische Umstand hinsichtlich der Hauptverdienerrolle führt gerade dazu, daß überwiegend Frauen von der tariflichen Regelung über das Sterbegeld begünstigt werden.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Friedrich, Wolter, Seifner, Ratayczak
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 05.10.1999 durch Freitag, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 303 |
BB 2000, 884 |
DB 2000, 980 |
EBE/BAG 2000, 66 |
RdA 2000, 310 |
SAE 2000, 168 |
ZTR 2000, 272 |
AP, 0 |
RdW 2000, 341 |