Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Weihnachtszuwendung. Erziehungsurlaub
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. März 1996 – 10 Sa 1457/95 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer tariflichen Weihnachtszuwendung für das Jahr 1994.
Die Klägerin war seit dem 18. April 1984 im Friseurbetrieb des Beklagten beschäftigt, zunächst als Auszubildende, dann als Friseuse.
Auf das Arbeitsverhältnis fand im Klagezeitraum der für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag über Weihnachtszuwendungen an Arbeitnehmer/innen im Friseurhandwerk im Land Nordrhein-Westfalen (gültig ab 1. Januar 1993) vom 17. Dezember 1992 (im folgenden: TV-Weihnachtszuwendung) Anwendung.
Dieser Tarifvertrag lautet, soweit vorliegend von Interesse:
§ 2
Anspruchsvoraussetzung
(1) Der/Die Arbeitnehmer/in erhält in jedem Kalenderjahr eine Zuwendung, wenn er/sie
- am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis steht und
- nicht in der Zeit bis einschließlich 31. März des folgenden Kalenderjahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch ausscheidet.
(2) Der/Die Arbeitnehmer/in, dessen/deren Arbeitsverhältnis spätestens mit Ablauf des 30. November endet, erhält eine Zuwendung, wenn er/sie seit dem 1. Juli ununterbrochen in einem Betrieb des Unternehmens oder des Betreibers beschäftigt war und wenn er/sie wegen
- Erreichens der Altersgrenze,
- Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit,
- einer Körperbeschädigung, die ihn/sie zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unfähig macht oder
einer in Ausübung oder in Folge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung, die seine/ihre Arbeitskraft für längere Zeit wesentlich herabsetzt,
ausgeschieden ist oder
wegen Erfüllung der Voraussetzungen zum Bezug des Altersruhegeldes nach § 1248 Abs. 1 RVO, § 25 Abs. 1 AVG oder § 48 Abs. 1 Nr. 1 RKG
gekündigt oder einen Auflösungsvertrag geschlossen hat.
…
(4) Wenn das Arbeitsverhältnis im laufenden Kalenderjahr mindestens 5 Monate bestanden hat und vor dem 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres aufgrund einseitiger Erklärung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin wegen Erziehungsurlaubes ruht, erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin in diesem Kalenderjahr eine Zuwendung gemäß § 3.
§ 3
Höhe der Zuwendung
(1) Die Zuwendung beträgt |
für das Jahr 1993 |
40 v. H. |
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für das Jahr 1994 |
45 v. H. |
|
ab dem Jahr 1995 |
50 v. H. |
des Tariflohnes für den Monat November, der dem/der Arbeitnehmer/in zugestanden hätte, wenn er/sie während des gesamten Monats November gearbeitet hätte.
(2) Der/Die Arbeitnehmer/in, der/die am Stichtag 1. Dezember einem Betrieb des Unternehmers oder Betreibers noch keine fünf Monate angehört, erhält für jeden vollen Monat der Beschäftigung 1/12 der Zuwendung nach Absatz 1.
Nach der Geburt ihres ersten Kindes und dem Ablauf der Beschäftigungsverbote nach dem Mutterschutzgesetz nahm die Klägerin ab dem 14. Mai 1993 für drei Jahre Erziehungsurlaub in Anspruch.
Nachdem die Klägerin die Weihnachtszuwendung für 1993 erfolgreich gerichtlich geltend gemacht hatte, verlangte sie mit Schreiben vom 23. Dezember 1994 vom Beklagten auch für das Jahr 1994 die Zahlung der tariflichen Weihnachtszuwendung in Höhe von 45 % ihres Tariflohnes.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.035,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 16. Dezember 1994 zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Er ist der Auffassung, daß nach der tariflichen Regelung ab dem zweiten Kalenderjahr, in dem Erziehungsurlaub genommen wird, in keinem Fall eine Zuwendung mehr gezahlt werden müsse. Dies ergebe sich insbesondere aus der Formulierung in § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung, nach welcher der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin „in diesem Kalenderjahr” eine Zuwendung erhalte.
