Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsorgliche Änderungskündigung
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 8.12.1988 6 AZR 12/87.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 25.07.1986; Aktenzeichen 16 Sa 1013/85) |
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 20.03.1985; Aktenzeichen 1 Ca 663/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechnung der zu vergütenden Arbeitszeit des Klägers und um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung vom 23. Januar 1985.
Der Kläger ist im Verkehrsbetrieb der Beklagten seit 1975 als Omnibusfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der BMT-G II und die ihn ändernden und ergänzenden Tarifverträge kraft Tarifbindung beider Parteien Anwendung. Daneben haben die Parteien die Geltung des BMT-G II, des Bezirks-Zusatztarifvertrages zum BMT-G für den Bereich der Arbeitsrechtlichen Vereinigung in Nordrhein-Westfalen (BZT-G/NRW) und die für die Arbeiter der Dortmunder Stadtwerke Aktiengesellschaft zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 3. Juli 1978 vereinbart. Zu letzteren gehören der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ÖTV am 3. April 1970 abgeschlossene Tarifvertrag zur Ergänzung der Anlage 1 des BMT-G in seiner jeweils gültigen Fassung, den die Beklagte am 26. September 1983 zum 31. Dezember 1983 gekündigt hat, sowie der 1. Änderungstarifvertrag zum Tarifvertrag zur Ergänzung des BMT-G und des BZT-G/NRW in ihrer jeweils gültigen Fassung für die Arbeiter der Dortmunder Stadtwerke AG vom 25. September 1986.
Die Beklagte vergütete bis zum 24. September 1983 seit mindestens 15 Jahren, nach dem Vortrag des Klägers seit 30 Jahren, die gesamte Dienstschicht eines Omnibus- oder Straßenbahnfahrers als Arbeitszeit. In die Dienstschicht wurden als Arbeitszeit nicht nur die Wendezeiten eingerechnet, sondern auch alle anderen anfallenden fahrplanbedingten Lenkzeitunterbrechungen unabhängig davon, wie lange die jeweilige Unterbrechung dauerte, ob in den Unterbrechungen anderweitige Tätigkeiten zu verrichten waren oder ob die Fahrer die Zeit der Unterbrechung ohne Beschäftigung im Bus bzw. in der Straßenbahn oder im Pausenraum auf dem Betriebshof der Beklagten zubrachten. Die Schichtpläne enthielten keine unbezahlten Ruhepausen. Ferner rechnete die Beklagte für Vorbereitungs- und Abschlußdienst bis zum 31. Dezember 1983 30 Minuten in die Arbeitszeit gem. § 2 des Firmentarifvertrages vom 3. Dezember 1970 ein. Ab 1. Januar 1984 schrieb sie lediglich noch 20 Minuten gut.
Am 30. August 1983 schloß die Beklagte mit dem Betriebsrat Verkehr eine Betriebsvereinbarung, wonach die Dienstschichten zukünftig unbezahlte Ruhepausen enthielten.
Der Kläger war mit den Änderungen bei der Berechnung der zu vergütenden Arbeitszeit sowohl hinsichtlich der Pausen als auch der Vorbereitungs- und Abschlußzeiten nicht einverstanden und erhob Feststellungsklage (- 1 Ca 911/84 - Arbeitsgericht Dortmund). Er hat gemeint, ihm sei aufgrund jahrelanger seitens der Beklagten praktizierter betrieblicher Übung ein Rechtsanspruch mit dem Inhalt erwachsen, daß für ihn auch nach dem 24. September 1983 die gesamte Schichtzeit als Arbeitszeit zu bewerten und zu vergüten sei. Hinsichtlich der Einrechnung des Vor- und Abschlußdienstes in die Arbeitszeit wirke der zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft ÖTV am 3. April 1970 geschlossene Tarifvertrag über den Kündigungszeitpunkt 31. Dezember 1983 nach.
Im Verlauf des Rechtsstreits 1 Ca 911/84 sprach die Beklagte dem Kläger eine Änderungskündigung zum 6. Februar 1985 aus.
