Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Freizeitausgleich für Reisezeiten außerhalb der Arbeitszeit
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 22.4.1986 - 6 AZR 526/83 = AP Nr 8 zu § 46 BPersVG.
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 21.12.1984; Aktenzeichen 6 Sa 804/84) |
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 05.07.1984; Aktenzeichen 1 Ca 619/84) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften in Z beschäftigt. Er ist Vorsitzender der in seiner Dienststelle, der G, bestehenden Betriebsvertretung. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Vorschriften des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) nebst dessen Anhängen Anwendung.
Am Montag, den 5. September 1983, 8.00 Uhr, hat der Kläger eine Teil-Personalversammlung in B einberufen; dort befindet sich ein Teil seiner Dienststelle. Auf Weisung seiner Dienststelle fuhr er mit Dienstwagen und Fahrer am Vortag, also am Sonntag, den 4. September 1983 um 6.00 Uhr in Z ab; die von ihm angegebene Fahrzeit nach B betrug zwölf Stunden. Dabei nahm er auf Wunsch seiner Dienststelle eine Kühltasche mit ABC-Spritzen mit, die er gegen 18.00 Uhr in B abgeben sollte.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 9. September 1983 beantragt, ihm nicht nur die entsprechende Reisekostenvergütung, sondern darüber hinaus die Fahrzeit von zwölf Stunden als Überstunden zu bezahlen. Nachdem seine Dienststelle ihm nur die Reisekosten gezahlt und den weitergehenden Antrag mit Schreiben vom 16. September 1983 abgelehnt hatte, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 24. Januar 1984 ihm für die zwölf Reisestunden "Freizeit im entsprechenden Umfang zu gewähren, wie im Bundespersonalvertretungsgesetz § 46 (2) und (3) vorgeschrieben". Auch diesen Antrag lehnte die Dienststelle ab.
Mit der am 21. Februar 1984 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, bei der Reisezeit von Z nach B handele es sich um Arbeitszeit, weil er die Kühltasche in B abzugeben hatte. Ohne diesen Auftrag wäre er erst am Sonntagabend gegen 20.00 Uhr weggefahren und hätte deshalb den Sonntag zur freien Verfügung gehabt.
Der Kläger hat beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, dem
Kläger für die am 04.09.1983 geleisteten
Arbeitsstunden 150,72 DM
brutto zu zahlen,
hilfsweise,
2. festzustellen, daß der Kläger einen
Anspruch auf Dienstbefreiung von 12
Stunden unter Fortzahlung seines
Arbeitsentgelts hatte.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, nach Ziff. 1 b Anhang R II TVAL II seien Mehr- und Sonntagsarbeitsstunden, die mit Reisezeiten zusammenfallen, nicht zusätzlich zu vergüten. Diese für alle Bediensteten geltende Vorschrift müsse auch der Kläger als Vorsitzender der Betriebsvertretung gegen sich gelten lassen. Darüber hinaus habe er seinen Anspruch nicht innerhalb der tariflichen Ausschlußfrist geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat auf den Hilfsantrag des Klägers festgestellt, daß die Beklagte dem Kläger Dienstbefreiung für zwölf Stunden unter Fortzahlung seines Arbeitsentgelts zu gewähren habe und die Klage im übrigen abgewiesen. Die zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG auf Dienstbefreiung von zwölf Stunden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, nach § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG, der nach Art. 56 Abs. 9 des Zusatzabkommens zum Nato-Truppenstatut anwendbar sei, komme es allein darauf an, ob der Kläger außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit durch Personalratsaufgaben in Anspruch genommen worden sei. Entgegen der Regelung in § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der für einen Anspruch auf Freizeitausgleich voraussetze, daß Betriebsratstätigkeiten außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt wurden, begnüge sich § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG damit, daß die Beanspruchung der Freizeit kausal auf die Aufgaben des Personalrats zurückgeht; das Freizeitopfer müsse mit anderen Worten von den Personalratsaufgaben verursacht worden sein. § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG stecke damit die Voraussetzungen für einen Freizeitausgleich weiter ab als die parallele Vorschrift des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG; für den Bereich des BPersVG genüge es, daß es für das Personalratsmitglied notwendig geworden sei, zur Erfüllung seiner Personalratsaufgaben Freizeit zu opfern. Dies sei hier der Fall, da der Kläger zu der Personalversammlung vom 5. September 1983 zweifellos habe am Vortag anreisen müssen. Dieser Rechtslage stehe auch nicht die Regelung im TVAL II Anhang R II Ziff. 1 b (i. d. F. vom 7. Juli 1969) entgegen, die allein die Vergütungsfrage regele, hier aber über die Frage des Freizeitausgleichs zu entscheiden sei. Aus diesen Bestimmungen lasse sich allenfalls entnehmen, daß Reisezeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit nicht als Arbeitszeiten behandelt werden dürften. Dies setze § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG aber gerade nicht voraus.
