Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch im Dienst der Bundesdruckerei
Orientierungssatz
1. Nach § 30 Abs 13 Satz 1 des Tarifvertrages für die Arbeiter der Bundesdruckerei vom 22.6.1961 in der Fassung vom 11.1.1985 ist der Erholungsurlaub abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer, wenn er den Arbeitgeber hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Verzug gesetzt hat, die Zahlung eines der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrags als Schadenersatz fordern, wenn der Urlaubsabgeltungsanspruch zwischenzeitlich wegen Fristablaufs erloschen ist.
Normenkette
TVG § 1; BGB §§ 287, 286; BUrlG §§ 4, 7; BGB §§ 249, 284
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 19.02.1986; Aktenzeichen 5 Sa 1353/85) |
ArbG Bonn (Entscheidung vom 21.11.1985; Aktenzeichen 5 Ca 2480/85) |
Tatbestand
Der 1935 geborene Kläger war 31 Jahre lang im Zweigbetrieb Bonn der Bundesdruckerei als Drucker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag für die Arbeiter der Bundesdruckerei (TV Arb BDr) vom 22. Juni 1961 in der Fassung vom 11. Januar 1985 anzuwenden. Darin ist u.a. geregelt:
"§ 30
Erholungsurlaub
1. Jeder Arbeiter erhält im Kalenderjahr
(Urlaubsjahr) Erholungsurlaub unter Fort-
zahlung seines Lohnes.
.....
3. Der erste Urlaubsanspruch kann nach sechs-
monatiger ununterbrochener Beschäftigung
in der Bundesdruckerei geltend gemacht wer-
den. Scheidet ein Arbeitnehmer vor Ablauf
von sechs Monaten aus der Bundesdruckerei
aus, besteht Anspruch auf anteiligen Ur-
laub entsprechend der Beschäftigungsdauer.
Arbeiter, die wegen Vollendung des 65. Le-
bensjahres oder wegen Berufs- oder Erwerbs-
unfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis aus-
scheiden, haben Anspruch auf den vollen
Erholungsurlaub. Das gleiche gilt, wenn
der Arbeiter oder die Arbeiterin ausschei-
det, weil die Voraussetzungen zum Bezug
des Altersruhegeldes nach § 1248 Abs. 1
oder 3 RVO, § 25 Abs. 1 oder 3 AVG oder
§ 48 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 RKG erfüllt
sind.
.....
11. Die zeitliche Festlegung des Urlaubs rich-
tet sich nach den betrieblichen Erforder-
nissen. Die Wünsche der einzelnen Arbeiter
sind hierbei nach Möglichkeit zu berück-
sichtigen.
Der Urlaub soll grundsätzlich zusammenhän-
gend gewährt und genommen werden. Er kann
aus betrieblichen oder persönlichen Grün-
den geteilt werden. Bei Teilung des Urlaubs
muß ein Urlaubsteil auf Verlangen des Ar-
beiters mindestens drei Wochen betragen.
Urlaub, der im Urlaubsjahr nicht oder nicht
voll gewährt oder genommen wurde, ist spä-
testens bis zum 30. April des nächsten Ur-
laubsjahres anzutreten. Ist dies aus be-
trieblichen Gründen oder wegen Arbeitsun-
fähigkeit nicht möglich, verlängert sich
die Frist bis zum 30. Juni. Wird der Urlaub
wegen der Arbeitsunfähigkeit bis zum 30.
Juni nicht angetreten, so ist er bar abzu-
gelten.
.....
13. Kann der Urlaub wegen Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses ganz oder teilweise
nicht mehr gewährt werden, so ist er bar
abzugelten. .....
....."
Seit 10. April 1984 ist der Kläger ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Mai 1985. Der Kläger hat mit Schreiben vom 15. Juli 1985 die Abgeltung seines Erholungsurlaubs für die Urlaubsjahre 1984 und 1985 in unstreitiger Höhe begehrt. Die Beklagte hat dies durch Schreiben vom 13. August 1985 abgelehnt.
Mit der Klage hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
6.548,26 DM brutto zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision bittet der Kläger um Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
A. Die Revision ist zulässig. Das Berufungsgericht hat sie im angefochtenen Urteil zugelassen. Zwar ergibt sich die Revisionszulassung nicht aus der Urteilsformel. Sie ist aber in den Entscheidungsgründen enthalten. Dies reicht im vorliegenden Fall aus, weil die Entscheidung über die Zulassung der Revision mitverkündet wurde, wie sich aus dem Sitzungsprotokoll vom 19. Februar 1986 ergibt (vgl. dazu Grunsky, ArbGG, 5. Aufl., § 72 Rz 23 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Der Berichtigungsbeschluß vom 7. April 1986, durch den das Berufungsgericht das angefochtene Urteil vom 19. Februar 1986 nach § 319 ZPO um die in der Urteilsformel fehlende Revisionszulassung ergänzt hat, ist somit als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision unbeachtlich.