Das Kündigungsschreiben hat u.a. folgenden Wortlaut:
" I.
wie Ihnen bekannt ist, wurde nach eingehenden Verhand-
lungen zwischen dem Betriebsrat Verkehr und dem Vor-
stand am 30.08.1983
die Betriebsvereinbarung über die Gestaltung
der Dienstpläne für das Fahrpersonal sowie
Fahrausweisprüfer der Verkehrsbetriebe der
Dortmunder Stadtwerke AG
abgeschlossen.
Die auf der Grundlage dieser Betriebsvereinbarung aufge-
stellten Dienstpläne zum Fahrplanwechsel am 25.09.1983
haben u.a. zur Folge, daß sich die tägliche Arbeitszeit
der Fahrer um die zu gewährenden unbezahlten Pausen und
unbezahlten Arbeitsunterbrechungen verlängert.
Als Abgeltung für die eintretende Verlängerung der durch-
schnittlichen Dienstschichten wurde bekanntlich die Ge-
währung zusätzlich freier Tage - gestaffelt nach Be-
schäftigungsjahren - vereinbart. Ferner gab der Vorstand
die Zusicherung, künftig keine geteilten Dienste einzu-
führen sowie Dienstpläne zu erstellen, die grundsätzlich
- mit Ausnahme von höchstens 10 - nur Dienstschichten
von weniger als 10 Stunden Dauer ausschließlich der ta-
riflichen Vorbereitungs- und Abschlußzeiten beinhalten.
II.
Wie Ihnen ebenfalls bekannt sein wird, haben 8 Mitar-
beiter gegen die Bestimmungen dieser Betriebsvereinba-
rung Klage beim Arbeitsgericht Dortmund erhoben. Die
Kläger stellen sich in ihrer Klage auf den Standpunkt,
daß durch die am 30.08.1983 abgeschlossene Betriebsver-
einbarung die bis zum 25.09.1983 bestandenen Arbeitsbe-
dingungen des Fahrpersonals nicht rechtswirksam hätten
geändert werden können, da sie aufgrund betrieblicher
Übung Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden seien.
Vorstand und Betriebsrat Verkehr der Dortmunder Stadt-
werke AG halten dagegen die Regelungen der Betriebsver-
einbarung auch insoweit für wirksam und rechtsverbind-
lich.
Man könnte jedoch die Möglichkeit unterstellen, daß das
Arbeitsgericht durch rechtskräftiges Urteil zu dem Er-
gebnis kommt, daß durch die Betriebsvereinbarung die
Arbeitsbedingungen nicht rechtswirksam hätten geändert
werden können.
In diesem Falle hätte der Arbeitgeber dennoch einseitig
die Möglichkeit, diese Arbeitsbedingungen, d.h. die
Fortgewährung der Bezahlung von Pausen durch Änderungs-
kündigung für die Zukunft zu ändern. Von dieser Möglich-
keit der Änderungskündigung machen wir hiermit vorsorg-
lich Gebrauch.
III.
Wir kündigen daher zum Zwecke der Änderung des Arbeits-
vertrages gem. § 51 BMT-G das mit Ihnen bestehende Ar-
beitsverhältnis ordentlich aus betriebsbedingten Grün-
den zum 06.02.1985.
Gleichzeitig bieten wir Ihnen an, das Arbeitsverhält-
nis unter geänderten Arbeitsbedingungen dahingehend
fortzusetzen, daß sich ab Wirksamkeit dieser Änderungs-
kündigung Ihre dienstplanmäßige tägliche Arbeitszeit
um die zu gewährenden unbezahlten Pausen und unbezahl-
ten Arbeitsunterbrechungen verlängert."
Der Kläger nahm das Angebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG an und erhob Kündigungsschutzklage (Arbeitsgericht Dortmund - 1 Ca 663/85 -).
Er hat gemeint, die Änderungskündigung sei aus mehreren Gründen unwirksam. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Auch werde aus der Änderungskündigung nicht deutlich, zu welchen geänderten Arbeitsbedingungen die Beklagte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses anbiete. Vor allem lägen aber keine betriebsbedingten Gründe für die ausgesprochene Änderungskündigung vor.
