Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Berechnung der Urlaubsvergütung und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
Leitsatz (redaktionell)
Mankogeld, das unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers monatlich bezahlt wird, ist in die Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG grundsätzlich nicht einzustellen.
Normenkette
BUrlG §§ 1, 3 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 1 S. 1; EFZG § 3 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1, 4; Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/-innen des privaten Omnibusgewerbes in SchleswigHolstein vom 16. Juli 1996 i.d.F. der 1. Protokollnotiz vom 1. September 2006 § 16 Abs. 6, § 18 Abs. 3; Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung Art. 7
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 8. Februar 2012 – 6 Sa 37/11 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Kläger war im Omnibusunternehmen der Rechtsvorgängerin der Beklagten als Busfahrer beschäftigt. Kraft beiderseitiger Tarifbindung richtete sich das Arbeitsverhältnis nach dem Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer/-innen des privaten Omnibusgewerbes in Schleswig-Holstein vom 16. Juli 1996 (MTV). Der MTV in der durch die 1. Protokollnotiz vom 1. September 2006 zum 1. Januar 2007 geänderten Fassung lautet auszugsweise wie folgt:
…
(6) |
Während der Dauer des Urlaubs wird der Lohn nach folgender Maßgabe fortgezahlt: Die Lohnfortzahlung erfolgt auf der Basis von 8 Std. pro Tag bei einer 5-Tage-Woche bzw. 7 Std. pro Tag bei einer 6-Tage-Woche unter Zugrundelegung des Tabellenlohnes. |
…
§ 18 |
Krankenbezüge, Lohnzahlung bei Krankheit und Arbeitsunfall |
…
(3) |
Während der Dauer der Erkrankung, längstens für sechs Wochen, erhält der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin den Lohn fortgezahlt, der gemäß § 16 Abs. 6 (Urlaubslohn) gezahlt wird. Im Übrigen gelten im Krankheitsfall die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes in der jeweils geltenden Fassung. |
…”
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist „durch Tarifgespräch zwischen [der Rechtsvorgängerin] der Beklagten und der Gewerkschaft ver.di diese Regelung mit einer Übergangszeit versehen worden”. Danach wurden Fehltage im Jahr 2007 mit 9,25 Stunden, im Jahr 2008 mit 8,75 Stunden und ab dem Jahr 2009 mit 8 Stunden abgerechnet. Die Bruttovergütung des Klägers setzte sich nach den getroffenen Feststellungen aus den nachfolgenden Positionen zusammen:
- „Grundlohn”
- „AG-Zuschuss VL”
- „Grundvergütung Überstunden”
- „Überstundenzuschlag”
- „Nachtzuschlag”
- „Pausenvergütung”
- „Provision Zeitung”
- „Spesen geteilter Dienst”
Außerdem erhielt der Kläger, der regelmäßig über die tarifliche Arbeitszeit von wöchentlich 39 Stunden (= 7,8 Stunden pro Tag bei einer 5-Tage-Woche)hinaus arbeitete, ein monatliches Mankogeld iHv. 16,00 Euro. Dieses zahlte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger in den Jahren 2007 und 2008 unabhängig von Urlaub und Arbeitsunfähigkeit. Sein gesetzlicher Urlaub im Umfang von 20 Arbeitstagen wurde dem Kläger im Jahr 2008 in den Monaten Januar, April und August gewährt. Bei der Ermittlung des Urlaubsentgelts wurde im Jahr 2008 jedem Urlaubstag des Klägers eine ausgefallene Arbeitszeit von 8,75 Stunden und ein Stundenlohn von 11,10 Euro brutto zugrunde gelegt. In gleicher Weise wurde die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall errechnet. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hätte der Kläger im Januar 2008 durchschnittlich 8,62 Stunden, im April 2008 durchschnittlich 8,72 Stunden und im August 2008 durchschnittlich 8,5 Stunden an jedem „Urlaubstag gearbeitet”.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die tariflichen Regelungen in § 16 Abs. 6, § 18 Abs. 3 MTV missachteten das Lohnausfallprinzip und seien wegen Verstoßes gegen das BUrlG und das EFZG unwirksam. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe das Urlaubsentgelt und die Entgeltfortzahlung jeweils anhand der Durchschnittswerte der letzten drei Abrechnungsmonate ermitteln und dabei alle Entgeltbestandteile berücksichtigen müssen. Sie sei daher verpflichtet gewesen, ihm bereits für Dezember 2007 eine höhere Vergütung für die in diesem Monat angefallenen Urlaubstage zu zahlen. Unter Berücksichtigung dieser höheren Vergütung für Dezember 2007 hätte sich auch eine zu berücksichtigende höhere Durchschnittsvergütung für die Monate Oktober bis Dezember 2007 in Höhe von 121,78 Euro brutto und in Höhe von 1,69 Euro netto je Arbeitstag ergeben. Diese höhere Durchschnittsvergütung hätte für die Berechnung des Urlaubsentgelts für die 13 Urlaubstage im Januar 2008 zugrunde gelegt werden müssen. Insgesamt ergebe sich für das Jahr 2008 unter Fortschreibung der jeweils höheren monatlichen Beträge ein Gesamtdifferenzbetrag iHv. 804,33 Euro brutto. Im Einzelnen hat der Kläger folgende Differenzbeträge zu den abgerechneten und gezahlten Bruttobeträgen begehrt:
Monat im Jahr 2008 |
Differenz [Euro] bei steuerpflichtigen Entgeltbestandteilen |
Zusätzliche Differenz [Euro] bei steuerfreien Entgeltbestandteilen |
Anzahl abgerechneter Urlaubs- bzw. Arbeitsunfähigkeitstage |
Januar |
320,71 |
29,97 |
13 Urlaubstage, davon 12 Tage gesetzlicher Urlaub und 1 Tag tariflicher Mehrurlaub |
Februar |
57,28 |
5,40 |
3 Tage Arbeitsunfähigkeit |
April |
119,12 |
9,50 |
5 Tage gesetzlicher Urlaub |
Mai |
47,13 |
3,62 |
2 Tage tariflicher Sonderurlaub |
August |
85,88 |
26,32 |
8 Urlaubstage, davon 3 Tage gesetzlicher Urlaub und 5 Tage tariflicher Mehrurlaub |
Oktober |
88,90 |
10,50 |
6 Tage tariflicher Mehrurlaub |
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Vergütungsdifferenzen für das Jahr 2008 iHv. insgesamt 804,33 Euro brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8. April 2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, sie habe nach den tariflichen Regelungen abrechnen dürfen. Die Berechnung des Urlaubsentgelts sei von der gesetzlichen Öffnungsklausel in § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gedeckt. Der Kläger berechne den seiner Klageforderung zugrunde liegenden Durchschnittsverdienst fehlerhaft. So dürften insbesondere die vermögenswirksamen Leistungen, die Provisionszahlungen aus dem Zeitungsverkauf, die Spesen für geteilte Dienste, das Mankogeld sowie die Überstundenvergütung (Grundvergütung zzgl. Zuschläge)nicht zur Ermittlung des Durchschnittsverdienstes herangezogen werden. Ferner müsse zwischen der Vergütung für den gesetzlichen Mindesturlaub und der Vergütung für den übergesetzlichen Mehrurlaub differenziert werden. Auch die Regelung in § 18 Abs. 3 MTV sei von der Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 EFZG gedeckt. Trotz der Verweisung auf § 16 Abs. 6 MTV handele es sich um eine eigenständige Regelung für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 119,98 Euro verurteilt, die weiter gehende Klage abgewiesen und die Berufung für beide Parteien zugelassen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte klarstellend verurteilt, an den Kläger Vergütungsdifferenzen für die Monate Januar, April und August 2008 iHv. insgesamt 312,90 Euro brutto zu zahlen. Es hat angenommen, § 16 Abs. 6 MTV sei, soweit die Vorschrift den gesetzlichen Mindesturlaub betreffe, nicht von der Öffnungsklausel des § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gedeckt. Hinsichtlich des Geldfaktors hat es ausgeführt, dass bei dessen Berechnung abweichend von der bisherigen Handhabung die Provisionen für Zeitungsverkäufe und die Spesen für geteilte Dienste zu berücksichtigen seien, während das Mankogeld, die Überstundenvergütung und die vermögenswirksamen Leistungen nicht anzusetzen seien. Basierend auf Berechnungen der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht für die Berechnung des Urlaubsentgelts für Januar 2008 einen Geldfaktor iHv. 13,11 Euro brutto, für April 2008 iHv. 12,90 Euro brutto und für August 2008 iHv. 13,21 Euro brutto ermittelt. Es hat dann das von der Beklagten gezahlte Urlaubsentgelt mit dem vom ihm ermittelten Urlaubsentgelt für Januar 2008 iHv. 1.356,10 Euro brutto (= 12 Tage x 8,62 Stunden x 13,11 Euro/Stunde), für April 2008 iHv. 562,44 Euro (= 5 Tage x 8,72 Stunden x 12,90 Euro/Stunde)und für August 2008 iHv. 336,86 Euro brutto (= 3 Tage x 8,5 Stunden x 13,21 Euro/Stunde), zusammen 2.255,39 Euro brutto, verglichen, dem Kläger den Differenzbetrag iHv. 312,90 Euro brutto zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen.
