Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung
Normenkette
KSchG § 1; HGB § 161 Abs. 2, § 164 Abs. 1, § 131 Nr. 2; GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 2; KSchG § 17 ff.
Verfahrensgang
LAG Nürnberg (Urteil vom 12.03.1997; Aktenzeichen 3 Sa 1064/96) |
ArbG Würzburg (Urteil vom 09.10.1996; Aktenzeichen 6 Ca 681/95 A) |
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 12. März 1997 – 3 Sa 1064/96 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision tragen die Kläger zu je 1/2.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Beklagte ist Konkursverwalter über das Vermögen der W… GmbH & Co. KG, Bosch-Dienst, Groß- und Einzelhandel (Gemeinschuldnerin). Der verheiratete Kläger zu 1 war bei der Gemeinschuldnerin seit 1. September 1977 zu einem Bruttogehalt von 3.995,00 DM angestellt. Der 1951 geborene, ebenfalls verheiratete und drei Kindern unterhaltspflichtige Kläger zu 2 war bei der Gemeinschuldnerin seit 1966 zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt 4.430,00 DM als Kfz-Elektriker beschäftigt. Persönlich haftende Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin war die W… GmbH. Deren Geschäftsführer W… W… war ausweislich des Handelsregisters mit einer Kommanditeinlage von 89.000,00 DM an der Gemeinschuldnerin beteiligt, während die Einlage der beiden anderen Kommanditisten, seiner Kinder, lediglich 8.000,00 DM bzw. 7.000,00 DM betrug. Bis 30. Juni 1992 war die Gemeinschuldnerin Großhändler der Firma Bosch GmbH im Bereich Elektrogeräte, bis 30. April 1993 auch im Bereich Hausgeräte. Nachdem die Firma Bosch den Großhändlervertrag gekündigt hatte, kam es bei der Gemeinschuldnerin zu erheblichen Umsatzeinbußen, die nicht durch Rationalisierungsmaßnahmen und andere Aktivitäten aufgefangen wurden. Mit Schreiben vom 30. Mai 1994 kündigte die Gemeinschuldnerin allen Arbeitnehmern ordentlich mit der Begründung, um einen evtl. drohenden Konkurs abzuwenden, müsse der Betrieb zum 31. Juli 1994 geschlossen werden. Dem Kläger zu 1 wurde zum 31. August, dem Kläger zu 2 zum 30. November 1994 gekündigt. Ob der Kündigung ein förmlicher Stillegungsbeschluß unter Beteiligung aller Kommanditisten zugrunde lag, ist zwischen den Parteien streitig. Am 31. August 1994 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestimmt, nachdem schon mit Beschluß vom 11. Juli 1994 die Sequestration des Vermögens der Schuldnerin angeordnet worden war. In seinem Bericht vom 14. Oktober 1994 an das Konkursgericht erklärte der Beklagte, bereits 1989 sei das Betriebsergebnis negativ gewesen und es müsse trotz der von der Firma Bosch geleisteten Ablösezahlung für die Großhandelskonzession bereits im zweiten Halbjahr 1993 von einer Überschuldung der Gesellschaft ausgegangen werden. Das Unternehmen sei sehenden Auges in den Ruin geführt worden, wobei mehrfache Klinikaufenthalte des Geschäftsführers der Komplementärin eine Rolle gespielt hätten.
Die Kläger halten die ihnen gegenüber ausgesprochenen Kündigungen für unwirksam und haben die Auflösung des Arbeitsverhältnisses verlangt. Sie haben geltend gemacht, die Wirksamkeit der Kündigungen scheitere schon aus formalen Gründen, weil es an einem wirksamen Gesellschafterbeschluß unter Beteiligung nicht nur des Geschäftsführers, sondern auch der beiden Mitgesellschafter fehle. Wenn die Gemeinschuldnerin vorgetragen habe, eine Betriebsschließung sei “ins Auge gefaßt gewesen”, so müsse außerdem bezweifelt werden, ob schon bei Ausspruch der Kündigungen eine Betriebsstillegung endgültig und abschließend geplant gewesen sei. Nach Ausspruch der Kündigungen habe es noch Gespräche über eine Betriebsübernahme bzw. eine Fortführung von Betriebsteilen gegeben. Außerdem seien noch nach Ausspruch der Kündigungen neue Aufträge angenommen worden. Es fehle auch an einer ausreichenden Sozialauswahl, welche Arbeitnehmer über die Kündigungsfrist hinaus für Abwicklungsarbeiten eingesetzt worden seien. Die Unwirksamkeit der Kündigungen folge auch aus § 613a Abs. 4 BGB, es habe ein Betriebsübergang auf die am 12. Dezember 1994 eröffnete Firma “W… Kfz-Zubehör und Elektrogeräte Handels- und Betriebs-GmbH” stattgefunden. Schließlich fehle es an einer ordnungsgemäßen Anzeige nach § 17 KSchG. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei ihnen unzumutbar, insbesondere weil die Arbeitsplätze inzwischen vernichtet seien.