B. Die Revision ist jedoch unbegründet, weil der Klageanspruch nicht besteht. Der Kläger hatte zwar einen Anspruch auf Abgeltung des Erholungsurlaubs für die Urlaubsjahre 1984 und 1985 erworben. Dieser ist aber zwischenzeitlich erloschen.
I. Nach § 30 Abs. 13 Satz 1 TV Arb BDr ist der Erholungsurlaub bar abzugelten, wenn er wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht gewährt werden kann. Als der Kläger am 31. Mai 1985 aus dem Arbeitsverhältnis ausschied, erwarb er nach dieser mit § 7 Abs. 4 BUrlG übereinstimmenden Regelung einen Anspruch auf Abgeltung seines Erholungsurlaubs für die Urlaubsjahre 1984 und 1985.
1. Die Urlaubsansprüche waren entstanden. Der Kläger hatte die Wartezeit nach § 30 Abs. 3 Satz 1 TV Arb BDr, § 4 BUrlG erfüllt. Den Ansprüchen stand nicht entgegen, daß der Kläger seit dem 10. April 1984 keine Arbeitsleistungen erbracht hatte.
Der gesetzliche Urlaubsanspruch setzt nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses und die Erfüllung der sechsmonatigen Wartezeit nach § 4 BUrlG, nicht aber die Erbringung von Arbeitsleistungen im Urlaubsjahr voraus (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. z. B. BAGE 52, 67, 69 = AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zu I 2 der Gründe). Für den über den gesetzlichen Urlaub hinausgehenden tariflichen Urlaub gilt hier das gleiche. Die Tarifvertragsparteien haben insoweit nichts Abweichendes geregelt.
2. Mit dem Ausscheiden des Klägers entstand der Urlaubsabgeltungsanspruch, weil der Urlaub vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht mehr gewährt werden konnte (§ 30 Abs. 13 TV Arb BDr). Unschädlich ist es, daß die Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortdauerte (BAG Urteil vom 28. Juni 1984 - 6 AZR 521/81 - BAGE 46, 224 = AP Nr. 18 zu § 7 BUrlG Abgeltung und seitdem ständige Rechtsprechung, zuletzt Urteil des Senats vom 10. Februar 1987 - 8 AZR 529/84 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, sowie Urteil vom 23. Juli 1987 - 8 AZR 42/85 -, unveröffentlicht).
II. Der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für 1984 ist jedoch am 30. Juni 1985, der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs für 1985 am 30. Juni 1986 erloschen.
1. Die tariflichen Bestimmungen gehen davon aus, daß der Urlaub in dem Urlaubsjahr zu gewähren und zu nehmen ist, für das der Urlaubsanspruch entsteht. Nach § 30 Abs. 11 Unterabs. 3 Satz 1 TV Arb BDr ist Urlaub, der im Urlaubsjahr nicht oder nicht voll gewährt oder genommen wurde, spätestens bis zum 30. April des nächsten Urlaubsjahres anzutreten. Ist dies aus betrieblichen Gründen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nicht möglich, verlängert sich die Frist bis zum 30. Juni (§ 30 Abs. 11 Unterabs. 3 Satz 2 TV Arb BDr).
2. Die Urlaubsansprüche des Klägers für die Urlaubsjahre 1984 und 1985 wären also bei fortbestehendem Arbeitsverhältnis am Ende der bis zum 30. Juni 1985 bzw. 30. Juni 1986 verlängerten Übertragungszeiträume erloschen. Die in § 30 Abs. 11 Unterabs. 3 Satz 2 TV Arb BDr enthaltene Befristung unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Rechtsfolge nicht von der des § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, bei deren Eintritt der gesetzliche Urlaubsanspruch erlischt (vgl. BAGE 39, 53 = AP Nr. 4 zu § 7 BUrlG Übertragung).
§ 30 Abs. 11 Unterabs. 3 Satz 3 TV Arb BDr steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Diese Bestimmung trifft für das fortbestehende Arbeitsverhältnis eine Urlaubsabgeltungsregelung, die eingreift, wenn der Urlaub wegen Krankheit des Arbeitnehmers nicht genommen werden konnte. Sie bewirkt aber nicht, daß Urlaub erhalten bleibt, der bis zum 30. Juni des nächsten Urlaubsjahres nicht genommen wurde. Der Urlaubsanspruch erlischt auch in diesem Fall. Nach dem 30. Juni des nächsten Urlaubsjahrs besteht nur noch der Anspruch auf Abgeltung, nicht aber auf Gewährung des Urlaubs durch Freistellung von der Arbeitspflicht, auch dann nicht, wenn der Arbeitnehmer nach diesem Zeitpunkt wieder arbeitsfähig und somit urlaubsfähig wird. Der Senat nimmt Bezug auf seine Entscheidung zu der gleichlautenden Bestimmung des § 23 Abs. 10 des Tarifvertrags für die Arbeiter der Deutschen Bundespost vom 6. Januar 1955 (vgl. Urteil des Senats vom 22. Oktober 1987 - 8 AZR 172/86 -, zu II 2 der Gründe, zur Veröffentlichung bestimmt).
