Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Freizeitausgleich eines Personalratsmitgliedes für Reisezeiten außerhalb der Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
Für Reisezeiten, die ein Personalratsmitglied zum Erreichen einer auswärtigen Sitzung des Bezirkspersonalrates außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit aufwendet, besteht kein Anspruch auf Freizeitausgleich.
Normenkette
BPersVG § 46 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 10.08.1983; Aktenzeichen 5 Sa 101/83) |
ArbG Celle (Entscheidung vom 19.04.1983; Aktenzeichen 1 Ca 45/83) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Freizeitausgleich gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG für Reisezeiten zu gewähren, die er außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zum Erreichen einer auswärtigen Personalratssitzung aufgewendet hat.
Der als Arbeiter bei der Standortverwaltung M beschäftigte Kläger war Mitglied des örtlichen Personalrats bei der Kampftruppenschule in M. Am 5. Dezember 1977 nahm er an einer Sitzung des "Heimbewirtschaftungsausschusses" teil und berichtete darüber anschließend dem Personalrat. Im Anschluß an die gegen 17.00 Uhr beendete Personalratssitzung fuhr er um 18.00 Uhr nach K, wo er am 6. und 7. Dezember 1977 auf Einladung des Bezirkspersonalrats beim Heeresamt, dessen Mitglied er ebenfalls war, an einer Sitzung teilnahm. Für diese Fahrt berechnet er eine über seine allgemeine Arbeitszeit hinausgehende Mehrbeanspruchung von 5,5 Stunden. Nach den beiden Sitzungstagen vom 6. und 7. Dezember 1977 fuhr er am 8. Dezember 1977 morgens von 3.00 Uhr bis 9.00 Uhr nach M zurück und trat anschließend seinen Dienst an. Für diesen Tag berechnet er eine Mehrbeanspruchung von 4,5 Stunden. Insgesamt begehrt er einen Freizeitausgleich von 10 Stunden. Die Kampftruppenschule der Beklagten lehnte den Freizeitausgleich ab.
Der Kläger machte seinen Anspruch auf Freizeitausgleich für die Reisezeiten zunächst im Verwaltungsrechtsweg geltend, den das Bundesverwaltungsgericht durch Beschluß vom 10. September 1982 - BVerwG 6 P 22.79 - unter Verweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Lüneburg schließlich für unzulässig erklärte. Das Arbeitsgericht Lüneburg erklärte sich durch Beschluß vom 6. Dezember 1982 für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Arbeitsgericht Celle. Nachdem dieses die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt hatte, wurde es durch Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen als das örtlich zuständige Arbeitsgericht bestimmt.
Der Kläger ist der Auffassung, für die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegende Reisezeit von M nach K und zurück stehe ihm Freizeitausgleich gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG zu.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger
Freizeitausgleich gemäß § 46 Abs. 2
Satz 2 BPersVG für die aus Anlaß der Be-
zirkspersonalratssitzung am 6. und
7. Dezember 1977 verbrachte Reisezeit von
M nach K und zurück zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint, Reisezeiten außerhalb der allgemeinen Arbeitszeit seien weder arbeits- noch tarifrechtlich als Dienstzeit anzusehen. Die Zeiten einer Dienstreise könnten deshalb nicht neben der Gewährung von Reisekostenvergütung noch zusätzlich mit Freizeit abgegolten werden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte nach dem Klageantrag verurteilt. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
I. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen hat, sind zur Entscheidung des Rechtsstreits die Arbeitsgerichte zuständig (§ 48 a Abs. 2 ArbGG). Die Vorinstanzen haben auch zutreffend im Urteilsverfahren entschieden (vgl. BAG 26, 156 = AP Nr. 12 zu § 37 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 13. Januar 1981 - 6 AZR 678/78 - AP Nr. 2 zu § 46 BPersVG; Dietz/Richardi, BPersVG, 2. Aufl., § 46 Rz 122).
II. Dem Kläger steht der begehrte Freizeitausgleich, den er ausschließlich für solche Zeiten verlangt, die er außerhalb seiner regelmäßigen Dienstzeit für Hin- und Rückreise zu einer auswärtigen Personalratssitzung aufgewendet hat, nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG.