Die Kläger haben beantragt,
1. festzustellen, daß ihr Anstellungsverhältnis durch die Kündigung vom 30. Mai 1994 nicht aufgelöst worden ist,
2. das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung aufzulösen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen und die Auflösungsanträge zurückzuweisen. Er hat behauptet, angesichts der katastrophalen finanziellen Situation habe sich die Betriebsleitung im Mai 1994 dazu entschlossen, den Betrieb zum 31. Juli 1994 stillzulegen. Die Kommanditisten hätten diesen Beschluß mitgetragen. Bei Ausspruch der Kündigungen sei weder eine Betriebsaufspaltung noch eine Veräußerung geplant gewesen. Mit Kaufinteressenten sei nicht verhandelt worden. Auch später sei eine Betriebsübernahme nicht erfolgt. Seit 11. Juli 1994 sei in der Werkstatt nicht mehr gearbeitet worden und der Betrieb sei wie geplant stillgelegt worden. Wenn einzelne Arbeitnehmer mit Abwicklungsarbeiten noch kurze Zeit weiterbeschäftigt worden seien, so habe mangels Vergleichbarkeit keine Sozialauswahl stattfinden können. Der Ausschuß für anzeigepflichtige Entlassungen beim zuständigen Arbeitsamt habe die Entlassungen ordnungsgemäß genehmigt. Auflösungsgründe hätten nicht vorgelegen.
Das Arbeitsgericht hat in den dort noch nicht verbundenen Verfahren die Klagen abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb erfolglos. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Kündigungen des Beklagten haben die Arbeitsverhältnisse der Kläger aufgelöst.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, um den 20. Mai 1994 sei von dem Geschäftsführer W… der Stillegungsbeschluß gefaßt worden, der sich dann auch durch die tatsächlich erfolgte Betriebsstillegung realisiert habe. Auf die von den Klägern behauptete fehlende Berechtigung des Geschäftsführers zur Beschlußfassung komme es nicht an. Aufgrund des Stillegungsbeschlusses sei der Beschäftigungsbedarf für die Kläger entfallen und diese keinerlei Formerfordernissen unterliegende Unternehmerentscheidung sei auch vollzogen worden. Die bloße Kontaktaufnahme mit Interessenten für eine Betriebsübernahme nach Ausspruch der Kündigungen stehe deren Wirksamkeit nicht entgegen, ebensowenig die Tatsache, daß später noch Aufträge entgegengenommen worden seien. Die Kündigungen seien auch weder wegen fehlerhafter Sozialauswahl noch nach § 17 KSchG oder § 613a Abs. 4 BGB unwirksam.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung.
1. Das Landesarbeitsgericht geht zu Recht davon aus, daß die Kündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und daher nicht sozial ungerechtfertigt sind, § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
a) Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Sozialwidrigkeit einer Kündigung ist in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG Urteil vom 27. November 1991 – 2 AZR 255/91 – AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Konzern, zu B II 1 der Gründe, m.w.N.). Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil stand.
b) Die Stillegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber zählt gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung abgeben können. Unter Betriebsstillegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und zugleich ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, daß der Arbeitgeber die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, den bisherigen Betriebszweck dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiterzuverfolgen. Der Arbeitgeber ist nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stillegung auszusprechen. Es kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stillegung in Betracht. Wird die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so kann sie ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen haben. Davon ist auszugehen, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung aufgrund einer vernünftigen, betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu erwarten ist, zum Zeitpunkt des Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes gegeben (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG Urteile vom 28. April 1988 – 2 AZR 623/87 – AP Nr. 74 zu § 613a BGB und vom 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, jeweils m.w.N.). Daran fehlt es, wenn zum Kündigungszeitpunkt noch über eine Weiterveräußerung des Betriebes verhandelt wird (Senatsurteil vom 10. Oktober 1996 – 2 AZR 477/95 – AP Nr. 81 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung).