Schließlich werde mit dem gesetzlichen Anspruch auf Freizeitausgleich auch nicht gegen das Begünstigungsverbot des § 8 BPersVG verstoßen, da sich diese Vorschrift nicht gegen den Gesetzgeber richtet.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nachdem der Kläger gegen die Abweisung seines Anspruchs auf Überstundenentgelt für die Reisezeit keine Berufung eingelegt hat, ist hier nur noch über seinen Hilfsanspruch auf Gewährung von Freizeitausgleich für diese Reisezeiten zu entscheiden.
2. Dem Kläger steht der begehrte Freizeitausgleich, den er ausschließlich für solche Zeiten verlangt, die er außerhalb seiner regelmäßigen Dienstzeit für die Reise zu der auswärtigen Personalversammlung aufgewendet hat, nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG (vgl. BAG Urteil vom 22. Mai 1986 - 6 AZR 526/83 - PersR 1987, 86 f.; Leitsatz in NZA 1987, 357), der hier gemäß Art. 56 Abs. 9 Zusatzabkommen zum Nato-Truppenstatut anwendbar ist (vgl. hierzu BAG Urteil vom 6. Februar 1985 - 4 AZR 127/83 - AP Nr. 12 zu § 75 BPersVG = DB 1985, 2208).
3. Nach § 46 Abs. 1 BPersVG führen die Mitglieder des Personalrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Versäumnis von Arbeitszeit, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist, hat allerdings keine Minderung der Dienstbezüge oder des Arbeitsentgelts zur Folge (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Auch ist gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG Personalratsmitgliedern, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden, Dienstbefreiung im entsprechenden Umfang zu gewähren.
a) Der Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG läßt - auch im Zusammenhang mit § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG - nicht erkennen, ob außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeiten liegende Reisezeiten davon erfaßt werden sollen oder nicht. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, daß Personalratssitzungen von den Mitgliedern der Personalvertretungen auch dann in Erfüllung ihrer Aufgaben gemacht werden, wenn sie außerhalb der Dienstzeiten stattfinden und Personalratsmitglieder insoweit während der eigentlichen Sitzungszeit auch durch ihre Aufgaben im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG "beansprucht" werden. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Reisezeiten, zumal im öffentlichen Dienst bei Dienstreisen nur die Zeit der dienstlichen Beanspruchung am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit gilt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BAT; vgl. hierzu BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 4 AZR 579/76 - AP Nr. 3 zu § 17 BAT; § 15 Abs. 9 MTB II). Bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Tatsache, daß für diese Reisen auch Reisekosten nach den für Beamte der Besoldungsgruppe A 15 geltenden Bestimmungen (§ 44 Abs. 1 BPersVG) berechnet werden können, die in verschiedener Höhe je nach Dauer der Abwesenheit entstehen, können bei Beachtung der im öffentlichen Dienst maßgebenden Grundsätze demgemäß Reisezeiten nicht unter § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG subsumiert werden, auch wenn diese im Zusammenhang mit der Personalratstätigkeit stehen.
b) Auch die Gesetzesmaterialien bzw. die Entstehungsgeschichte des § 46 BPersVG (BT-Drucks. VI/3721, § 45 des Entwurfs), die zur Stütze eines bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleiteten Ergebnisses aber auch zur Behebung von Zweifeln bei der Auslegung nicht eindeutiger Vorschriften herangezogen werden können (vgl. BVerfGE 59, 128, 153), lassen nicht den Schluß zu, daß außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegende Reisezeiten vom Freizeitausgleich erfaßt werden sollen.
Bis zum Inkrafttreten des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 war Freizeitausgleich für die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegende Personalratstätigkeit generell nicht zulässig (vgl. BVerwGE 19, 279 = AP Nr. 4 zu § 42 PersVG). Der Entwurf eines BPersVG (BT-Drucks. VI/3721, § 45) sah deshalb vor, daß den Personalratsmitgliedern für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Personalratstätigkeit Dienstbefreiung in entsprechender Anwendung von § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG zu gewähren sei, also nur dann, wenn der zusätzliche Zeitaufwand pro Monat mehr als fünf Stunden beträgt. Diese Regelung ist jedoch nicht Gesetz geworden. Daraus läßt sich jedoch nicht folgern, daß damit gleichzeitig, abweichend von § 72 BBG, Freizeitausgleich auch für außerhalb der Arbeitszeit liegende Reisezeiten, die aus Anlaß von Personalratstätigkeiten erforderlich sind, gewährt werden soll. Einen solchen Willen hätte der Gesetzgeber angesichts der Tatsache, daß - soweit nicht, wie etwa bei der Deutschen Bundespost, anderweitige tarifliche Regelungen getroffen sind - weder beamten- noch tarifrechtlich Dienstreisezeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit als Dienst- bzw. Arbeitszeit angesehen werden, eindeutig zum Ausdruck bringen und regeln müssen (vgl. § 17 Abs. 2 BAT; BAG Urteil vom 6. Oktober 1965 - 2 AZR 375/64 - AP Nr. 1 zu § 17 BAT; BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 4 AZR 579/76 - AP Nr. 3 zu § 17 BAT; BAG Urteil vom 21. September 1977 - 4 AZR 292/76 - AP Nr. 3 zu § 19 MTB II). Der Gesetzgeber hat, wie auch der vergleichbare Fall des § 50 Abs. 1 Satz 3 BPersVG zeigt (vgl. BVerwG Urteil vom 28. Oktober 1982 - 2 C 1.80 - PersV 1985, 162 f., m. w. N.; auch BVerwG Urteil vom 23. Oktober 1980 - 2 C 43.78 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 18; ferner Altvater/Bacher/Sabottig/Schneider/Thiel, BPersVG, 2. Aufl., § 50 Rz 6), eine solche dem öffentlichen Dienst im Grunde systemfremde Regelung offensichtlich jedoch nicht gewollt.
