Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Flugkapitäns wegen Nichtbestehens der Überprüfungsflüge. Parallelsache zu BAG 7. Dezember 2000 – 2 AZR 459/99 –
Normenkette
KSchG §§ 1, 4, 6-7; BGB § 162; LuftVG § 4 Abs. 1; LuftPersV §§ 17, 128; LuftBO §§ 40, 42; LuftVZO § 28a; VwGO § 42
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 30. April 1999 – 13 Sa 1416/96 – aufgehoben, soweit es auf die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. November 1995 zum 30. Juni 1996 erkannt hat.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 2. Mai 1996 – 11 Ca 8897/95 – wird auch insoweit zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sowie die Verpflichtung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers.
Der am 25. Juli 1947 geborene, verheiratete Kläger wurde von der Beklagten gemäß Arbeitsvertrag vom 23. August 1990 seit 1. August 1990 als Flugkapitän auf dem Flugzeugmuster MD-80 beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Firmentarifverträge der Beklagten in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 8. November 1995 die aufgrund des Tarifvertrages gem. § 117 Abs. 2 BetrVG gewählte Personalvertretung zu einer beabsichtigten fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung an, zu deren Begründung sie sich darauf berief, der Kläger verfüge nach nicht bestandenen Überprüfungsflügen im Simulator am 12. September und 3. November 1995 nicht mehr über eine gültige Lizenz.
Nach Zustimmung der Personalvertretung am 13. November 1995 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 14. November 1995, dem Kläger zugegangen am 21. November 1995, fristlos, hilfsweise fristgerecht zum nächstmöglichen Termin; nach Berechnung der Beklagten sollte dies der 31. März 1996 sein.
Mit seiner am 24. November 1995 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam. Die Überprüfungsflüge seien nicht im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften durchgeführt worden. Die Beklagte habe ihre Fürsorgepflicht verletzt. Sie habe mittels der Überprüfungsflüge Personalpolitik betrieben. Er sei von einer Reihe von Co-Piloten, Checkern und Mitgliedern der Flugbetriebsleitung der Beklagten “gemobbt” worden. Etwa ab 1993 seien Schwierigkeiten mit bestimmten bei der Beklagten beschäftigten Co-Piloten, Checkern und der Flugbetriebsleitung aufgetreten, weil er bei der Verteilung der Flugstunden eine gleichmäßige Berücksichtigung aller Mitarbeiter gefordert habe und weil er immer wieder darauf hingewiesen habe, daß er mit der Leistung einiger Co-Piloten nicht zufrieden sei. So habe er am 2. Juli 1994 bei der Vorbereitung eines Fluges festgestellt, daß der ihm zugeteilte Co-Pilot S.… keine ordnungsgemäße Flugvorbereitung durchgeführt habe. Der Co-Pilot habe es versäumt, die Nachrichten für Flugfahrer (notam) durchzuarbeiten. Er habe es daher abgelehnt, den Flug mit dem Co-Piloten durchzuführen. Nach dieser Entscheidung habe der Co-Pilot S…. entgegnet, daß er ohnehin die besseren Freunde bei der Flugbetriebsleitung und bei den von der Beklagten eingesetzten Checkern habe, und wenn man es sonst nicht schaffe, den Kläger loszuwerden, dann eben durch einen nicht bestandenen Überprüfungsflug. Insoweit habe es bei der Beklagten eine Allianz zwischen den Co-Piloten S.…, D.…, W.…, H.…, V.… und den Chekkern B.…, Du.…, K.… und Kr.… sowie der Flugbetriebsleitung in Person der Herren F.… und W.… gegeben.
Der Co-Pilot S.… habe sich dann auch bei Herrn Du.… in seiner Funktion als Checker und Ausbildungsleiter über den Kläger beschwert und die Einleitung von arbeitsrechtlichen Schritten gefordert. Dieser Sachverhalt sei von dem Checker Du.… in das Treffen der Checker Mitte des Jahres 1994 hineingetragen und es sei darauf hingewiesen worden, daß ja keine Abmahnung gegen den Kläger vorliege, man daher im Checkergremium wisse, was in einem solchen Fall zu tun sei. Mit dieser Äußerung sei gemeint gewesen, die Entlassung des Klägers über einen nicht bestandenen Überprüfungsflug zu betreiben. Auf diese von vielen Seiten der Geschäftsleitung mitgeteilten Machenschaften gehe ein Aushang über Mobbing am Schwarzen Brett vom 13. September 1994 zurück.