Mit seiner Revision rügt der Kläger, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, dass auch das Urlaubsentgelt für den tariflichen Mehrurlaub und die Höhe der Entgeltfortzahlung nicht nach § 16 Abs. 6 bzw. § 18 Abs. 3 MTV zu ermitteln seien. Außerdem seien in die Berechnung des Urlaubsentgelts und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts auch das Mankogeld, die Überstundengrundvergütung und der Arbeitgeberzuschuss zu den vermögenswirksamen Leistungen einzustellen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers teilweise zurückgewiesen.
I. Dem Kläger steht über die gezahlten und rechtskräftig zugesprochenen Beträge hinaus kein weiteres Urlaubsentgelt für die streitgegenständlichen Zeiträume zu.
1. Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger weiteres Urlaubsentgelt für die in den Monaten Januar, April und August 2008 genommenen 20 Tage gesetzlichen Mindesturlaub begehrt.
a) Ein Anspruch des Klägers auf weiteres Urlaubsentgelt folgt nicht aus § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, wonach sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst bemisst, das der Arbeitnehmer in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat, mit Ausnahme des zusätzlich für Überstunden gezahlten Arbeitsverdienstes. Zwar trifft es zu, dass die Arbeitsvergütung nur noch in äußerst seltenen Ausnahmefällen wöchentlich abgerechnet wird. Entgegen der Auffassung des Klägers ist das Urlaubsentgelt gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG gleichwohl nicht ungeachtet des Beginns des Urlaubs anhand der letzten drei abgerechneten Monatsvergütungen zu ermitteln. Trotz des substanziierten Bestreitens der Berechnung des Urlaubsentgelts durch die Beklagte hat der Kläger weder angegeben, an welchen Tagen er in den Monaten Januar, April und August 2008 seinen Urlaub angetreten hat, noch hat er Angaben zu dem jeweils in den letzten 13 Wochen vor dem Beginn des Urlaubs gezahlten Arbeitsverdienst gemacht. Insoweit ist seine Klage bisher unschlüssig.
b) Die Sache war dennoch nicht zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 3 ZPO). Auch wenn zugunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass seine Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes zu keinem anderen Ergebnis führte als die Ermittlung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG, steht ihm die beanspruchte weitere Urlaubsvergütung nicht zu. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass die Regelung zur Berechnung des Urlaubsentgelts in § 16 Abs. 6 MTV nicht mit § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG in Einklang steht, weil sie von dem in § 1 BUrlG normierten und durch Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9)vorgegebenen Grundsatz des bezahlten Urlaubs abweicht. Dies führt jedoch nicht dazu, dass dem Kläger aufgrund seines Anspruchs auf Mankogeld, auf vermögenswirksame Leistungen und auf Überstundenvergütung ein weiteres Urlaubsentgelt zusteht. Insoweit fehlt es bereits an einer nachvollziehbaren Berechnung der in der Revisionsinstanz noch streitgegenständlichen Forderung des Klägers. Im Übrigen sind diese Entgeltbestandteile bei der Berechnung des Urlaubsentgelts des Klägers gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zu berücksichtigen.