1. Nach § 46 Abs. 1 BPersVG führen die Mitglieder des Personalrats ihr Amt unentgeltlich als Ehrenamt. Versäumnis von Arbeitszeit, die zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Personalrats erforderlich ist, hat allerdings keine Minderung der Dienstbezüge oder des Arbeitsentgelts zur Folge (§ 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG). Auch ist gemäß § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG Personalratsmitgliedern, die durch die Erfüllung ihrer Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden, Dienstbefreiung im entsprechenden Umfang zu gewähren.
a) Der Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG läßt - auch im Zusammenhang mit § 46 Abs. 2 Satz 1 BPersVG - nicht erkennen, ob außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeiten liegende Reisezeiten davon erfaßt werden sollen oder nicht. Grundsätzlich ist zwar davon auszugehen, daß Personalratssitzungen von den Mitgliedern der Personalvertretungen auch dann in Erfüllung ihrer Aufgaben gemacht werden, wenn sie außerhalb der Dienstzeiten stattfinden und Personalratsmitglieder insoweit während der eigentlichen Sitzungszeit auch durch ihre Aufgaben im Sinne des § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG "beansprucht" werden. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Reisezeiten, zumal im öffentlichen Dienst bei Dienstreisen nur die Zeit der dienstlichen Beanspruchung am auswärtigen Geschäftsort als Arbeitszeit gilt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 BAT; vgl. hierzu BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 4 AZR 579/76 - AP Nr. 3 zu § 17 BAT; § 15 Abs. 9 MTB II). Bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Tatsache, daß für diese Reisen auch Reisekosten nach den für Beamte der Besoldungsgruppe A 15 geltenden Bestimmungen (§ 44 Abs. 1 BPersVG) berechnet werden können, die in verschiedener Höhe je nach Dauer der Abwesenheit entstehen, können bei Beachtung der im öffentlichen Dienst maßgebenden Grundsätze demgemäß Reisezeiten nicht unter § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG subsumiert werden, auch wenn diese im Zusammenhang mit der Personalratstätigkeit stehen (im Ergebnis wohl ebenso Dietz/Richardi, aaO, § 46 Rz 28; a. M. Altvater/Bacher/Sabottig/Schneider/Thiel, BPersVG, 2. Aufl., § 46 Rz 15).
b) Auch die Gesetzesmaterialien bzw. die Entstehungsgeschichte des § 46 BPersVG (BT-Drucks. VI/3721, § 45 des Entwurfs), die zur Stütze eines bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes abgeleiteten Ergebnisses, aber auch zur Behebung von Zweifeln bei der Auslegung nicht eindeutiger Vorschriften herangezogen werden können (vgl. BVerfGE 59, 128, 153), lassen nicht den Schluß zu, daß außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegende Reisezeiten vom Freizeitausgleich erfaßt werden sollen.
Bis zum Inkrafttreten des Bundespersonalvertretungsgesetzes vom 15. März 1974 war Freizeitausgleich für die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegende Personalratstätigkeit generell nicht zulässig (vgl. BVerwGE 19, 279 = AP Nr. 4 zu § 42 PersVG). Der Entwurf eines BPersVG (BT-Drucks. VI/3721, § 45) sah deshalb vor, daß den Personalratsmitgliedern für außerhalb der Arbeitszeit geleistete Personalratstätigkeit Dienstbefreiung in entsprechender Anwendung von § 72 Abs. 2 Satz 2 BBG zu gewähren sei, also nur dann, wenn der zusätzliche Zeitaufwand pro Monat mehr als fünf Stunden beträgt. Diese Regelung ist jedoch nicht Gesetz geworden. Daraus läßt sich jedoch nicht folgern, daß damit gleichzeitig, abweichend von § 72 BBG, Freizeitausgleich auch für außerhalb der Arbeitszeit liegende Reisezeiten, die aus Anlaß von Personalratstätigkeiten erforderlich sind, gewährt werden soll. Einen solchen Willen hätte der Gesetzgeber angesichts der Tatsache, daß - soweit nicht, wie etwa bei der Deutschen Bundespost, anderweitige tarifliche Regelungen getroffen sind - weder beamten- noch tarifrechtlich Dienstreisezeiten außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit als Dienst- bzw. Arbeitszeit angesehen werden, eindeutig zum Ausdruck bringen und regeln müssen (vgl. § 17 Abs. 2 BAT; BAG Urteil vom 6. Oktober 1965 - 2 AZR 375/64 - AP Nr. 1 zu § 17 BAT; BAG Urteil vom 22. Februar 1978 - 4 AZR 579/76 - AP Nr. 3 zu § 17 BAT; BAG Urteil vom 21. September 1977 - 4 AZR 292/76 - AP Nr. 3 zu § 19 MTB II). Der Gesetzgeber hat, wie auch der vergleichbare Fall des § 50 Abs. 1 Satz 3 BPersVG zeigt (vgl. BVerwG Urteil vom 28. Oktober 1982 - 2 C 1.80 - PersV 1985, 162 f. m. w. N.; auch BVerwG Urteil vom 23. Oktober 1980 - 2 C 43.78 - Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 18; ferner Altvater/Bacher/Sabottig/Schneider/Thiel, aaO, § 50 Rz 6), eine solche dem öffentlichen Dienst im Grunde systemfremde Regelung offensichtlich jedoch nicht gewollt.