Der Kläger hat im Rechtsstreit - 1 Ca 911/84 - Arbeitsgericht Dortmund beantragt
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 299,25 an
rückständigem Lohn nebst 4 % Zinsen ab 16.03.1984,
für die Zeit ab 13.01. bis 05.03.1984 zu zahlen;
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
ihm pro Schicht jeweils 15 Minuten Vorbereitungs-
und Abschlußdienst, insgesamt also 30 Minuten, zu
vergüten;
3. festzustellen, daß die Beklagte auch nach dem Fahr-
planwechsel per 25.09.1983 verpflichtet ist, ihm
die gesamte Schichtzeit als Arbeitszeit zu vergü-
ten, also keine Berechtigung besteht, insbesondere
Wendezeiten bzw. sonstige fahrplanbedingte Fahrtun-
terbrechungen als Freizeit zu werten und nicht zu
vergüten;
4. festzustellen, daß die Betriebsvereinbarung vom
30. August 1983 zwischen dem Vorstand der Beklagten
und dem Betriebsrat Verkehr nichts daran geändert
hat, daß die Beklagte auch nach dem Fahrplanwechsel
am 25.09.1983 verpflichtet ist, ihm Wendezeiten
bzw. sonstige fahrbedingte Wartezeiten, wie bisher,
als Arbeitszeit zu vergüten;
5. festzustellen, daß die Beklagte den Inhalt des Ar-
beitsvertrages nicht dahingehend abändern darf,
daß sie seit dem 25.09.1983 zwischen bezahlter Ar-
beitszeit und Schichtzeit differenziert und Vergü-
tungspflicht für die gesamte Schichtzeit besteht.
Der Kläger hat im Rechtsstreit - 1 Ca 663/85 - beantragt,
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien trotz der Änderungskündigung der Be-
klagten vom 23. Januar 1985, die sozial ungerecht-
fertigt ist, unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat in beiden Rechtsstreiten Klageabweisung beantragt und gemeint, die Feststellungsanträge seien unzulässig. Die Klagen seien auch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung der Betriebspausen aufgrund betrieblicher Übung. Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet, über den 31. Dezember 1983 hinaus für Vorbereitungs- und Abschlußarbeiten arbeitstäglich mindestens 30 Minuten als Arbeitszeit zu berechnen. Mit der Kündigung des Firmentarifvertrages seien dessen Wirkungen mit dem 31. Dezember 1983 entfallen. Die allgemeinere Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Anlage 1 zum BMT-G II sei mit Auslaufen des Firmentarifvertrages wieder aufgelebt. Zur Änderungskündigung hat die Beklagte gemeint, sie sei hinreichend bestimmt und gemäß § 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Durch die Einführung unbezahlter Pausen bei allen Fahrern während der fahrplanbedingten Lenkzeitunterbrechungen und der damit verbundenen Schichtzeitverlängerung könnten bei den derzeitigen Fahrplänen 21 Fahrer und damit Lohnkosten von 1.050.000,-- DM eingespart werden. Wegen der zum Ausgleich gewährten freien Tage vermindere sich die Zahl der eingesparten Fahrer allerdings auf elf. Es verbleibe jedoch eine Lohnkostenersparnis in Höhe von 500.000,-- DM. Durch die Einführung unbezahlter Pausen allein bei den Arbeitnehmern, die eine Änderungskündigung erhalten hätten, könnten allerdings nur 240.000,-- DM jährlich eingespart werden, weil sie nicht gegenüber allen Fahrern habe ausgesprochen werden können. Trotzdem müsse auch diese Möglichkeit der Ersparnis genutzt werden, weil die jährlichen Verluste der Verkehrsbetriebe der Beklagten derzeit etwa 70 Millionen DM betrügen. Der Kläger könne nicht einwenden, es liege kein betriebliches Erfordernis für die Änderungskündigung vor, weil die Beklagte freiwillig ein Jubiläumsgeld gewährt und ab Anfang 1984 die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes vereinbart habe.
