Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsabgeltung - Schadenersatz
Orientierungssatz
Ein Arbeitnehmer ist gehalten, seinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich auch dann geltend zu machen, wenn der Arbeitgeber den Urlaub wegen der von ihm angenommenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der vermeintlichen Endabrechnung abgilt. Einer solchen Abrechnung kann ebensowenig wie einer Kündigung nicht ohne weiteres der Inhalt beigemessen werde, der Arbeitgeber werde eine Freistellung verweigern, sofern der Arbeitnehmer diese verlangt. Der Senat hat bereits im Urteil vom 21. September 1999 (9 AZR 705/98) darauf hingewiesen, daß eis im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers liegt, den Arbeitnehmer vorsorglich freizustellen, um die Kumulation von Ansprüchen aus Annahmeverzugs- und Abgeltungsansprüchen zu verhindern.
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen
Landesarbeitsgerichts vom 28. September 1998 - 11 Sa 268/98 -
aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Gießen vom 2. Dezember 1997 - 5 Ca 235/97 - wird
zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision und die Kosten der
Berufung zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltung 1995.
Der Kläger war Arbeitnehmer der Beklagten. Im August 1995 kündigte diese das Arbeitsverhältnis zum 30. September 1995 und gewährte dem Kläger für die Dauer der Kündigungsfrist Urlaub. Diesen konnte der Kläger wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit, die bis zum 20. Oktober 1995 andauerte, nur teilweise nehmen. Mit der Septemberabrechnung 1995 zahlte die Beklagte dem Kläger daher als Urlaubsabgeltung 4.188,24 DM brutto. Die vom Kläger gegen die Kündigung erhobene Kündigungsschutzklage war erfolgreich. Mit dem den Parteien im Januar 1997 zugestellten Urteil vom 24. September 1996 stellte das Landesarbeitsgericht den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses fest. Nach einer weiteren Kündigung der Beklagten vom 30. Januar 1997 einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 1997. Dabei waren sich die Parteien einig, daß der Kläger wegen einer zum 1. Oktober 1996 aufgenommenen selbständigen Erwerbstätigkeit über die hieraus erzielten Einkünfte der Beklagten Auskunft erteilen werde. Die Beklagte rechnete deshalb zunächst die Ansprüche des Klägers bis 30. September 1996 ab. Sie erfaßte die im September 1995 gezahlte Urlaubsabgeltung in der Abrechnung für Oktober 1995 und hielt von dem sich ergebenden Gesamtbetrag 4.188,24 DM brutto ein.
Mit seiner am 23. Mai 1997 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe gegen die Beklagte ein Schadenersatzanspruch in Höhe des einbehaltenen Betrags zu, weil ihm die Beklagte den Urlaub 1995 nicht gewährt habe.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn
4.188,24 DM brutto nebst 4% Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden
Nettobetrag seit dem 18. Juli 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Der Kläger beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 4.188,24 DM brutto.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe einen Anspruch gegen den Kläger auf Rückzahlung. Da das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund ihrer Kündigung mit dem 30. September 1995 beendet worden sei, habe für die Zahlung der 4.188,24 DM kein Rechtsgrund iS. von § 812 Abs. 1 BGB bestanden. Sie habe daher mit ihrer Forderung gegen die Ansprüche des Klägers aus Annahmeverzug aufrechnen können. Diese Ausführungen beanstandet der Kläger nicht. Er behauptet auch nicht, die Beklagte habe den Urlaub trotz positiver Kenntnis des fehlenden Rechtsgrundes (§ 814 BGB) abgegolten. § 817 BGB steht der Rückforderung ebenfalls nicht entgegen. Die Beklagte wollte dem Kläger den Urlaub nicht "abkaufen", sondern seinen vermeintlichen Abgeltungsanspruch erfüllen.
II. Der Kläger hat keinen Zahlungsanspruch in gleicher Höhe, den er der Aufrechnung der Beklagten entgegen halten könnte.
1. § 7 Abs. 4 BUrlG kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Der Arbeitgeber schuldet nach dieser Vorschrift die Abgeltung nur des Urlaubs, der bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer noch beansprucht werden kann. Der Urlaubsanspruch des Klägers für 1995 war indessen aufgrund seiner Befristung bereits mit dem 31. Dezember 1995 erloschen (ständige Rechtsprechung des BAG seit 23. Juni 1983 - 6 AZR 180/80 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 14 = EzA BUrlG § 7 Nr. 28).