Als Ende März 1995 die Verlängerung seiner Lizenz angestanden habe, sei ein durch den Checker Du.…, der als Arbeitnehmer der Beklagten gleichzeitig vom LBA bestellter Sachverständiger sei, am 29. März 1995 im Simulator in Helsinki durchgeführter Check als nicht bestanden bewertet worden, obwohl seine, des Klägers, Leistungen völlig ausreichend gewesen seien. Überdies habe dieser Check nicht in einer ordnungsgemäßen Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit bestanden, sondern sei durchzogen gewesen von völlig undurchführbaren Flugsimulationen, unsinnigen Anweisungen usw. Der anschließende Wortwechsel zwischen ihm und Herrn Du.…, in dessen Verlauf von seiner Seite das Wort “Disziplinierungsmaßnahmen” gefallen sei, sei Anlaß für einen Briefwechsel mit der Flugbetriebsleitung gewesen, in dem diese die Anordnung gab, wenn er sich bis zu dem für den 10. April 1995 geplanten Simulator-Re-Check nicht bei Herrn Du.… entschuldige, werde er trotz eines bestandenen Checkflugs vom Flugeinsatz freigestellt und seine Lizenzverlängerung werde bis zur endgültigen Klärung ausgesetzt.
Der für die weitere Verlängerung seiner Lizenz am 12. September 1995 durch den Checker K.… durchgeführte Check sei ebenfalls nicht ordnungsgemäß erfolgt. Der Checker K.… habe alles unternommen, um ihn durchfallen zu lassen. So habe der Chekker zB dem Co-Piloten untersagt, ihm bei der Lösung eines im Rahmen des Checks eingegebenen Fehlers zu helfen. Sinngemäß sei die Äußerung gefallen: “M.…, wenn du dem H.… noch einmal versuchst zu helfen, bist du auch durchgefallen, weil der hat ja überhaupt keinen blassen Schimmer”. Nachdem dieser Check als nicht bestanden gewertet worden sei, seien beim Re-Check am 3. November 1995 wiederum seine Leistungen völlig ausreichend gewesen, soweit die Überprüfung den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe. Eine ordnungsgemäße Durchführung der Überprüfung habe aber schon deshalb nicht erfolgen können, weil der Simulator während der gesamten Prüfung Abnormalitäten gezeigt habe und zu guter Letzt das Computerprogramm abgestürzt sei, so daß Techniker der Finn-air den Simulator erst wieder hätten in Gang setzen müssen. Trotz Anfrage habe er keine schriftlichen Begründungen und keine Simulatorprotokolle für die angeblich nicht bestandenen Überprüfungen erhalten. Beim Re-Check sei von ihm ohne Anlaß eine Wiederholung des Theorietests gefordert worden, obwohl er diesen schon beim ersten Check bestanden habe.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die eingesetzten Checker seien gemäß § 20 VwVfG ausgeschlossen gewesen, weil sie zugleich Überprüfungen für die Beklagte durchführten und dafür ein zusätzliches Entgelt erhielten. Die daraus und aus der Überspannung der Anforderungen folgende Rechtswidrigkeit der Überprüfungen sei von den Arbeitsgerichten zu entscheiden. Auch wenn es insoweit um möglicherweise verwaltungsrechtliche Vorfragen gehe, könne er nicht auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen werden. Eine Kündigung sei nicht rechtmäßig, wenn mit der Erneuerung oder Verlängerung der Erlaubnis in absehbarer Zeit gerechnet werden könne. Die Überprüfungen könnten wiederholt werden, bis eine ausreichende fliegerische Leistung attestiert werden könne. Hiermit sei bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Checks zu rechnen, zumal ihm vor Ausspruch der Kündigung seine österreichische Lizenz verlängert worden sei. Zudem habe die auch von seinem Prozeßbevollmächtigten über das ihm gegenüber betriebene Mobbing informierte Beklagte die Nichtverlängerung bzw. Nichtanerkennung für Deutschland zu vertreten. Das LBA sei mit der Verweigerung der Anerkennung seiner österreichischen Lizenz einer Forderung der Beklagten nachgekommen. Nach dem MTV sei diese deshalb nicht zur Kündigung berechtigt.