aa) Zahlungen des Arbeitgebers, die unabhängig von der tatsächlichen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers monatlich erfolgen, sind in die Berechnung des Urlaubsentgelts nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG grundsätzlich nicht einzustellen, weil es ansonsten zu einer – vom Gesetz nicht gewollten – doppelten Zahlung kommen würde. Insofern gilt nichts anderes als bei Leistungen, die nicht im gesetzlichen Berechnungszeitraum anfallen, sondern auf das gesamte Jahr bezogen sind (vgl. zu einer jahresbezogenen Einmalleistung: BAG 23. April 1996 – 9 AZR 856/94 – zu I 2 c der Gründe mwN). Wird ein in Monatsbeträgen festgelegter Entgeltbestandteil während des Urlaubs weitergewährt, genügt dies den Anforderungen des BUrlG. Der Arbeitnehmer erhält dann iSd. § 1 BUrlG ein Urlaubsentgelt, wie er es bei Weiterarbeit ohne Freistellung hätte erwarten können (vgl. zu § 26 iVm. § 21 Satz 1 TVöD: BAG 24. März 2010 – 10 AZR 58/09 –Rn. 30 mwN, BAGE 134, 34). Darüber, dass der Kläger in den Monaten Januar, April und August 2008 jeweils Mankogeld iHv. 16,00 Euro brutto erhalten hat, besteht kein Streit. Die Frage, ob das dem Kläger gezahlte Mankogeld Entgeltcharakter hat und ihm dieses damit auch während eines Urlaubs in voller Höhe zusteht, oder ob das Mankogeld als bloßer Ausgleich für das während eines Urlaubs nicht bestehende Haftungsrisiko zu verstehen (vgl. zur Differenzierung bei § 4 EFZG: MüArbR/Schlachter 3. Aufl. Bd. 1 § 74 Rn. 10)und damit bei Urlaub des Klägers nicht oder nur vermindert zu zahlen ist, konnte deshalb unentschieden bleiben.
bb) Auch dann, wenn vermögenswirksame Leistungen arbeitsrechtlich als Bestandteil der Vergütung eingeordnet werden (vgl. BAG 19. September 2012– 5 AZR 628/11 – Rn. 33 mwN auch zum Sozialversicherungs- und Steuerrecht; vgl. allerdings EuGH 7. November 2013 – C-522/12 – [Isbir] Rn. 44, der davon ausgeht, dass vermögenwirksame Leistungen grds. keinen Arbeitslohn darstellen), hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass diese bei der Berechnung seines durchschnittlichen Arbeitsverdienstes nach § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG berücksichtigt werden (vgl. BAG 17. Januar 1991 – 8 AZR 644/89 – BAGE 67, 94; 14. März 1966 – 5 AZR 468/65 –; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 104 Rn. 123; ErfK/Gallner 14. Aufl. § 11 BUrlG Rn. 13; Arnold/Tillmanns/Thiel-Koch BUrlG 2. Aufl. § 11 Rn. 25). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat in den Monaten Januar, April und August 2008 die vermögenswirksamen Leistungen für den Kläger abgeführt. Würden diese in die Berechnung der Urlaubsvergütung eingestellt, erhielte sie der Kläger im Ergebnis doppelt. Im Übrigen hat ein Arbeitnehmer keinen Anspruch, dass vermögenswirksame Leistungen an ihn selbst ausgezahlt werden.
cc) Die Nichtberücksichtigung der im Referenzzeitraum abgerechneten Überstundenzuschläge durch das Landesarbeitsgericht hat der Kläger – offenbar im Hinblick auf den Wortlaut des § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG – in der Revisionsinstanz nicht angegriffen. Soweit der Kläger seine Forderung darauf stützt, dass die Grundvergütung für die geleisteten Überstunden in die Referenzberechnung einzubeziehen sei, hat er nicht schlüssig dargelegt, dass dies hinsichtlich der streitgegenständlichen Urlaubszeiträume zu einem weiter gehenden Vergütungsanspruch führen würde. Das Landesarbeitsgericht hat unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 15. Dezember 2009 (– 9 AZR 887/08 – Rn. 14)für den Geldfaktor den während des Referenzzeitraums erzielten Stundenlohn ermittelt. Wird aber der Geldfaktor in der Weise berechnet, dass der Durchschnittsverdienst im Referenzzeitraum pro Arbeitsstunde berechnet wird (Arbeitsverdienst dividiert durch Anzahl der Arbeitsstunden), so ändert sich der durchschnittliche Stundenverdienst nicht, wenn bei den Arbeitsstunden die geleisteten Überstunden und beim Arbeitsverdienst die dafür gezahlte Grundvergütung berücksichtigt werden (AnwK-ArbR/Düwell 2. Aufl. Bd. 2 § 11 BUrlG Rn. 19; Powietzka/Rolf BUrlG § 11 Rn. 20).