c) Entsprechend der erklärten Absicht des Gesetzgebers, das Bundespersonalvertretungsgesetz weitgehend dem Betriebsverfassungsgesetz 1972 anzugleichen (vgl. Bericht des Innenausschusses, BT-Drucks. 7/1373, S. 2, 5), sollten die Mitglieder der Personalvertretung keineswegs bessergestellt werden als die Betriebsratsmitglieder. Zu dem damit zum Vergleich heranzuziehenden § 37 Abs. 3 BetrVG ist es aber ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. insbesondere BAG Urteil vom 11. Juli 1978 - 6 AZR 387/75 - DB 1978, 2177), daß Freizeitausgleich in den hier streitigen Fällen nur dann zu gewähren ist, wenn die Reise aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt worden ist (vgl. Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 37 Rz 53; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 39; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 37 Rz 28, 47 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 42; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 37 Rz 30; Wiese, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 37 Rz 63). Zwar sind die gesetzlichen Formulierungen in § 46 Abs. 2 BPersVG und § 37 Abs. 3 BetrVG unterschiedlich. Insbesondere fehlt in § 46 BPersVG der Hinweis auf "betriebsbedingte Gründe", die die Tätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit veranlaßt haben müssen. Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß Personalratsmitglieder insoweit bessergestellt werden sollten als Betriebsratsmitglieder. Eine gewisse Besserstellung ergibt sich in der Regel ohnehin daraus, daß nach § 44 Abs. 1 BPersVG Personalratsmitglieder unabhängig von ihrer dienstlichen Stellung Reisekostenvergütung (Fahrtkosten, Tage- und Übernachtungsgeld und gegebenenfalls sonstige Auslagen) nach dem Reisekostengesetz in Höhe der für Beamte der Besoldungsstufe A 15 (Regierungsdirektor) geltenden Bestimmungen erhalten.
4. Die Gewährung eines Freizeitausgleichs für die außerhalb der Arbeitszeit liegenden Reisezeiten würde gegenüber den übrigen Bediensteten auch zu einer deutlichen Besserstellung führen, da diese bei Dienstreisen außerhalb der Arbeitszeit keinen Anspruch auf Freizeitausgleich haben. Das wäre aber mit dem Begünstigungsverbot nach § 8 BPersVG nicht in Einklang zu bringen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß sich § 8 BPersVG nur an den jeweiligen Arbeitgeber richtet, die Begünstigung der Personalratsmitglieder aber gegebenenfalls auf § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG beruhe, also vom Gesetzgeber, der nicht an das Begünstigungsverbot gebunden ist, gewollt sei. Läßt der Wortlaut des Gesetzes keinen eindeutigen Schluß auf einen bestimmten Willen des Gesetzgebers zu, so ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber sich nicht selbst widersprechen wollte, und es ist die Auslegung zu wählen, die dem § 8 BPersVG und den übrigen gesetzlichen Regelungen am ehesten entspricht. Die besonderen Belastungen, die gegebenenfalls ein Personalratsmitglied durch Inanspruchnahme seiner Freizeit für Reisen außerhalb der Arbeitszeit auf sich nehmen muß, entsprechen den Belastungen anderer Arbeitnehmer oder Beamter für Reisezeit während der Freizeit bei Dienstreisen. Sie können deshalb nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, als Rechtfertigung für die Besserstellung der Personalratsmitglieder bei der von ihm vertretenen Auslegung des § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG herangezogen werden.
5. Nachdem der Kläger schon nach § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG keinen Anspruch auf Freizeitausgleich hat, kann dahingestellt bleiben, ob er die Ausschlußfristen zur Geltendmachung eines etwaigen Freizeitausgleichsanspruchs gewahrt hat.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs Dörner Schneider
Hohnheit Steinhäuser
Fundstellen