3. Da der Anspruch auf Urlaubsabgeltung wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Surrogat des Urlaubsanspruchs der gleichen Befristung unterliegt wie der Urlaubsanspruch selbst (vgl. Urteil des Senats vom 14. Mai 1986 - 8 AZR 604/84 - AP Nr. 26 zu § 7 BUrlG Abgeltung, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen), sind auch die Ansprüche des Klägers auf Abgeltung des Urlaubs am 30. Juni 1985 bzw. 30. Juni 1986 erloschen. Für den in § 30 Abs. 13 TV Arb BDr geregelten Urlaubsabgeltungsanspruch gilt insoweit nichts anderes als für den Anspruch nach § 7 Abs. 4 BUrlG.
III. Der Kläger kann die Urlaubsabgeltung auch nicht als Schadenersatz verlangen.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. z. B. BAGE 50, 112 = AP Nr. 8 zu § 7 BUrlG Übertragung) kann der Arbeitnehmer, wenn er den Arbeitgeber hinsichtlich des Urlaubsabgeltungsanspruchs in Verzug gesetzt hat, die Zahlung eines der Urlaubsabgeltung entsprechenden Geldbetrags als Schadenersatz fordern, wenn der Urlaubsabgeltungsanspruch zwischenzeitlich wegen Fristablaufs erloschen ist (§ 284 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 249 Satz 1 BGB).
2. Der Schadenersatzanspruch würde somit voraussetzen, daß der Kläger die Urlaubsabgeltungsansprüche rechtzeitig vor dem 30. Juni 1985 bzw. dem 30. Juni 1986 geltend gemacht hat und der Urlaubsanspruch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zu diesem Zeitpunkt erfüllbar gewesen wäre.
Der Urlaubsanspruch war nicht erfüllbar, weil der Kläger seine Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt hat.
IV. Der Kläger kann seine Ansprüche auch nicht auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes stützen, die nur durch Zubilligung des Klageanspruchs behoben werden könnte (vgl. dazu BAGE 50, 137 = AP Nr. 136 zu Art. 3 GG).
Zwar dürfen die Tarifpartner wesentlich gleiche Sachverhalte nicht willkürlich verschieden behandeln (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., Einl. Rz 62). Das ist aber dadurch, daß nach dem Tarifvertrag im fortbestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte, abzugelten ist, während bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine dem § 7 Abs. 4 BUrlG entsprechende Regelung gilt, nicht geschehen. Zuzugeben ist dem Kläger, daß § 30 Abs. 13 TV Arb BDr hinsichtlich des Abgeltungstatbestands enger ist als § 51 Abs. 1 BAT. Nach dieser Regelung ist der Urlaubsabgeltungsanspruch nicht davon abhängig, daß ein Arbeitnehmer bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und danach arbeitsfähig ist (vgl. BAGE 45, 203 = AP Nr. 16 zu § 7 BUrlG Abgeltung; Urteil des Senats vom 18. Dezember 1986 - 8 AZR 357/84 -, unveröffentlicht). Zu einer dem § 51 Abs. 1 BAT entsprechenden Regelung waren die Tarifvertragsparteien jedoch nicht verpflichtet.
Die "Barabgeltung" nach § 30 Abs. 11 Unterabs. 3 Satz 3 TV Arb BDr ist eine Zahlung, die unter der Voraussetzung geleistet wird, daß die Freizeitgewährung im fortbestehenden Arbeitsverhältnis unmöglich ist. Es geht dabei nicht um Urlaub, denn es fehlt an der Möglichkeit, den Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freizustellen (vgl. zum Inhalt des Urlaubsanspruchs: BAGE 45, 184, 188 = AP Nr. 14 zu § 3 BUrlG Rechtsmißbrauch, zu II 3 der Gründe). Dieser Sachverhalt unterscheidet sich also von der Gewährung von Urlaub. Der Gleichheitssatz ist nicht dadurch verletzt, daß die Tarifvertragsparteien auf der einen Seite für das fortbestehende Arbeitsverhältnis einen Anspruch auf Ersatz für sonst verfallenen Urlaub geregelt, für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber den Urlaubsabgeltungsanspruch auf den gesetzlichen Umfang beschränkt haben. Es ist nicht gleichheitswidrig, dem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis beendet ist, diese Zahlung zu verweigern. Die Tarifvertragsparteien sind nicht verpflichtet, eine Leistung, die dem Arbeitnehmer im fortbestehenden Arbeitsverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird, auch aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzugestehen.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Dr. Liebers Terbrack
Fundstellen