2. Die Klage ist auch unbegründet, soweit der Kläger weiteres Urlaubsentgelt für die in den Monaten Januar, August und Oktober 2008 gewährten 12 Mehrurlaubstage begehrt. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat dem Kläger das gemäß § 16 Abs. 6 MTV ermittelte Urlaubsentgelt gezahlt und damit den Anspruch des Klägers auf Urlaubsentgelt erfüllt. Hinsichtlich der Berechnung des Urlaubsentgelts für den tariflichen Mehrurlaub steht § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG der Regelung in § 16 Abs. 6 MTV nicht entgegen.
a) Die Tarifvertragsparteien können Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche, die den von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG gewährleisteten und von §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG begründeten Anspruch auf Mindestjahresurlaub von vier Wochen übersteigen, grundsätzlich frei regeln (BAG 12. April 2011 – 9 AZR 80/10 – Rn. 21, BAGE 137, 328). Sie sind weder durch das BUrlG noch durch die Richtlinie 2003/88/EG, die nur den Mindesturlaub betreffen, eingeschränkt (vgl. EuGH 3. Mai 2012 – C-337/10 – [Neidel] Rn. 34 ff.; BAG 22. Mai 2012 – 9 AZR 618/10 – Rn. 11, BAGE 141, 374; 23. März 2010 – 9 AZR 128/09 – Rn. 19, BAGE 134, 1). Entgegen dem Verständnis des Klägers bezogen sich auch die Ausführungen des Senats in Rn. 19 des Urteils vom 21. September 2010 (– 9 AZR 510/09 – BAGE 135, 301)nur insoweit auf den tariflichen Urlaubsanspruch, als er mit dem gesetzlichen Mindesturlaub identisch ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Senat in der Entscheidung dazu ausführte: „Nur hinsichtlich des übergesetzlichen Mehrurlaubs sind die Arbeits- und Tarifvertragsparteien frei, weiter reichende Abweichungen von der Bemessungsabsicht des § 11 Abs. 1 BUrlG – wie hier – zu treffen” (BAG 21. September 2010 – 9 AZR 510/09 – Rn. 20, ua. unter Bezugnahme auf BAG 15. Dezember 2009 – 9 AZR 887/08 – Rn. 18).
b) Unerheblich ist, dass die Tarifvertragsparteien in § 16 Abs. 6 MTV den Geld- und den Zeitfaktor für den gesetzlichen Mindesturlaub und den ihn übersteigenden tariflichen Mehrurlaub einheitlich abweichend von § 11 Abs. 1 Satz 1 BUrlG geregelt haben. Soweit diese Regelung hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs gegen § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG verstößt, führt dies nicht zur Unanwendbarkeit des § 16 Abs. 6 MTV auf den tariflichen Mehrurlaub. Für den vom gesetzlichen Mindesturlaub abtrennbaren Teil der einheitlich geregelten Gesamturlaubsdauer bleibt die tarifliche Regelung wirksam (vgl. BAG 22. Mai 2012 – 9 AZR 618/10 – Rn. 18, BAGE 141, 374; 12. April 2011 – 9 AZR 80/10 – Rn. 27, BAGE 137, 328).