c) Eine rechtserhebliche Stillegungsabsicht erfordert bei einer juristischen Person bzw. einer Kommanditgesellschaft keinen formell gültigen Beschluß des zuständigen Organs (so aber LAG Berlin Urteil vom 10. August 1987 – 9 Sa 59/87 – LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 13; zustimmend HK-KSchG/Dorndorf, § 1 Rz 972; Knorr/Bichlmeier/Kremhelmer, Handbuch des Kündigungsrechts, 3. Aufl., S. 407 Rz 149; Kittner/Trittin, KSchR, 3. Aufl. § 1 KSchG Rz 321). Zutreffend stellt das Berufungsgericht darauf ab, daß der Beschluß zur Betriebsstillegung eine durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung darstellt, die den Beschäftigungsbedarf für den betroffenen Arbeitnehmer entfallen läßt. Diese Unternehmerentscheidung unterliegt grundsätzlich keiner bestimmten Form. Soweit das Landesarbeitsgericht Berlin in der zitierten Entscheidung auf § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG (für die Kommanditgesellschaft vgl. §§ 161 Abs. 2, 131 Nr. 2 HGB) verweist, wird damit nicht hinreichend zwischen der Auflösung der Gesellschaft und der Stillegung des von der Gesellschaft geführten Betriebes unterschieden. Nach §§ 161 Abs. 2, 131 Nr. 2 HGB bzw. § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG (vergleichbare Regelungen gelten für die anderen juristischen Personen) setzt nur die Auflösung der Gesellschaft einen Beschluß der Gesellschafter voraus. Dabei ist die Auflösung der Gesellschaft keineswegs mit deren Vollbeendigung gleichzusetzen, die Auflösung versetzt die werbende Gesellschaft lediglich in das Liquidationsstadium (Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., § 60 Rz 2; MünchHdbKG/Schmid, Bd. 2, § 48 Rz. 4 ff.; Uhlenbruck, Die GmbH + Co. KG in Krise, Konkurs und Vergleich, 2. Aufl., S. 85, 214).
Die Aufgabe des Geschäftsbetriebes muß nicht zeitgleich mit der Auflösung erfolgen. Auch im Liquidationsstadium kann die Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb im Sinne einer bestmöglichen Verwertung ihres Vermögens unter Umständen noch geraume Zeit fortführen und sogar beschließen, sich wieder in eine werbende Gesellschaft zurückzuverwandeln (Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., § 60 Rz 122). Andererseits kann der Betrieb des Handelsgewerbes zum Erliegen kommen, ehe noch ein Auflösungsbeschluß gefaßt ist; die Handelsgesellschaft verwandelt sich dann in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGH Urteil vom 19. Mai 1960 – II ZR 72/59 – BGHZ 32, 307, 312). Wann eine Stillegungsabsicht greifbare Formen angenommen hat, wann also aller Voraussicht nach ein Beschäftigungsbedarf für die betroffenen Arbeitnehmer entfällt, kann damit aus dem Beschluß über die Auflösung der Gesellschaft regelmäßig nicht hergeleitet werden. Ebensowenig macht das Fehlen eines formellen Auflösungsbeschlusses ohne weiteres einen Stillegungsbeschluß oder z.B. eine Übertragung des Geschäftsbetriebes der Kommanditgesellschaft auf einen Dritten unwirksam (vgl. BGH Urteil vom 22. Mai 1958 – II ZR 36/57 – BB 1958, 891). Die Gemeinschuldnerin durfte damit Maßnahmen zur Betriebsstillegung einleiten, bevor sie nach §§ 161 Abs. 2, 131 Nr. 1 HGB einen förmlichen Auflösungsbeschluß unter Beteiligung der beiden Kommanditisten faßte. Ob ein solcher Auflösungsbeschluß vorlag, hat das Berufungsgericht deshalb zu Recht offengelassen.
