Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang von Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes
Normenkette
GG Art. 28 Abs. 2; BGB § 613a; BRRG § 128 Abs. 3
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 17.12.1992; Aktenzeichen 4 Sa 101/92) |
ArbG Dresden (Urteil vom 15.07.1992; Aktenzeichen 3 Ca 662/91) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten zu 2) wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 17. Dezember 1992 – 4 Sa 101/92 –, soweit es über den Klageantrag zu 2. entschieden hat, aufgehoben. Insoweit wird auf die Berufung der Beklagten zu 2) unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Dresden vom 15. Juli 1992 – 3 Ca 662/91 – die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Gerichtskosten erster Instanz zu 4/7 sowie die außergerichtlichen Kosten erster Instanz der Beklagten zu 2), die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten des Revisionsverfahrens in vollem Umfange zu tragen. Der Beklagte zu 1) hat von den Kosten erster Instanz die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu jeweils 3/7 und seine außergerichtlichen Kosten allein zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob zwischen ihnen seit dem 1. September 1991 ein Arbeitsverhältnis besteht.
Die im Jahre 1954 geborene Klägerin arbeitete aufgrund des am 27. November 1972 mit dem Rat des Kreises P. geschlossenen Arbeitsvertrages seit dem 1. August 1973 als Kindergärtnerin. Seit 1981 war sie im Kindergarten B. beschäftigt.
Am 1. Juli 1991 trat das Gesetz zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen im Freistaat Sachsen vom 3. Juli 1991 (SäKitaG – SächsGVBl. S. 237, 240) in Kraft. Mit Schreiben vom 8. August 1991 teilte die Beklagte zu 2) dem Beklagten zu 1) mit, daß sie die Klägerin nicht übernehmen werde. Der Beklagte zu 1) kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 27. September 1991 zum 31. März 1992 aus strukturellen Gründen. Von September 1991 bis März 1992 wurde die Klägerin vom Beklagten zu 1) in der Wohngeldstelle beschäftigt.
Mit ihrer am 21. Oktober 1991 beim Kreisgericht eingereichten Klage hat die Klägerin im Verhältnis zum Beklagten zu 1) die Unwirksamkeit der Kündigung vom 27. September 1991 geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1992 hat die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte zu 2) erweitert. Im Verhältnis zur Beklagten zu 2) macht sie geltend, ihr Arbeitsverhältnis sei mit Wirkung vom 1. September 1991 vom Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) übergegangen und die Beklagte zu 2) sei zur tatsächlichen Weiterbeschäftigung verpflichtet.
Die Klägerin hat beantragt,
- es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 27. September 1991, zugegangen am 30. September 1992, nicht aufgelöst worden ist,
- es wird festgestellt, daß zwischen der Beklagten zu 2) und der Klägerin ab dem 1. September 1991 das Arbeitsverhältnis fortbesteht,
- die Beklagte zu 2) zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen als Kindergärtnerin über den 1. September 1991 weiterzubeschäftigen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte zu 1) keine Berufung eingelegt. Auf die Berufung der Beklagten zu 2) hat das Landesarbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Antrags zu 3. abgewiesen. Im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte zu 2) ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten zu 2) ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 2) festgestellt.
I. Vertraglich ist weder im Verhältnis der Klägerin zum Beklagten zu 1) noch zur Beklagten zu 2) der Übergang des bisherigen Arbeitsverhältnisses der Klägerin auf die Beklagte zu 2) vereinbart worden. Der Beklagte zu 1) und die Klägerin haben zwar entsprechende Bemühungen unternommen, doch hat die Beklagte zu 2) den Abschluß einer vertraglichen Vereinbarung abgelehnt. Demgemäß hat der Beklagte zu 1) die Klägerin ab September 1991 nicht mehr im Kindergarten, sondern in seiner Wohngeldstelle beschäftigt, so daß kein Anhaltspunkt für eine Auslegung tatsächlichen Verhaltens der Parteien im Sinne einer Vertragsänderung gegeben ist.
II. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht nach den Bestimmungen des SäKitaG auf die Beklagte zu 2) übergegangen.
1. Alleiniger Anknüpfungspunkt für einen derartigen Übergang von Arbeitsverhältnissen könnte § 8 dieses Gesetzes sein, auf den das Berufungsgericht entscheidend abgestellt hat. Nach § 8 Abs. 1 SäKitaG hat das Jugendamt darauf hinzuwirken, daß die im Bedarfsplan ausgewiesenen Kindertageseinrichtungen von anerkannten Trägern der freien Jugendhilfe errichtet oder übernommen und betrieben werden. In § 8 Abs. 2 wird entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip formuliert: „Ist kein Träger der freien Jugendhilfe vorhanden oder bereit, den Betrieb einer im Bedarfsplan als erforderlich ausgewiesenen Kindertageseinrichtung zu übernehmen, ist die Gemeinde zur Übernahme der Trägerschaft verpflichtet; die Trägerschaft kann in diesem Fall auch von einem kommunalen Zweckverband übernommen werden.”
a) Der Übergang von Arbeitsverhältnissen wird weder in § 8 noch in anderen Bestimmungen dieses Gesetzes erwähnt. Der Wortlaut der Norm wirkt damit der Annahme eines gesetzlichen Überganges von Arbeitsrechtsverhältnissen entgegen (vgl. Urteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 576/92 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B III 1 a der Gründe).
b) Angesichts der Systematik des Gesetzes kann der Übergang der Arbeitsverhältnisse der in den Kindertageseinrichtungen beschäftigten Betreuungskräfte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht als mittelbar mitgeregelt angesehen werden. Das Gesetz geht primär von einer Errichtung neuer oder der Übernahme vorhandener Kindertageseinrichtungen durch Träger der freien Jugendhilfe aus. Lediglich subsidiär werden die Gemeinden verpflichtet, vorhandene Kindertageseinrichtungen zu übernehmen. Dabei können die Gemeinden dieser gesetzlichen Pflicht auch dadurch entsprechen, daß die Trägerschaft von einem kommunalen Zweckverband übernommen wird. Damit ist das Gesetz auf den Vollzug durch Abschluß entsprechender öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Vereinbarungen angelegt. Ohne diese Vereinbarungen tritt weder ein Trägerschaftswechsel hinsichtlich der Kindertageseinrichtung noch ein Wechsel in der Arbeitgeberstellung kraft Gesetzes ein.
In der ehemaligen DDR wurden staatliche Kindereinrichtungen, zu denen nach § 1 der Verordnung über Kindereinrichtungen der Vorschulerziehung vom 22. April 1976 (GBl. DDR I S. 201) auch Kindergärten gehörten, als Einrichtungen der Räte der Stadtbezirke, Städte und Gemeinden geführt (vgl. § 5 der vorstehend zitierten Verordnung). Die pädagogischen Kräfte an diesen Einrichtungen wurden von den Räten der Kreise eingesetzt (vgl. § 5 Abs. 2 der Verordnung). Diese Rechtslage blieb durch die Verordnung über Tageseinrichtungen für Kinder vom 18. September 1990 (GBl. DDR S. 1577) unberührt. Wie bereits im Urteil vom 16. März 1994 ausgeführt, hat auch das SäKitaG keinen Übergang von Arbeitsverhältnissen geregelt, vielmehr dies der Vereinbarung der Beteiligten überlassen.
2. Diese Auslegung des § 8 wird durch § 20 Abs. 5 des Gesetzes bestätigt. Danach hat der Träger der Kindertageseinrichtung, der nicht Arbeitgeber des pädagogischen Personals ist, dem Arbeitgeber die Personalkosten zu erstatten. Damit geht das Gesetz davon aus, daß zumindest in einer Übergangsphase die Trägerschaft an Kindertageseinrichtungen und die Arbeitgeberstellung hinsichtlich aller oder einzelner Beschäftigter der jeweiligen Kindertageseinrichtung auseinanderfallen können. Eine durch den Verzicht auf einen gesetzlichen Übergangstatbestand verstärkt hervorgerufene Situation.
Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, § 20 Abs. 5 SäKitaG habe nur bis zum 31. Dezember 1991 gegolten, ist rechtlich unzutreffend. § 20 Abs. 5 SäKitaG stellt neben den Absätzen 1 bis 4 desselben Paragraphen eine eigenständige Übergangsbestimmung dar und bezieht sich nicht lediglich auf die vorläufige Weiterführung von Kindertageseinrichtungen nach Abs. 1. Diese Auslegung wird besonders durch die Absätze 3 und 4 bestätigt, die weder in einem sachlichen Zusammenhang mit der Regelung des Abs. 1 stehen noch eine Befristung auf den 31. Dezember 1991 vorsehen oder erlauben.
3. In dieser Auslegung bestehen gegen das Gesetz vom 3. Juli 1991 keine aus Art. 28 Abs. 2 GG herzuleitenden Bedenken.
III. Der gesetzliche Übergang des Arbeitsverhältnisses von dem Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) folgt auch nicht aus § 613 a BGB. Die Klägerin hat die tatsächlichen Voraussetzungen eines Betriebsüberganges nicht dargelegt. Ausgehend von den öffentlich-rechtlichen Vorgaben blieb die schuld- und sachenrechtliche Zuordnung der den Kindergarten ausmachenden Betriebsmittel vor und nach dem 1. September 1991 unverändert. Daß mit einem Teil der früheren Beschäftigten des Beklagten zu 1) von der Beklagten zu 2) Arbeitsverträge geschlossen wurden, begründet keinen Betriebsübergang, denn die personelle Verantwortung steht der Verantwortung für die in einem Kindergarten den Benutzern gebotene sachliche Dienstleistung nicht gleich. Es kann deshalb in diesem Fall dahingestellt bleiben, ob die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG im Falle der vertraglichen „Übernahme der Verantwortung für Reinigungsaufgaben” überhaupt auf die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung der neuen Bundesländer übertragen werden können (vgl. Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 14. April 1994 – Rs C-392/92 – ZIP 1994, 1036).
IV. Weitere Gründe, die zum Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin von dem Beklagten zu 1) auf die Beklagte zu 2) geführt haben könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere folgt kein gesetzlicher Übergang von Arbeitsverhältnissen aus der analogen Anwendung von § 128 Abs. 3 BRRG. Nach § 128 Abs. 3 BRRG haben die aufnehmenden Körperschaften im Falle einer teilweisen Eingliederung einer anderen Körperschaft deren Beamte zu einem Teil „zu übernehmen”. Danach ist kein gesetzlicher Übergang von Beamtenverhältnissen, sondern die Umsetzung der Übernahmeentscheidung mittels Verwaltungsaktes erforderlich (vgl. BVerwG Beschluß vom 3. März 1981 – 7 B 36.81 – Buchholz 415.1 – Nr. 33). Wäre eine analoge Anwendung dieser Normen rechtlich möglich, würde allenfalls eine Pflicht zur Übernahme von Personal begründet, jedoch kein gesetzlicher Arbeitgeberwechsel geregelt. Allerdings könnte eine analoge Anwendung von § 128 Abs. 3 BRRG Bedeutung im Rahmen der Beurteilung einer vom bisherigen Arbeitgeber ausgesprochenen Beendigungskündigung erlangen. Insofern besteht aber keine Rechtserheblichkeit für den Streitgegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1, § 100 Abs. 2 ZPO. Aufgrund der abändernden Sachentscheidung sind auch die vorinstanzlichen Kostenentscheidungen einschließlich der Kostenlast des im Revisionsverfahren nicht mehr beteiligten Beklagten zu 1) abzuändern (vgl. BGH Urteil vom 14. Juli 1981 – VI ZR 35/79 – MDR 1981, 928; Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 576/92 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu D. der Gründe).
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Müller-Glöge, Plenge, Hannig
Fundstellen