2. Der Anspruch des Klägers rechtfertigt sich nicht als Schadenersatzanspruch.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 5. September 1985 - 6 AZR 86/82 - AP BUrlG § 1 Treueurlaub Nr. 1 = EzA BUrlG § 7 Nr. 40; 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 66; 19. November 1996 - 9 AZR 376/95 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 71 = EzA BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 1) kann der Arbeitnehmer einen der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrag für den zwischenzeitlich infolge Fristablaufs erloschenen Anspruch fordern, soweit er den Arbeitgeber zuvor in Verzug gesetzt hatte (§ 280 Abs. 1, § 284 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 BGB).
b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor; der Kläger hat die Beklagte nicht in Verzug gesetzt.
aa) Die Beklagte ist durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage des Klägers nicht in Verzug geraten. Eine solche Klage hat nicht die Geltendmachung von Urlaubs-ansprüchen zum Inhalt. Einen Rechtsverlust durch das Erlöschen des Urlaubsanspruchs am Jahresende bzw. am Ende des Übertragungszeitraums kann ein Arbeitnehmer nur vermeiden, wenn er vom Arbeitgeber rechtzeitig die Gewährung des ihm zustehenden Urlaubs verlangt (vgl. zuletzt BAG 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ein solches Verlangen hat der Kläger nicht geäußert.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte sei auch ohne Mahnung des Klägers in Verzug geraten. Sie habe das Bestehen seines Urlaubsanspruchs durch dessen Abgeltung anerkannt. Aufgrund der Abrechnung und der Zahlung habe der Kläger davon ausgehen müssen, die Beklagte werde sein etwaiges Verlangen nach Urlaub als Freistellung von der Arbeitspflicht unter Hinweis auf die gezahlte Urlaubsabgeltung ablehnen.
Dem stimmt der Senat nicht zu.
Ein Arbeitnehmer ist gehalten, seinen Freistellungsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber ausdrücklich auch dann geltend zu machen, wenn der Arbeitgeber den Urlaub wegen der von ihm angenommenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der vermeintlichen Endabrechnung abgilt. Einer solchen Abrechnung kann ebensowenig wie einer Kündigung nicht ohne weiteres der Inhalt beigemessen werden, der Arbeitgeber werde eine Freistellung verweigern, sofern der Arbeitnehmer diese verlangt. Der Senat hat bereits im Urteil vom 21. September 1999 (- 9 AZR 705/98 - aaO) darauf hingewiesen, daß es im wohlverstandenen Eigeninteresse des Arbeitgebers liegt, den Arbeitnehmer vorsorglich freizustellen, um die Kumulation von Ansprüchen aus Annahmeverzugs- und Abgeltungsansprüchen zu verhindern. Einer solchen Mehrfachzahlung hat die Beklagte mit der Abgeltung des Urlaubs vorgebeugt.
cc) Die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger werde durch die nachträgliche Verrechnung der Urlaubsabgeltung mit seinen Ansprüchen aus Annahmeverzug um "seinen Anspruch auf bezahlte Freizeit ohne die Obliegenheiten des § 615 Satz 2 BGB gebracht", trifft nicht zu. Die Abgeltung des Urlaubs nach § 7 Abs. 4 BUrlG soll dem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Urlaub ermöglichen, obgleich er von seiner Arbeitspflicht nicht mehr freigestellt werden kann (BAG 23. Juni 1983 - 6 AZR 180/80 - aaO; 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 - AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 18 = EzA BUrlG § 7 Nr. 34). Mit der Abgeltung des Urlaubs macht der Arbeitgeber mithin deutlich, er erwarte vom Arbeitnehmer für den durch die Zahlung abgedeckten Zeitraum keine Anrechnung anderweitigen Verdienstes und auch kein Bemühen um andere Erwerbsmöglichkeiten iS von § 11 Nr. 2 KSchG, § 615 Satz 2 BGB. Hierauf kann sich der Arbeitnehmer einstellen und den Geldbetrag entsprechend dem mit der Abgeltung gesetzlich verfolgten Zweck verwenden. Die spätere Verrechnung ändert an dieser tatsächlich bestehenden Möglichkeit nichts. Sie bewirkt lediglich die Wiederherstellung des Zustands, der sich ergibt, wenn der Arbeitgeber den Urlaub nicht rechtsgrundlos abgegolten hat. Das vom Landesarbeitsgericht als "nicht interessegerecht" beurteilte Ergebnis beruht nicht auf der Zahlung der Urlaubsabgeltung, sondern auf der Untätigkeit des Klägers.
III. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Leinemann
Düwell ReineckeRainer Otto
Kranzusch
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