2. Entsprechend der erklärten Absicht des Gesetzgebers, das Bundespersonalvertretungsgesetz weitgehend dem Betriebsverfassungsgesetz 1972 anzugleichen (vgl. Bericht des Innenausschusses - BT-Drucks. 7/1373, S. 2, 5), sollten die Mitglieder der Personalvertretung keineswegs bessergestellt werden als die Betriebsratsmitglieder. Zu dem damit zum Vergleich heranzuziehenden § 37 Abs. 3 BetrVG ist es aber ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. insbesondere BAG Urteil vom 11. Juli 1978 - 6 AZR 387/75 - DB 1978, 2177), daß Freizeitausgleich in den hier streitigen Fällen nur dann zu gewähren ist, wenn die Reise aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchgeführt worden ist (vgl. Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 37 Rz 53; Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 39; Fitting/Auffarth/Kaiser, BetrVG, 14. Aufl., § 37 Rz 26, 40 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 37 Rz 42; Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 37 Rz 30; Wiese, GK-BetrVG, 2. Bearb., 1984, § 37 Rz 63). Zwar sind die gesetzlichen Formulierungen in § 46 Abs. 2 BPersVG und § 37 Abs. 3 BetrVG unterschiedlich. Insbesondere fehlt in § 46 BPersVG der Hinweis auf "betriebsbedingte Gründe", die die Tätigkeit außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit veranlaßt haben müssen. Daraus kann jedoch nicht der Schluß gezogen werden, daß Personalratsmitglieder insoweit bessergestellt werden sollten als Betriebsratsmitglieder. Eine gewisse Besserstellung ergibt sich in der Regel ohnehin daraus, daß nach § 44 Abs. 1 BPersVG Personalratsmitglieder unabhängig von ihrer dienstlichen Stellung Reisekostenvergütung (Fahrtkosten, Tage- und Übernachtungsgeld und gegebenenfalls sonstige Auslagen) nach dem Bundesreisekostengesetz in Höhe der für Beamte der Besoldungsstufe A 15 (Regierungsdirektor) geltenden Bestimmungen erhalten.
3. Die Gewährung eines Freizeitausgleichs für die außerhalb der Arbeitszeit liegenden Reisezeiten würde gegenüber den übrigen Bediensteten auch zu einer deutlichen Besserstellung führen, da diese bei Dienstreisen außerhalb der Arbeitszeit keinen Anspruch auf Freizeitausgleich haben. Das wäre aber mit dem Begünstigungsverbot nach § 8 BPersVG nicht in Einklang zu bringen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, daß sich § 8 BPersVG nur an den jeweiligen Arbeitgeber richtet, die Begünstigung der Personalratsmitglieder aber gegebenenfalls auf § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG beruhe, also vom Gesetzgeber, der nicht an das Begünstigungsverbot gebunden ist, gewollt sei. Läßt der Wortlaut des Gesetzes keinen eindeutigen Schluß auf einen bestimmten Willen des Gesetzgebers zu, so ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber sich nicht selbst widersprechen wollte, und es ist die Auslegung zu wählen, die dem § 8 BPersVG und den übrigen gesetzlichen Regelungen am ehesten entspricht. Die besonderen Belastungen, die gegebenenfalls ein Personalratsmitglied durch Inanspruchnahme seiner Freizeit für Reisen außerhalb der Arbeitszeit auf sich nehmen muß, entsprechen den Belastungen anderer Arbeitnehmer oder Beamter für Reisezeit während der Freizeit bei Dienstreisen. Sie können deshalb nicht, wie das Landesarbeitsgericht meint, als Rechtfertigung für die Besserstellung der Personalratsmitglieder bei der von ihm vertretenen Auslegung des § 46 Abs. 2 Satz 2 BPersVG herangezogen werden.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Röhsler Dörner Schneider
Ostkamp Stenzel
Fundstellen
Haufe-Index 440825 |
BB 1987, 1669 |
BehindR 1987, 118-119 (LT) |
RdA 1987, 124 |
USK, 86158 (LT1) |
AP § 46 BPersVG (LT), Nr 8 |
AR-Blattei, Personalvertretung VII Entsch 10 (LT) |
EzBAT § 17 BAT, Nr 4 (LT) |
PersR 1987, 86-87 (LT) |
PersV 1988, 455-456 (LT1) |