d) Selbst wenn man auf den Stillegungsbeschluß und die grundsätzlich nur das Innenverhältnis betreffende Geschäftsführungsbefugnis des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH abstellt, ergibt sich kein anderes Ergebnis. Zwar können nach § 164 Abs. 1 HGB die Kommanditisten, die von der Führung der Geschäfte der Gesellschaft ausgeschlossen sind, einer Handlung der persönlich haftenden Gesellschafter widersprechen, wenn die Handlung über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. Es kann hier jedoch offenbleiben, welche Auswirkungen auf die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung es haben kann, wenn sich der persönlich haftende Gesellschafter möglicherweise unter Überschreitung seiner Geschäftsführungsbefugnis zur Betriebsstillegung entschließt. Ist die wirtschaftliche Lage einer Gesellschaft unhaltbar geworden und ergibt sich bei objektiver Beurteilung daraus die Notwendigkeit, den Geschäftsbetrieb aufzugeben, so besteht unter den Gesellschaftern die Rechtspflicht, die insoweit notwendigen Maßnahmen zu ergreifen. Nicht einmal der Kommanditist selbst kann sich unter derartigen Umständen auf die Unwirksamkeit der von dem persönlich haftenden Gesellschafter getroffenen Maßnahmen berufen, denn es stellt eine Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht dar, wenn sich ein Gesellschafter seiner Rechtspflicht entzieht, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen (BGH Urteil vom 17. Dezember 1959 – II ZR 81/59 – NJW 1960, 434). Erst recht kann kein Dritter aus einem derartigen Pflichtverstoß des Komplementärs Rechte herleiten.
Es kann danach im vorliegenden Fall offenbleiben, ob die Kommanditisten dem Stillegungsbeschluß des Geschäftsführers zustimmen mußten und ob sie ihm zumindest nachträglich zugestimmt haben. Sie hätten ihm zustimmen müssen. Nach dem Bericht des Konkursverwalters, den die Kläger selbst vorgelegt haben und dessen Inhalt sie sich zu eigen gemacht haben, war die Beklagte praktisch schon längere Zeit konkursreif, als der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin den Stillegungsbeschluß faßte.
e) Gemessen an den zu a) dargelegten Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen, daß bei Ausspruch der Kündigung gegenüber den Klägern die Voraussetzungen für eine betriebsbedingte Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung vorgelegen haben. Das Berufungsgericht hat es nach dem Ergebnis der im Parallelverfahren durchgeführten Beweisaufnahme, dessen Verwertung die Parteien zugestimmt haben, als erwiesen angesehen, daß der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH um den 20. Mai 1994 dem Firmenanwalt seinen Stillegungsbeschluß bekanntgegeben und diesen aufgefordert hat, alle zur Stillegung per 31. Juli 1994 erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, was dann auch geschehen ist. Durchgreifende Verfahrensrügen hiergegen bringt die Revision nicht vor. Damit steht fest, daß bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung zum Zeitpunkt der Kündigung mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden konnte, eine Weiterbeschäftigung der Kläger zum Kündigungstermin sei nicht mehr möglich.
Zu Unrecht rügt die Revision in diesem Zusammenhang, das Berufungsgericht habe § 286 ZPO verletzt, indem es den erstinstanzlichen Sachvortrag der Gemeinschuldnerin unberücksichtigt gelassen habe, eine Betriebsstillegung zum 31. Juli 1994 sei lediglich “ins Auge gefaßt” gewesen. Das entsprechende Parteivorbringen hat das Berufungsgericht nicht übersehen. Es ist angesichts des eindeutigen Beweisergebnisses vielmehr davon ausgegangen, daß es sich hierbei lediglich um eine unscharfe sprachliche Formulierung handelt, die den endgültigen Stillegungsbeschluß nicht als zweifelhaft erscheinen läßt.