Schließlich seien sowohl die außerordentliche als auch die hilfsweise ordentliche Kündigung wegen Fehlens einer erforderlichen vorherigen Abmahnung und auch deshalb unwirksam, weil die Beklagte keine vorübergehende oder dauerhafte anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers am Boden geprüft habe. Die Beklagte könne ihn zumindest für eine Übergangszeit in der Verwaltung (Flugbetrieb und Einsatzplanung) einsetzen, weil dort freie Stellen vorhanden seien. Dies habe sie auch nach dem ersten, angeblich nicht bestandenen Überprüfungsflug getan.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 14. November 1995 nicht aufgelöst worden ist;
- die Beklagte zu verurteilen, ihn zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags vom 23. August 1990 bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits als Kapitän weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die österreichische Lizenz des Klägers habe das LBA deshalb nicht anerkannt, weil dafür die Verlängerung/Erneuerung der entsprechenden Erlaubnis nach der LuftPersV verlangt werde, nicht dagegen wegen eines fehlenden Flugstundennachweises oder einer entsprechenden Aufforderung ihrerseits. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, denn es gehe im Streitfall nicht um einen verhaltens-, sondern um einen personenbedingten Kündigungsgrund. Soweit der Kläger die Korrektheit der Überprüfungen anzweifele, sei allein das Verwaltungsgericht zuständig. Die Checker handelten nicht als ihre Angestellten, sondern als öffentlich-rechtlich bestellte Sachverständige des LBA. In dieser Funktion seien sie von Weisungen der Beklagten unabhängig. Sie selbst könne deshalb den diesbezüglichen Vortrag des Klägers nur mit Nichtwissen bestreiten und verfüge aus eigener Kenntnis über keine Informationen. Eine schriftliche Begründung für das Nichtbestehen der Checks sei nicht vorgeschrieben und in allen deutschen Luftfahrtunternehmen unüblich. Fürsorgepflichten habe sie, die Beklagte, nicht verletzt. Das Mobbingschreiben vom 13. September 1994 sei nicht auf den Kläger gemünzt gewesen. Gemäß § 128 LuftPersV sei eine zweite Wiederholung der nicht bestandenen Überprüfung nur mit Zustimmung der Erlaubnisbehörde zulässig; eine solche habe der Kläger nicht beantragt.
Ihr sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ohne entsprechende Arbeitsleistung des Klägers als Flugzeugführer unzumutbar. Bei Ausfall eines Piloten wegen Lizenzverlusts bestehe wegen der gesetzlichen Flug- bzw. Flugdienstzeitenbeschränkung nicht die Möglichkeit, diesen Ausfall durch Überstunden bzw. Mehrflugstunden zu kompensieren. Vielmehr müsse in diesem Fall ein neuer Pilot eingestellt werden, was auch dessen kostenträchtige Schulung auf dem entsprechenden Flugzeugmuster erforderlich mache. Dafür entstünden Ausbildungskosten iHv. ca. 100.000 DM. Eine freie Arbeitsstelle im Bodenbereich sei nicht vorhanden, der Kläger würde eine solche Tätigkeit auch nicht akzeptieren. Im übrigen habe sich der Kläger innerhalb der Klagefrist nur gegen die fristlose Kündigung gewandt, so daß das Arbeitsverhältnis jedenfalls durch die ordentliche Kündigung beendet worden sei.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Feststellungsantrag des Klägers erkannt, seinen Weiterbeschäftigungsantrag hat es abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, das Arbeitsverhältnis sei zwar nicht durch die außerordentliche Kündigung, jedoch durch die ordentliche Kündigung aufgelöst worden, allerdings erst mit Wirkung zum 30. Juni 1996. Die weitergehende Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiterhin die Feststellung, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 14. November 1995 überhaupt nicht aufgelöst worden, sowie die Verurteilung der Beklagten zu seiner Weiterbeschäftigung als verantwortlicher Flugzeugführer gemäß den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 23. August 1990.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist auch durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 14. November 1995 nicht aufgelöst worden (§ 1 KSchG).
Unterschriften
Rost, Bröhl, Fischermeier, Dr. Roeckl, Lenz
Fundstellen
Haufe-Index 892421 |
NZA 2001, 607 |
AP, 0 |