3. Die Klage ist auch unbegründet, soweit der Kläger weitere Differenzvergütung beim Urlaubsentgelt für die beiden tariflichen Sonderurlaubstage im Mai 2008 begehrt. Bei dem Sonderurlaub handelt es sich nicht um gesetzlichen Mindesturlaub, sodass er – mangels abweichender Regelungen – rechtlich wie der übergesetzliche Mehrurlaub zu behandeln ist. Das Urlaubsentgelt ist daher für den tariflichen Sonderurlaub gemäß § 16 Abs. 6 MTV zu ermitteln.
II. Dem Kläger steht nicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG weitere Entgeltfortzahlung für drei Tage Arbeitsunfähigkeit im Februar 2008 zu. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat die dem Kläger nach dem MTV zustehende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall berechnet und ausgezahlt. In § 18 Abs. 3 MTV haben die Tarifvertragsparteien durch die Verweisung auf § 16 Abs. 6 MTV den Umfang der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall – abweichend von § 4 Abs. 1 EFZG – wirksam geregelt.
1. § 18 Abs. 3 Satz 1 MTV bestimmt, dass der Arbeitnehmer während der Dauer der Erkrankung, längstens für sechs Wochen, den Lohn fortgezahlt erhält, der gemäß „§ 16 Abs. 6 (Urlaubslohn)” gezahlt wird. Nach § 16 Abs. 6 MTV bemisst sich die Entgeltfortzahlung „auf der Basis von 8 Std. pro Tag bei einer 5-Tage-Woche bzw. 7 Std. pro Tag bei einer 6-Tage-Woche unter Zugrundelegung des Tabellenlohnes”. § 18 Abs. 3 Satz 1 MTV verweist damit wegen der Höhe des fortzuzahlenden Lohns auf die Höhe des Urlaubslohns. Die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall soll nach dem Willen der Tarifvertragsparteien damit so berechnet werden wie das Urlaubsentgelt. Auch die Überschrift „… Lohnzahlung bei Krankheit …” legt das Verständnis nahe, dass die Höhe der Entgeltfortzahlung eigenständig geregelt werden sollte.
2. Für die Rechtsfolgenverweisung in § 18 Abs. 3 Satz 1 MTV ist es unerheblich, dass § 16 Abs. 6 MTV hinsichtlich der Berechnung des Urlaubsentgelts für den gesetzlichen Mindesturlaub wegen § 13 Abs. 1 Satz 1 BUrlG nicht zur Anwendung kommt. Die Tarifvertragsparteien sind – wie Arbeitsvertragsparteien – grundsätzlich frei, ein kollektives Regelwerk in Bezug zu nehmen, ohne dass es auf dessen normative Wirksamkeit ankommt (vgl. BAG 25. September 2013 – 5 AZR 778/12 – Rn. 12). Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Parteien des MTV die Verbindlichkeit der Berechnungsvorschrift für die Entgeltfortzahlung nur unter der Voraussetzung angeordnet haben, dass die Berechnungsvorschrift auch für die Ermittlung des Urlaubsentgelts für den gesetzlichen Mindesturlaub zur Anwendung kommt. Den Tarifvertragsparteien ging es erkennbar darum, die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu vereinfachen.
3. Die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 18 Abs. 3 Satz 1 MTV iVm. § 16 Abs. 6 MTV ist vorliegend auch durch die (eingeschränkte)Öffnungsklausel des § 4 Abs. 4 Satz 1 EFZG gedeckt. Danach kann durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1a und 3 des § 4 EFZG abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. „Bemessungsgrundlage” im Sinne dieser Vorschrift ist die Grundlage für die Bestimmung der Höhe der Entgeltfortzahlung (BAG 18. November 2009 – 5 AZR 975/08 – Rn. 16).