Das Arbeitsgericht hat erneut eine Tarifauskunft der Tarifvertragsparteien unter anderem zu der Frage eingeholt, ob nach ihrem Willen der Zuwendungsanspruch auf das erste Jahr des Erziehungsurlaubs habe beschränkt werden sollen. Die tarifschließende Bezirksverwaltung NW II der ÖTV hat darauf u.a. mitgeteilt, eine Beschränkung der Weihnachtszuwendung auf das erste Jahr des Erziehungsurlaubs sei Gegenstand der Tarifverhandlungen gewesen. Eine Beschränkung auf das erste Jahr des Erziehungsurlaubs sei mit Blick auf die finanziellen Möglichkeiten der Branche so gewollt gewesen. Insoweit handele es sich um einen Tarifkompromiß, der an anderer Stelle des Tarifvertrages zugunsten der Beschäftigten habe kompensiert werden können. Der tarifschließende Innungsverband des Friseurhandwerks Westfalen-Lippe teilte ebenfalls mit, daß die Reduzierung der Weihnachtszuwendung auf das erste Jahr des Erziehungsurlaubs Gegenstand der Tarifverhandlungen gewesen sei. Im Zuge der ausgehandelten neuen Lohnsätze habe sich die Arbeitnehmerseite mit einer Beschränkung der Weihnachtszuwendung auf das erste Jahr des Erziehungsurlaubs einverstanden erklärt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter, während der Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Sie kann für 1994, das zweite Kalenderjahr, in dem sie sich im Erziehungsurlaub befindet, keine Weihnachtszuwendung beanspruchen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne keine Weihnachtszuwendung beanspruchen, weil der tarifliche Anspruch auf das erste Jahr des Erziehungsurlaubs beschränkt sei. Zwar sei der Wortlaut des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung nicht eindeutig, jedoch sei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mitzuberücksichtigen und die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages hinzuzuziehen. Nach den übereinstimmenden Auskünften der Tarifvertragsparteien habe der Anspruch auf die Weihnachtszuwendung auf das erste Jahr des Erziehungsurlaubs beschränkt werden sollen.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.
1. Die in § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung enthaltene Sonderregelung für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor dem 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres wegen der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub zum Ruhen gekommen ist, führt im zweiten Kalenderjahr des Erziehungsurlaubs zu einem Anspruchsausschluß.
a) Bereits aus dem Wortlaut des Tarifvertrages folgt, daß der Anspruch auf eine Weihnachtszuwendung auf das erste Kalenderjahr des Erziehungsurlaubs beschränkt ist.
Zwar bestand auch im Jahre 1994, dem zweiten Kalenderjahr, in dem die Klägerin Erziehungsurlaub genommen hatte, zwischen den Parteien mindestens fünf Monate ein Arbeitsverhältnis, welches vor dem 1. Dezember 1994 auf Grund einseitiger Erklärung der Klägerin wegen Erziehungsurlaubs ruhte. Allerdings soll nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 4 TV-Weihnachtszuwendung ein Zuwendungsanspruch nur in dem Kalenderjahr entstehen, in dem der Arbeitnehmer den Erziehungsurlaub beantragt hat. Das wird deutlich durch die Formulierung „wenn das Arbeitsverhältnis … vor dem 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres aufgrund einseitiger Erklärung … der Arbeitnehmerin wegen Erziehungsurlaubes ruht, erhält … die Arbeitnehmerin in diesem Kalenderjahr eine Zuwendung”. Die Einfügung des Satzteiles „in diesem Kalenderjahr” beschränkt den Anspruch auf das Kalenderjahr, in dem der Arbeitnehmer Erziehungsurlaub beantragt hat, da er anderenfalls überflüssig wäre. Die Verwendung des Wortes „diesem” bekräftigt außerdem, daß die Tarifvertragsparteien den Anspruch auf das Jahr beschränken wollten, in dem der Erziehungsurlaub beantragt worden ist.
b) Auch der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien stützt dieses Auslegungsergebnis.
Wie sich aus den übereinstimmenden Auskünften der Tarifvertragsparteien ergibt, war die Reduzierung der Weihnachtszuwendung auf das erste Kalenderjahr, in dem Erziehungsurlaub genommen wurde, Gegenstand der Tarifverhandlungen. Beide Tarifvertragsparteien wollten den Zuwendungsanspruch auf dieses erste Kalenderjahr beschränken.
Diese Regelungsabsicht der Tarifvertragsparteien hat durch die Formulierung „in diesem Kalenderjahr” im TV-Weihnachtszuwendung auch Niederschlag gefunden, was Voraussetzung dafür ist, daß der Wille der Tarifvertragsparteien bei der Auslegung eines Tarifvertrages mitberücksichtigt werden kann (ständige Rechtsprechung; vgl. BAG Urteil vom 17. April 1996 – 10 AZR 617/95 – AP Nr. 18 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen, m.w.N.).
Nach alledem hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen, so daß die Revision der Klägerin zurückzuweisen war.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Schaeff, Tirre
Fundstellen