Das Arbeitsgericht hat zunächst im Rechtsstreit - 1 Ca 911/84 - festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für jede Schicht insgesamt 30 Minuten Vorbereitungs- und Abschlußdienst zu vergüten. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat durch Teilurteil - 16 Sa 1058/85 - die Berufung der Beklagten im wesentlichen zurückgewiesen und auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund teilweise abgeändert. Es hat dem Zahlungsantrag des Klägers nur in geringem Umfang entsprochen, die Feststellungsanträge teilweise als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, über den 25. September 1983 hinaus bis zum 6. Februar 1985 die gesamte Schichtzeit des Klägers als Arbeitszeit zu vergüten und daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger bis zum 6. Februar 1985 für jede Schicht insgesamt 30 Minuten Vorbereitungs- und Abschlußdienst zu vergüten. In der Revisionsinstanz haben beide Seiten die Hauptsache hinsichtlich der noch anhängigen Anträge für erledigt erklärt.
Zwischenzeitlich hatte das Arbeitsgericht der Änderungsschutzklage - 1 Ca 663/85 - entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die über den 6. Februar 1985 hinausgehenden Feststellungsansprüche des Klägers aus dem Rechtsstreit - 1 Ca 911/84 - mit dem Verfahren über die Änderungskündigung verbunden und unter dem Aktenzeichen - 16 Sa 1013/85 - gemeinsam verhandelt und entschieden. Es hat den Feststellungsanträgen des Klägers über den 6. Februar 1985 hinaus entsprochen. Ferner hat es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil über die Änderungskündigung zurückgewiesen. Gegen dieses Schlußurteil des Landesarbeitsgerichts Hamm wendet sich die Revision der Beklagten, die die Klagen jedenfalls nach Abschluß des 1. Änderungstarifvertrages zum Tarifvertrag zur Ergänzung des BMT-G und des BZT-G/NRW vom 25. September 1986 für unbegründet hält. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich der allgemeinen Feststellungsanträge auf seine Begründung im Teilurteil vom 13. Dezember 1985 - 16 Sa 1058/85 - verwiesen. Die Änderungskündigung hat es für unwirksam gehalten, weil das Änderungsangebot zu unbestimmt sei.
II. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.
1. Die Anträge des Klägers aus dem Rechtsstreit - 1 Ca 911/84 - Arbeitsgericht Dortmund, die noch nicht durch den Senatsbeschluß vom 23. Juni 1988 - 6 AZR 138/86 - beschieden sind, sind aus den dort genannten Gründen unbegründet. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Beschlußgründe verwiesen.
2. Die Änderungskündigungsschutzklage ist unbegründet. Da der Kläger zu keiner Zeit einen Anspruch auf Bezahlung von Ruhepausen erworben hatte und der tarifliche Anspruch für Vorbereitungs- und Abschlußzeiten aus § 2 des Tarifvertrages vom 3. April 1970 durch die ungünstigere tarifliche Regelung im 1. Änderungstarifvertrag vom 25. September 1986 ab 13. Januar 1984 ersetzt worden ist, ging die Änderungskündigung der Beklagten ins Leere. In diesen Fällen ist die dagegen erhobene Änderungsschutzklage unbegründet, wie der für Kündigungen im öffentlichen Dienst zuständige Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts zutreffend entschieden hat (Urteil vom 27. März 1987 - 7 AZR 527/85 - AP Nr. 29 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; Urteil vom 16. März 1988 - 7 AZR 363/87 - nicht veröffentlicht). Bei der Änderungsschutzklage nach § 4 Satz 2 KSchG geht es um den Inhalt des weiterbestehenden Arbeitsverhältnisses, nicht um dessen Beendigung. Die Klage zielt auf die Feststellung, daß für das weiterbestehende Arbeitsverhältnis nicht die im Änderungsangebot beschriebenen Arbeitsbedingungen gelten, sondern die vorher angewandten Bedingungen. Dieses Klageziel kann aber nicht erreicht werden, wenn die vom Kläger bekämpften Arbeitsbedingungen zum Zeitpunkt des mit einer Kündigung verbundenen Änderungsangebots ohnehin Grundlage des bestehenden Arbeitsverhältnisses sind. Nur wenn die Arbeitsbedingungen, deren sich die Beklagte berühmt und die sie vorsorglich durch Änderungskündigung herbeiführen will, nicht ohnehin gelten, stellt sich die Frage der Wirksamkeit, insbesondere der sozialen Rechtfertigung der ausgesprochenen Änderungskündigung.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.
Dr. Röhsler Dörner
zugleich für den erkrank-
ten Richter Schneider
Fürbeth Spiegelhalter
Fundstellen