a) Zur Bemessungsgrundlage gehören sowohl die Berechnungsmethode (Ausfall- oder Referenzprinzip; sh. BAG 24. März 2010 – 10 AZR 58/09 –Rn. 26, BAGE 134, 34; ErfK/Reinhard § 4 EFZG Rn. 24)als auch die Berechnungsgrundlage. Letztere setzt sich aus dem Geld- und Zeitfaktor zusammen (BAG 18. November 2009 – 5 AZR 975/08 – Rn. 16). Sie betrifft Umfang und Bestandteile des der Entgeltfortzahlung zugrunde zu legenden Arbeitsentgelts sowie die Arbeitszeit des Arbeitnehmers (BAG 24. März 2004 – 5 AZR 346/03 –zu II 3 a der Gründe, BAGE 110, 90; 13. März 2002 – 5 AZR 648/00 – zu III 2 b der Gründe; 26. September 2001 – 5 AZR 539/00 – zu I 3 a aa der Gründe, BAGE 99, 112). Das Gesetz erlaubt damit den Tarifvertragsparteien, sämtliche Elemente zu gestalten, die diese beiden Faktoren bestimmen. Es ist insbesondere zulässig, eine von der individuellen Arbeitszeit abweichende und auf die tarifliche Regelarbeitszeit abstellende Modifikation des Arbeitszeitfaktors vorzusehen (BAG 24. März 2004 – 5 AZR 346/03 – zu II 3 a bb der Gründe mwN, aaO). Die Tarifvertragsparteien sind nur an den Grundsatz der vollen (100 %)Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gebunden, denn dieser Grundsatz folgt aus dem nicht tarifdispositiven § 3 Abs. 1 Satz 1 iVm. § 4 Abs. 1 EFZG (BAG 18. November 2009 – 5 AZR 975/08– aaO; 24. März 2004 – 5 AZR 346/03 –zu II 3 b aa der Gründe, aaO).
b) Vor diesem Hintergrund hätten die Tarifvertragsparteien des MTV den Zeitfaktor auf 7,8 Stunden pro Tag reduzieren können. Da sie einen Zeitfaktor von 8 Stunden pro Tag festgelegt haben, durften sie den Geldfaktor auf die Grundvergütung reduzieren. Das Gesetz erlaubt Tarifvertragsparteien die Gestaltung des Geldfaktors. Die Abweichungen können sämtliche den Geldfaktor bestimmende Elemente betreffen. Aufgrund der ihnen eingeräumten Gestaltungsmacht dürfen Tarifvertragsparteien auch einzelne Vergütungsbestandteile, insbesondere zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers, wie Prämien oder tarifliche Zuschläge, aus der Entgeltfortzahlung herausnehmen (BAG 24. März 2004 – 5 AZR 346/03 – zu II 3 a aa der Gründe mwN, BAGE 110, 90). Über die schon gemäß § 4 Abs. 1a EFZG nicht zu berücksichtigenden Überstundenvergütungen hinaus hat dies zur Folge, dass Provisionen für Zeitungsverkäufe, Mankogelder, Nachtzuschläge und Leistungen für geteilte Dienste unberücksichtigt bleiben können. Sowohl das Mankogeld als auch die zusätzliche Vergütung für geteilte Dienste haben einen Bezug zu zusätzlichen Aufwendungen des Arbeitnehmers. Im Hinblick auf die Wertung des § 4 Abs. 1a EFZG ist ihre Nichtberücksichtigung zulässig. Der Nachtzuschlag gleicht eine besondere Belastung aus, die während des Entgeltfortzahlungszeitraums nicht anfällt. Es ist sachlich gerechtfertigt, diese Zulage bei der Ermittlung des Geldfaktors nicht zu berücksichtigen.
c) Nach § 18 Abs. 3 iVm. § 16 Abs. 6 MTV konnte der Kläger daher für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit im Februar 2008 insgesamt 266,40 Euro brutto (= 3 Tage x 8 Stunden x 11,10 Euro/Stunde)beanspruchen. Aufgrund der Abrede „im Tarifgespräch”, wonach im Jahr 2008 statt 8 Stunden 8,75 Stunden angesetzt werden, hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten – ungeachtet der rechtlichen Verbindlichkeit dieser Entgeltabrede – insgesamt 291,38 Euro brutto gezahlt und damit den sich aus § 18 Abs. 3 Satz 1 MTV ergebenden Anspruch des Klägers erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Der Kläger hat somit mehr als den Grundlohn für die Zeit seiner Arbeitsunfähigkeit im Februar 2008 erhalten, sodass ihm keine weitere Entgeltfortzahlung zusteht.
III. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Brühler, Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Suckow ist wegen Elternzeit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Brühler, Klose, Starke, Pielenz
Fundstellen
Haufe-Index 6758290 |
AP 2016 |
ArbR 2014, 294 |