Soweit die Revision geltend macht, an einem ernsthaften und endgültigen Entschluß zur Betriebsstillegung fehle es, wenn noch wenige Wochen nach Kündigungszugang neue Aufträge entgegengenommen würden bzw. mit an der Übernahme des Betriebes interessierten dritten Personen Verhandlungen geführt würden, so verkennt dies die Senatsrechtsprechung zur Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstillegung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Kündigung ist der Ausspruch der Kündigung. Ist bei Ausspruch der Kündigung der Betriebsinhaber ernsthaft und endgültig zur Stillegung entschlossen, so wird die Wirksamkeit der Kündigung nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Betrieb bis zum beabsichtigten Stillegungstermin fortgeführt wird und, wenn sich unvorhergesehen ein möglicher Betriebsübernehmer meldet, mit diesem verhandelt wird (zu einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch bei nachträglicher Betriebsübernahme während der Kündigungsfrist vgl. BAG Urteil vom 13. November 1997 – 8 AZR 295/95 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Hier hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach Ausspruch der Kündigung lediglich durch Hereinnahme von Aufträgen, die innerhalb weniger Tage zu bewältigen waren, die Auslastung des Betriebes sichergestellt und mit Interessenten, die sich nach Bekanntgabe des Stillegungsbeschlusses gemeldet haben, über eine Betriebsübernahme bzw. Teilübernahme verhandelt, ohne daß diese Verhandlungen zum Erfolg geführt hätten.
f) Mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht auch ausgeführt, die Wirksamkeit der Kündigung scheitere nicht daran, daß der Beklagte im Hinblick auf die für Abschlußarbeiten weiterbeschäftigten Arbeitnehmer keine ausreichende Sozialauswahl getroffen hätte. Da die Beklagte allen Arbeitnehmern gekündigt hat, hätte eine Sozialauswahl hinsichtlich der wenigen für Abschlußarbeiten aufrechterhaltenen Arbeitsplätze zunächst einmal eine Vergleichbarkeit der Kläger mit betreffenden Arbeitnehmern vorausgesetzt. Diese ist nicht dargelegt. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang die Verletzung des § 139 ZPO rügt, ist diese Rüge unzulässig, denn es ist nicht im einzelnen angegeben, welchen weiteren Sachvortrag die Kläger auf einen entsprechenden Hinweis des Gerichts nach § 139 ZPO gebracht hätten.
2. Eine Unwirksamkeit der Kündigungen wegen unterlassener bzw. fehlerhafter Anzeige nach §§ 17 ff. KSchG hat das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend verneint. Durch Bescheid vom 2. August 1994 hatte der Ausschuß für anzeigepflichtige Entlassungen beim Arbeitsamt Aschaffenburg die Entlassung aller 64 Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin zur Kenntnis genommen und damit Inzident die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige festgestellt (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 1996 – 2 AZR 895/95 – EzA § 17 KSchG Nr. 6, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Eine erneute Anzeigepflicht kam also allenfalls nach § 18 Abs. 4 KSchG für die Entlassungen in Betracht, die z.B. wegen der Länge der Kündigungsfrist nicht mehr innerhalb der bis 21. August 1994 laufenden Freifrist durchgeführt werden konnten. Dies setzte aber wiederum voraus, daß zu dem jeweiligen Entlassungstermin eine Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG bestand, also innerhalb von 30 Kalendertagen die dort genannte Anzahl von Entlassungen erfolgte. Diese Voraussetzungen hatten die Kläger darzulegen und zu beweisen (BAG Urteil vom 19. Juni 1991 – 2 AZR 127/91 – AP Nr. 53 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Dies ist, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht in ausreichender Weise geschehen. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das Berufungsgericht hätte dem Beweisantritt auf Auskunft des Arbeitsamts nachgehen müssen, wird die Nichterhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises gerügt, der den Klägern erst die Tatsachen hätte beschaffen können, die sie im Prozeß vorzutragen hatten. Die Rüge des fehlenden gerichtlichen Hinweises nach § 139 ZPO auf die mangelnde Substantiierung ist unzulässig, denn es wird nicht dargelegt, welchen ergänzenden Sachvortrag die Kläger auf einen entsprechenden Hinweis beigebracht hätten.
3. Auch § 613a Abs. 4 BGB ist offensichtlich nicht verletzt. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen mehr. Die von den Klägern behauptete Betriebsübernahme durch die neue GmbH hat lange nach dem Stillegungstermin stattgefunden und kann deshalb nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür bieten, daß die Kündigungen wegen des behaupteten Betriebsübergangs ausgesprochen worden wären.
4. Die nur für den Fall der Unwirksamkeit der Kündigungen gestellten Auflösungsanträge sind nicht mehr zur Entscheidung des Gerichts gestellt.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Röder, Beckerle
Fundstellen
Haufe-Index 2628878 |
ZInsO 1998, 191 |